WKÖ-Konjunkturumfrage
Gewerbe und Handwerk kämpft mit Umsatzrückgängen
Im vierten Quartal 2022 sowie Anfang des Jahres schrillten bei Gewerbe und Handwerk, besonders im Baugewerbe, die Alarmglocken. Mittlerweile hat sich die Stimmung insgesamt etwas verbessert, doch Entwarnung konnte noch nicht gegeben werden.
Die Konjunkturumfrage der KMU Forschung Austria für das zweite Quartal 2023 ist zwar tendenziell positiver ausgefallen, dennoch ist das Ergebnis weiterhin überwiegend negativ. 20 Prozent der Betriebe erwarten einen höheren Umsatz, also mehr Aufträge, während 26 Prozent von einem Rückgang ausgehen. Heißt, in einigen Bereichen gibt es wieder positive Entwicklungen, doch für den Großteil der Branchen läuft es immer noch nicht rund.
Drittes Umsatzminus in Folge
Was nicht weiter wundert, wenn man sich die reale Umsatzentwicklung von 2022 anschaut. Die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts für Österreich lag bei fünf Prozent, im Bereich Gewerbe und Handwerk gab es aber ein Minus von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und damit zum dritten Mal in Folge ein reales Minus, nach 2020 (- 9%) und 2021 (-0,4%).
Nur vier Branchen konnten sich über ein reales Plus freuen: die Fotografen, die Kunststoffverarbeiter, das Personaldienstleister und Sicherheitsgewerbe sowie die Friseure. Alle anderen Branchen hatten eine negative preisbereinigte Umsatzentwicklung, völlig unabhängig von den Betriebsgrößen. Besonders schwer hat es die Bereiche Dachdecker, Glaser, Spengler (-9,2%) und das Bauhilfsgewerbe (-8,3%) erwischt. Doch auch der Holzbau (- 5,5%), die Maler und Tapezierer (-5,1%), das Baugewerbe (-4,5%) und der Bereich Hafner, Platten- und Fliesenleger, Keramiker (-4,2%) waren stark betroffen.
Baugewerbe: Sorgenkind statt Konjunkturlokomotive
Eine Tendenz, die sich im ersten Quartal dieses Jahres fortsetzte. Vor allem die investitionsgüternahen Branchen verzeichneten beim Auftragsbestand, der sonst in dieser Jahreszeit immer zunimmt, einen Rückgang von 7,8 Prozent. Die größten Auswirkungen gab es beim Tischler und Holzgestaltende Gewerbe (-24%), dem Bauhilfsgewerbe (-15,3%) und dem Baugewerbe (-14,5%). Erfreulich dagegen die Zuwächse bei Maler und Tapezierer (+12,7%), Dachdecker, Glaser und Spengler (+11,3%) und beim Holzbau (+10,6%).
Dass die langjährige Konjunkturlokomotive, das Baugewerbe, derzeit zu den "Sorgenkindern" gehört, liegt am momentan niedrigen Anteil privater und gewerblicher Auftraggeber. Ausgelöst, so Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, durch die erschwerten Finanzierungsbedingungen und die aktuelle Zinsentwicklung: "Es ist das eingetreten, was sich abgezeichnet hat". Für Scheichelbauer-Schuster wäre daher jetzt der richtige Zeitpunkt, das Bausparen in Österreich wieder attraktiver zu machen. Sowohl die staatliche Prämie als auch die Darlehenssumme sollten an das derzeitige Preisumfeld angepasst werden.
Energiekostenzuschuss braucht rasche Umsetzung
Auch die Energiesicherheit und die hohen Energiekosten sind für die Unternehmen im Bereich Gewerbe und Handwerk 2023 weiterhin virulente Themen. Deshalb brauche es für den Energiekostenzuschuss 2, wo nach wie vor die Abwicklungsdetails ausständig sind, eine rasche Umsetzung. "Die stark erhöhten Energiekostenrechnungen sind jetzt zu bezahlen", betont Bundessparten-Geschäftsführer Reinhard Kainz und fordert eine Überbrückungshilfe, die viele Betriebe dringend benötigen würden. Als liquiditätssichernde Maßnahme könnten, ähnlich wie bei der Corona-Krise, vom Staat besicherte Kredite wirken. "Für die Klein- und Kleinstbetriebe ist bis dato noch kein Cent Energiekostenzuschuss geflossen", so Kainz.
Trotz Rekordbeschäftigung hoher Personalbedarf
Ebenfalls hoch ist der Personalbedarf. Zwar gab es im Gewerbe und Handwerk 2022 mit insgesamt 831.144 Personen eine Rekordbeschäftigung, dennoch fehlen derzeit rund 70.000 Arbeitskräfte. Bis 2040 könnte sich diese Lücke laut Prognosen sogar um weitere 70.000 Personen erhöhen, sich also verdoppeln. "Uns gehen die Arbeitskräfte aus", warnt Scheichelbauer-Schuster, die gleichzeitig darauf aufmerksam macht, dass dann die Klimawende nicht zu schaffen sei und Österreich in weiterer Folge ein Wohlstandsverlust droht. "Österreich muss dringend aktiv werden, jetzt und rasch. Der ungedeckte Arbeitskräftemangel würde uns sehr teuer kommen, wenn nichts passiert".
Handwerkausbildung so wertvoll wie ein Studium
Für das gezielte Gegensteuern wurde ein Sechs-Punkte-Plan formuliert. So brauche es eine rasche Verbesserung der flächendeckenden Kinderbetreuung, damit Familie und Beruf besser in Einklang gebracht werden können. Außerdem wäre es dringend nötig, dass es eine Steuerbefreiung für Überstunden, mehr Anreize für das Arbeiten über das Regelpensionsalter hinaus, eine stärkere berufsbegleitende Qualifizierung und eine Förderung für die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter in Sachen Green Skills gibt. Darüber hinaus wäre es besonders wichtig, die langjährige Forderung nach kostenlosen Meister- und Befähigungsprüfungen zeitnah umzusetzen. Denn: "Eine Handwerksausbildung ist so wertvoll wie ein Studium. Angesichts des Fachkräftemangels wäre das ein wichtiges Signal der Wertschätzung", so Scheichelbauer-Schuster.
Sechs-Punkte-Plan der WKÖ
- Verbesserung der flächendeckenden Kinderbetreuung
- Steuerbefreiung für Überstunden
- Anreize fürs Arbeiten über das Regelpensionsalter hinaus
- Förderungen für die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter in Sachen Green Skills
- Stärkung der berufsbegleitenden Qualifizierung für Green Skills
- Komplette Finanzierung der Meister- und Befähigungsprüfungen