Erneuerbare Energie
Start frei für 300 Millionen Öko-Förderung
Die Regierung hat sich 2020 zum Ziel gesetzt, Österreich unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu machen. Dafür wurde 2021 das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) beschlossen, damit Österreichs Stromversorgung 2030 zu 100 Prozent durch erneuerbare Energie erfolgt. Seit Jahresbeginn 2022 ist dieses Gesetz in Kraft, es fehlte bis dato aber noch die Verordnung für die konkrete Förderung.
Jetzt ist sie da, oder besser gesagt eine ist da. Am 6. April 2022 erließ Energieministerin Leonore Gewessler die langerwartete Investitionszuschussverordnung. Zur Verfügung stehen ab 21. April 2022 300 Millionen Euro für die Förderung von kleineren und mittleren Anlagen, wie PV-Anlagen auf Hausdächern, kleinere Windräder, Biomasse-Anlagen oder Kleinwasseranlagen. Das ist etwas mehr als die ursprünglich geplanten 250 Mio. Euro. Der Förderbetrag, der von Unternehmen, Vereinen und Einzelpersonen beansprucht werden kann, wird abhängig von der Anlage bei rund einem Drittel der Kosten liegen.
300 Millionen Euro für eine Terrawattstunde
Mit der 300-Millionen-Euro-Förderung soll "so rasch als möglich", so der Plan der Energieministerin, 2022 die Stromproduktion von erneuerbaren Energie um eine Terrawattstunde (1 TWh) ausgebaut werden. Das klingt viel und entspricht, in etwa, der jährlichen Stromerzeugung des Wiener Wasserkraftwerks Freudenau, Europas größtem Stadtkraftwerk. Leonore Gewessler hat in Photovoltaikanlagen gerechnet und kam auf einen Vergleichswert von 211.000 Dach-Installationen.
Um das Ziel, die hundertprozentige Stromversorgung 2030 ohne fossile Energien zu schaffen, müssten die erneuerbaren Energien aber um 27 Terrawattstunden zulegen. Experten schätzen, dass durch den größeren Stromverbrauch in der Zukunft, Stichwort E-Mobilität, der Bedarf an grüner Energie für eine totale Unabhängigkeit sogar noch größer sein wird. Von 2022 bis 2030 sind es neun Ausbaujahre, sprich es wären, bei jeweils einer Terrawattstunde pro Jahr für kleinere und mittlere Anlagen, am Ende neun Terrawattstunden mehr. Der Rest der fehlenden Terrawattstunden müsste über Großprojekte, wie Großwindkraft und Wasserstoff, realisiert werden. Doch bis dato fehlen dafür die notwendigen Verordnungen. Mit dem derzeitigen Tempo wird sich das mit den 100 Prozent bis 2030 also schwer ausgehen. Dazu kommt, dass es gerade für die Industrie raschere Lösungen braucht. Vor allem bei der energieintensiven Industrie, wo Gas eine wesentliche Rolle spielt, spitzt sich die Situation aufgrund des Ukraine-Krieges immer mehr zu.
Zusätzliche Weichen müssen gestellt werden
Grundsätzlich wird die Investitionszuschussverordnung von allen Seiten gutgeheißen und begrüßt. Neben der Begeisterung für den Startschuss gibt es jedoch so gut wie von jeder Seite auch gleich Anmerkungen. So hält Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) fest, dass gerade in der aktuellen Lage alle Möglichkeiten zur Ausweitung der heimischen erneuerbaren Energieproduktion rasch ausgeschöpft werden sollten: "Wir müssen Schwung aufnehmen und auch die anderen unverzichtbaren Elemente der Energiewende umgehend auf den Weg bringen." Gerade auf der Bundesebene sollten noch weitere wichtige Weichen gestellt werden. Gemeint sind beispielsweise das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das Grüngasgesetz, das Energieeffizienzgesetz und das Klimaschutzgesetz. Aber auch auf Länderebene brauche es mehr Bewegung, unter anderem durch ambitionierte und dem Bundesziel entsprechende Länderziele, Ausweisungen von Flächen und die Schaffung einer adäquaten Genehmigungsstruktur.
Zwanzig weitere Verordnungen fehlen
Auch Österreichs Energie, die Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, legt den Finger auf die offene Wunde "fehlende Verordnungen". "Die EAG-Novelle wurde im Jänner beschlossen, nun haben wir die erste Verordnung – rund zwanzig weitere fehlen noch. Ein derartiges Tempo können wir uns in der aktuellen Situation einfach nicht leisten", bekrittelt Österreichs-Energie-Generalsekretärin Barbara Schmidt. Damit die Erneuerbaren-Projekte endlich auf den Boden gebracht werden können, brauche es rasch eine vollständige Umsetzung des EAG, außerdem auch noch schnellere Verfahren und ausreichend geeignete Flächen zur Errichtung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen. "Es wäre an der Zeit alle Hebel in Bewegung zu setzen, die wir haben."
Missing Link Energiesparprogramm
Für den Umweltdachverband ist der forcierte Ausbau des Ökostroms allerdings nur eine Komponente für die Erreichung der nationalen Energie- und Klimaziele. "Wir verbrauchen viel mehr Energie, als ökologisch verkraftbar und notwendig ist. Egal wie ambitioniert, der Ausbau wird den Energiehunger unseres Landes nicht stillen können", meint Umweltdachverband-Präsident Franz Maier. Weitere Prämissen auf dem Weg in die Klimaneutralität seien deshalb wirksame Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung des Energieverbrauchs. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt rasch ein konkretes Energiesparprogramm in Aussicht stellt", so Maier.
Stolpersteine durch Materialengpässe
Einen komplett anderen Blickwinkel auf die Energiewende, besser gesagt auf eine Gefährdung der Energiewende, hat der Bereich Gewerbe und Handwerk. Bei der Pressekonferenz der WKÖ-Bundessparte am 7. April 2022 richtete Bundesparten-Obfrau Renate Scheichelbauer-Schuster das Augenmerk auf den in dieser Art noch nie dagewesenen Ausnahmezustand, unter anderem bedingt durch Preissteigerungen und Materialengpässe. So gibt es derzeit Lieferausfälle bei Aluminium aus der Ukraine für Leitungen, wodurch der Ausbau der Ortsnetze ins Stocken kommt. Aber auch Aluminiumschienen für die Photovoltaik-Module sind Mangelware, weshalb die Module nicht montiert werden können – sofern überhaupt die notwendigen Wechselrichter vorhanden sind, um die PV-Gleichspannung in Wechselstrom umzuwandeln. Denn auch da gibt es Lieferengpässe aufgrund des Chipmangels infolge der Corona-Pandemie. Es droht der Stillstand, aber nicht nur auf den Baustellen.
Investitionszuschussverordnung
Förderungen 2022:
rd. 240 Millionen Euro für Photovoltaik und Stromspeicher
rd. 4 Millionen Euro für Windkraft
rd. 6 Millionen Euro für Biomasse-Anlagen
rd. 45 Millionen Euro für Wasserkraft