Brennpunkt
Tatkräftig in die Zukunft
Jammern ist ihre Sache nicht, da ist sich die Spitze der Bundesinnung der Tischler und Holzgestalter einig. Dass die Investitionsbereitschaft der Kundinnen und Kunden zurückgeht und sich dadurch eine gewisse Verunsicherung in der Kollegenschaft breit macht, lasse sich allerdings nicht verleugnen. "Noch berichtet ein Großteil unserer Mitgliedsbetriebe über einen guten Auftragsstand. Es ist allerdings die Frage, wie lange das so noch anhält. Denn bekanntermaßen treffen Auftragsrückgänge in der Baubranche unser Gewerk zeitverzögert", sagt Bundesinnungsmeister Gerhard Spitzbart.
Unerwünschte Fördereffekte
Maßnahmen wie Baupaket, Handwerkerbonus und andere Fördermaßnahmen, die von der Politik zur Konjunkturankurbelung gesetzt werden, seien grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings gebe es auch einen unerwünschten Fördereffekt: "Aus Angst, Förderungen zu verpassen oder zu früh zu investieren, warten einige Konsumentinnen auch ab bzw. zögern bereits geplante Anschaffungen hinaus", meint Spitzbart. BIM-Stellvertreter Helmut Mitsch beurteilt den Handwerkerbonus durch die Förderung des durchaus positiv, der Bonus zahle sich vor allem bei lohnintensiven Arbeiten wie einer Fenstersanierung aus. Klaus Nenning, BIM-Stv. und Landesinnungsmeister in Vorarlberg, begrüßt grundsätzlich die bessere Förderung des privaten Wohnbaus bzw. der Sanierung. Andererseits verzerrten zu viele Förderungen den Markt und verunsicherten im Endeffekt die Konsument*innen: "Für eine bessere Planbarkeit und langfristige Effekte wünschen wir uns eine Vereinfachung der Rahmenbedingungen."
Preise unter Druck
"Die Stimmung ist momentan noch optimistisch, aber es ist insgesamt schon etwas ruhiger wie in den letzten zwei Jahren. Auf jeden Fall spürbar ist ein wesentlich stärkerer Wettbewerb am Markt und damit auch unter den Tischlereien. Ein solcher hat in den letzten beiden Jahren ja quasi nicht mehr stattgefunden", führt Klaus Nenning weiter aus. All dies bringe auch auch die Preise unter Druck. "Das ist zwar für die Konsument*innen gut, die Betriebe freut das weniger. Wir merken, dass wieder viel länger verhandelt und verglichen wird, bis es zu einem Abschluss kommt", so Nenning, der die Herausforderung darin sieht, "dass am Ende des Tages ein Preis übrigbleibt, mit dem man noch Geld verdienen kann". Zudem habe der (öffentliche) Wohnbau eine Vollbremsung hingelegt. Das treffe die Tischlereien zwar nicht unmittelbar. Aber durch das Wegfallen der „großen Brocken“ gebe es ein größeres Interesse auch an kleineren Aufträgen, zudem werden die Investoren vorsichtiger.
Lieferketten & EPD
Auch in anderen Bereichen herrscht Unsicherheit, wie beim EU-Lieferkettengesetz. "Trotz zahlreicher Informationen wissen wir nicht endgültig, was wann auf uns zukommen wird und wer überhaupt in welchem Ausmaß betroffen sein wird. All das erschwert eine adäquate Vorbereitung", kritisiert BIM Gerhard Spitzbart. Das Thema EPD (kurz für Environmental Product Declaration), auf Deutsch meist mit Umwelt-Produktdeklaration übersetzt, betrifft die Tischlerbranche ebenfalls. Laut Online-Lexikon Wikipedia ist eine EPD ein Dokument, in dem die umweltrelevanten Eigenschaften eines bestimmten Produktes in Form von neutralen und objektiven Daten abgebildet werden. Diese Daten decken möglichst alle Auswirkungen ab, die das Produkt auf seine Umwelt haben kann. Dabei wird im Idealfall der gesamte Lebensweg des Produktes berücksichtigt. "Grundsätzlich geht es darum, die Nachhaltigkeit zu fördern – und das heißen wir natürlich gut. Allerdings weiß bisher niemand, wer all diese Punkte prüfen soll. Im Gespräch ist es, die Steuerberater damit zu beauftragen. Wie auch immer entschieden wird, ist zu befürchten, dass die Bürokratie und die zusätzlichen Kosten an den Betrieben hängen bleiben", warnt Spitzbart. Von Seiten der Bundesinnung recherchiere man gerade zu diesem Thema, um in Bälde detailliert informieren zu können.
