EU-Gasnotfallplan
Wie die 15-Prozent-Einsparung zu schaffen ist
Damit die EU auch im Falle eines kompletten Gas-Lieferstopps aus Russland durch den Winter kommt, sollen die EU-Länder im Zeitraum von 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 den Verbrauch um 15 Prozent senken. Vorerst sind die Einsparungsziele freiwillig, erst im Falle eines EU-weiten Notfalls werden die Vorgaben verpflichtend.
Österreich scheint dafür gut aufgestellt zu sein. Immerhin hat Energieministerin Leonore Gewessler schon einen Tag vor dem Sondertreffen in Brüssel bei einem ORF-Interview anklingen lassen, dass im Vergleich zum Vorjahr der heimische Gasverbrauch aufgrund der hohen Preise bereits um zehn Prozent gesunken ist.
Ohne Industrie wird es nicht gehen
Unabhängig davon sei Österreich auf einem guten Weg, versichert Gewessler. Die Energieministerin scheint zuversichtlich das Speicherziel von 80 Prozent bis zum Herbst zu schaffen. Trotz stetiger Drosselung der Gaslieferung seitens Russland, vor allem bei der Pipeline Nord Stream 1, konnte Österreich weiter Gas einspeichern. Derzeit liegt der heimische Speicherstand insgesamt bei 52 Prozent, der erste Speicher, der der OMV gehört, hat sogar schon das 80-Prozent-Ziel erreicht. Ein weiterer Pfeil im Gasabsicherungs-Köcher wird der Gasspeicher Haidach sein, der aufgrund einer gesetzlichen Regelung nicht mehr dem russischen Gaszprom-Konzern, sondern österreichischen Unternehmen zur Verfügung steht und ab 1. August befüllt werden soll.
Dennoch spricht die Energieministerin von einer Kraftanstrengung, vor allem um die 15-Prozent-Einsparung zu schaffen. Die zusätzlichen fünf Prozent und mehr könnten sich tatsächlich zu einer Mammut-Aufgabe mausern. Auf jeden Fall wird es nicht alleine mit Licht- und Temperatur-Reduzierungen im öffentlichen Bereich und in den Haushalten zu stemmen sein. Ohne die Industrie ins Boot zu holen, die mit Abstand das meiste Gas in Österreich verbraucht, wird es nicht funktionieren. Von den rund 9 Milliarden Kubikmetern Erdgas, die in Österreich jährlich konsumiert werden, benötigen die produzierenden Betriebe 40 Prozent.
In sechs Monaten kaum zu schaffen
Die Regierung hat daher die Fuel Switch-Verordnung, oder besser gesagt die Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung, in Begutachtung gebracht. Dabei geht es darum, dass die Industrie, überall wo es technisch, wirtschaftlich und rechtlich möglich ist, auf andere Energieträger umstellt. Für die dadurch entstehenden Kosten sieht die Verordnung eine Entschädigung vor.
Doch für Jürgen Streitner, Leiter der Abteilung Umwelt- und Energiepolitik in der WKÖ, ist es fraglich, ob diese Verordnung rechtzeitig eine breite Wirkung entfalten kann. Denn diese adressiere nur einige wenige Anlagen, die als Großverbraucher eingestuft sind, und ist nur für sechs Monate gültig. "In der Regel müssen Unternehmen für eine Erdgassubstitution Anlageninvestitionen tätigen, für die es Genehmigungen braucht. Das ist in diesem Zeitraum kaum zu schaffen und mangels Anpassung der Emissionsgrenzwerte auch meist nicht möglich", gibt Steiner zu bedenken. Seiner Meinung nach müssten daher rasch auch an andere Maßnahmen angedacht werden.
Weitere Maßnahmen dringend notwendig
Dringend notwendig wäre ein Maßnahmenpaket, das Erdgassubstitutionen bei Unternehmen jeglicher Größenordnung ermöglicht. Vor allem, so der Experte, würden die Betriebe Rechtssicherheit benötigen, wenn es durch den Fuel-Switch zu einer Überschreitung der aktuell geltenden Emissionsgrenzwerte kommt. "Es geht darum, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um jetzt Vorkehrungen für eine mögliche Erdgassubstitution treffen zu können. Denn: Je eher Gas substituierte werden kann, desto mehr kann auch eingespeichert werden."
Vorrangig brauche es laut Streitner auch eine Richtlinie zur Förderung von Anlagenumrüstungen, wie es das Erdgasdiversifizierungsgesetz vorsieht, und das rasch. Außerdem brauche es abfallrechtliche Erleichterungen, damit Produktgase aus Reststoffen, die in den Unternehmen anfallen, leichter genutzt werden können. Eine verstärkte Unterstützung sei auch beim Umstieg auf erneuerbare Energien dringend notwendig: "Wir warten noch immer auf die Investitionszuschussverordnung für erneuerbare Gase, die bereits mit Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes im Juli 2021 umgesetzt hätte werden können", betont Streitner. Zusätzlichen Handlungsbedarf sieht auch Greenpeace, vor allem um den Energieverbrauch auf lange Sicht zu reduzieren. Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich, fordert langfristige Maßnahmen, statt nur kurzfristiger Notfallpläne: "Nach wie vor ist das Energieeffizienzgesetz ausständig, dass die Industrie zum Energiesparen verpflichten soll."