Rohstoffknappheit und Lieferengpässe
Preise für Rohstoffe auf Rekordniveau, Verfügbarkeit von Material teilweise nicht vorhanden – Die Baubranche kämpft trotz guter Auftragslage um jeden Baufortschritt.
Wer hätte das gedacht? Nachdem die Baubranche das erste Corona-Jahr mit nur kleinen Schrammen überstanden hat, prognostizierten viele den großen Auftragseinbruch ab 2021. Dieser scheint aktuell jedoch in weiter Ferne – im Gegenteil, die Baubranche brummt, auch der Investitionsprämie sei Dank. Und auch die Ausführenden sind weiterhin gut ausgelastet. Zum Teil müssen auch schon wieder Aufträge abgelehnt werden, wie man von einigen Seiten hört. Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es auch. Denn nun könnten andere, aus der Krise resultierende Effekte die Branche hart treffen. Rohstoffpreise gehen seit Wochen durch die Decke, es kommt zu Lieferengpässen bei Materialien, und dort, wo geliefert werden könnte, fehlen teilweise die Möglichkeiten.
Welche Rohstoffe sind betroffen?
Gleich mehrere Warengruppen sind derzeit von drastischen Preiserhöhungen betroffen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Der Wirtschaftsaufschwung in China und ein Mangel an Frachtcontainern, Corona-bedingte Produktionsengpässe, Produktions- und Lieferausfälle durch den heftigen Wintereinbruch in den USA, die übliche saisonale Steigerung der Nachfrage und auch die ankurbelnden Effekte der Investitionsprämie machen sich bemerkbar. „Aktuell ist es eine unglückliche Verkettung der Umstände. Jedes Element für sich allein hätten wir wahrscheinlich gar nicht bemerkt“, bestätigt auch Stefan Graf, CEO des Bauunternehmens Leyrer + Graf. Doch so trifft es produktübergreifend fast alle Hersteller und damit auch die Verarbeiter der Baubranche gleichermaßen.
Stahlpreis steigt weiter
Den Anfang in Sachen Preisexplosion machte Stahl. So lag beispielsweise der Großhandelspreisindex von Eisen und Stahl laut Statistik Austria im März um 30,9 Prozent über dem Durchschnittspreis von 2020. Daraus ergaben sich wiederum Preissteigerungen für Betonstahl um mindestens 35 bis 40 Prozent allein im ersten Quartal 2021. Im Gespräch mit unserem Schwestermagazin „Metall“ berichtet Metalltechnik-Bundesinnungsmeister Harald Schinnerl sogar von Preiserhöhungen um bis zu 80 Prozent. Auch die Verfügbarkeit sei momentan katastrophal: „Die Lieferzeiten verdoppeln oder verdreifachen sich“, so Schinnerl. Weil sich große, liquide Firmen mit Stahl eindeckten, verknappe sich das Angebot zusätzlich und die Preise würden weiter in die Höhe getrieben. Diese Steigerungen resultieren einerseits daraus, dass China vom Stahlexporteur zum -importeur wurde, sowie aus der Knappheit an Schrott, der einen wesentlichen Bestandteil von neu erzeugtem oder recyceltem Stahl darstellt.
Für Arno Sorger, Präsident des Österreichischen Stahlbauverbands, ist das Argument des gestiegenen Schrottpreises aber nur ein Teil der Wahrheit: „Ich glaube, dass es auch mit preispolitischen Maßnahmen, um nicht zu sagen, mit Spekulation am Markt zu tun hat.“ Hinzu kommt eine erhöhte Nachfrage, mit der teilweise nicht gerechnet wurde, die die Preise nochmals antreibt.
Fast alle Rohstoffe von Preissteigerung betroffen
Ähnliche Preisentwicklungen lassen sich auch bei anderen Rohstoffen beobachten. Egal ob Epoxidharze, Polyurethanrohstoffe, PVC, Polystyrol, Weichmacher, Silikone, Dispersionen, Bitumen und erdölbasierte Dämmstoffe, Glas, Holz, Verpackungsmaterial und Paletten – die Einkaufspreise steigen stetig an. Für manche Produktgruppen beklagen Hersteller sogar Mehrkosten von 250 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Ein Bereich, der das volle Ausmaß zu spüren bekommt, ist die Baumaschinenproduktion. „Die aktuelle Rohstoffsituation trifft uns hart und hat negative Auswirkungen auf unser Geschäft“, stellt Alexander Greschner, CSO der Wacker Neuson Group, fest. Dabei gehe es um viele Komponenten entlang der Baumaschinenproduktion, vom Stahl bis hin zu Kunststoffgranulat, die benötigt werden und aktuell starken Preissteigerungen unterliegen. „Ein weiteres Problem stellt der Mangel an Schiffcontainern dar“, beschreibt Greschner die Lage. „Die Preise haben sich in den letzten Monaten verdreifacht, wenn man denn überhaupt genügend bekommt.“ Eine Situation, mit der der Baumaschinenhersteller nicht allein ist.
Können Ersatzrohstoffe eine Lösung sein?
Schwer getroffen hat es auch die Bauchemiehersteller. Reihenweise werden in den letzten Wochen Preiserhöhungen verlautbart. Michael Jernei, R&D-Manager bei Sika Österreich, berichtet: „Die Preisspirale dreht sich bei vielen Rohstoffen derzeit sehr stark nach oben. Bei Epoxidharzen liegen die Preissteigerungen bei deutlich über 50 Prozent. Für alle anderen Rohstoffe im deutlich zweistelligen Bereich.“ Unmittelbar könne man die Steigerungen nicht in vollem Umfang weitergegeben, und diese beeinflussen das eigene Ergebnis deutlich.
Doch es ist nicht alles allein eine Frage des Preises. „Noch dramatischer als die Preissteigerungen ist jedoch die Verfügbarkeit bei Epoxidharzen“, so Jernei weiter. „Wir können teilweise den Bedarf nicht vollumfänglich decken und müssen auf alternative Technologien wie Polyurethane oder Methacrylate ausweichen.“ Eine Option, die nicht alle Hersteller in der Branche haben.
Wie akut die Lage in der Branche ist, spiegelt sich in den Ergebnissen einer aktuellen Leserumfrage der Österreichischen Bauzeitung wider. Über 80 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit steigenden Preisen zu kämpfen haben und diese schon an Auftraggeber sowie Kunden weitergeben müssen. Aufgrund dieser dynamischen Entwicklungen am Markt erwarten 81,2 Prozent einen massiven Anstieg der Baukosten.
Auch die Verfügbarkeit ist schon jetzt ein wesentlicher Faktor für die Unternehmen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gab an, schon jetzt Probleme zu haben, alle notwendigen Produkte für die eigene Arbeit zu organisieren. Die logische Konsequenz daraus sind Bauzeitverzögerungen, vor allem bei laufenden Projekten, da Vorlaufzeiten nicht gegeben sind. Vier Fünftel der Befragten rechnen deswegen mit Bauzeitverzögerungen aufgrund von Materialengpässen. Gegensteuern lässt sich diesem Prozess schwer, da es ein europäisches Phänomen ist und man auch nicht auf ausländische Produkte zurückgreifen kann. Diese sind meist genauso wenig erhältlich wie die heimischen. Einzig volle Lager, sofern man sie schon vor ein paar Wochen befüllen konnte, bringen ein wenig Sicherheit.