Fenster im Fokus
"Ich sehe den Rückgang im Baubereich stark bei Großprojekten, die Tischlereibetriebe eher weniger bedienen", sagt BIM Stv. Helmut Mitsch, der "grundsätzlich positiv" in die Zukunft blickt. Rückgänge seien allerdings auch im Fensterbau – der für Tischlereien ein wichtiges Thema ist – zu bemerken. Hier steuere man von Seiten der Bundesinnung schon seit längerem mit mehreren Initiativen wie dem „Fenster-Upgrade – ein zweites Leben für ein Fenster“ dagegen. Zur Erinnerung: Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes mit u.a. der Holzforschung Austria (HFA) hat die BI erhoben, durch welche Sanierungsmaßnahmen alte Holz- und Holz-Alufenster in welchem Ausmaß profitieren bzw. welche Werte sich wie verbessern lassen. Die gesicherten Prüfungsergebnisse stehen mittlerweile in Form eines Katalogs zur Verfügung. Dieser kann über die Innung angefordert werden und von Tischlerinnen und Tischlern als Planungshilfe und Argumentationsleitfaden in Kund*innengesprächen genützt werden. "Die Tischlereien konnten schon vorher Fenster sanieren, allerdings fehlten ihnen die Unterlagen, um die Effekte nachzuweisen, z. B. für die Erstellung eines Energieausweises. Jetzt steht das Material zur Verfügung und wir bekommen sehr viel Zuspruch. Denn gerade wenn der Neubau schwächelt, muss man in der Sanierung firm sein. Und Nachhaltigkeit und effiziente Energieeinsparmöglichkeiten sind sowieso die Themen der Stunde, die einen riesigen Schub erleben – unsere Branche hat hier sehr viel einzubringen", ist Mitsch überzeugt. In Sachen Förderbarkeit der Fenstersanierung gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Möglichkeiten. "Die Politik wurde hier bereits von der Realität überholt. Nach wie vor wird der Fenstertausch großzügig gefördert, die viel nachhaltigere und für Konsumenten günstigere und einfachere Sanierung aber nicht immer", sagt Mitsch und kündigt an, weiterhin intensiv mit den verantwortlichen Stellen über eine Adaptierung der Gesetzeslage und einer Entwirrung des "Förderdschungels" zu verhandeln. Apropos Gesetzgebung: "Wir müssen im Vorfeld einer Gesetzgebung, einer Normung so viel wie möglich mitarbeiten und danach eine starke Unterstützung bei der Umsetzung geben", definiert Helmut Mitsch seinen Anspruch als Interessenvertreter.
Techniktage auf Tour
Genau in diese Kerbe schlage man mit den Techniktagen (das Tischler Journal hat berichtet), mit denen man seit kurzem durch die Bundesländer tourt. In seiner langjährigen Funktion als LIM hatte Mitsch dieses Format für Niederösterreich ins Leben gerufen, nun wird es in abgewandelter Form auf ganz Österreich ausgerollt. Ein Schwerpunkt dreht sich eben rund ums Fenster, auch die neue Werkvertragsnorm steht im Fokus. Ansonsten greift man unterschiedliche aktuelle Themen auf, wie z. B. die anstehenden Änderungen bei der kilometerbezogenen Maut.
Flexible Arbeitszeiten
"Die Arbeitszeitflexibilisierung ist ein großes Thema, auch hier ist die Realität dabei, die Gesetzgebung zu überholen", kritisiert Mitsch. Viele Betriebe setzen bereits auf eine Vier-Tage-Woche, durch schwammige Vorschriften agieren sie aber teilweise unverschuldet in einer gesetzlichen Grauzone. "Die derzeitigen Regelungen sind viel zu kompliziert und für die Arbeitgebenden kaum zu durchschauen. Zum Beispiel kann man bei einer Vier-Tage-Woche einen Lehrling nicht in Vollzeit beschäftigen, weil dieser pro Tag maximal neun Stunden arbeiten darf. Hier müssen rasch Rahmenbedingungen her, die leb- und umsetzbar sind", fordert der BIM-Stellvertreter, der bei den Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz einen ähnlichen Aufholbedarf sieht.
Magazin für Lehrlinge
Seit Jahren ein Dauerbrenner sind der Fachkräfte- und Lehrlingsmangel. "Wir haben uns in Vorarlberg stark auf die Nachwuchsförderung konzentriert und können bereits leicht steigenden Lehrlingszahlen verbuchen", sagt Klaus Nenning. Auch er setzt auf Pilotprojekte im Bundesland, die als Vorlage für eine bundesweite Ausrollung dienen könnten. Dazu zählt das Magazin "HOLZ", das in erster Auflage im Rahmen der Fachgruppentagung Mitte April erstmals präsentiert wurde. Hier wird die Tischlereiausbildung inklusive der kreativen Gesellenstücke detailliert abgebildet. "Wir möchten damit bei jungen Menschen und ihren Eltern Werbung für unseren Beruf machen und eine Entscheidungshilfe geben. Ausbildungsbetriebe können mittels des Magazins im Rahmen von Schnuppertagen oder Schulbesuchen anschaulich zeigen, was Jugendliche im Laufe der Lehre alles lernen. Denn das ist eine Menge – und viel zu wenig bekannt", erklärt Klaus Nenning die Idee. In einer ersten Verteilaktion erhalten alle Innungsmitglieder ihre Exemplare, ebenso liegt "HOLZ" durch den Lesezirkel u.a. in Arztpraxen auf. Bald soll auch eine digitale Version zur Verfügung stehen. Ebenso erfolgreich und zum Nachahmen empfohlen ist ein weiteres Vorarlberger Projekt: Unmittelbar nach dem Landeslehrlingswettbewerb wurden heuer zum zweiten Mal die besten zehn Teilnehmenden jedes Lehrjahres zur Siegerehrung eingeladen. Die Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten eines Sponsorbetriebes statt – heuer beim Beschläge-Hersteller Blum – und erfreut sich großen Zuspruchs. Den Erfolg des Konzepts schreibt Nenning vor allem einem Punkten zu: "Die Chance, unter den ersten Zehn zu sein, ist für viele realistischer, als zu den Sieger*innen zu gehören und spornt zusätzlich an."