Interview

"Verbote allein werden uns nicht helfen"

Landesinnung Oberösterreich
19.06.2024

Landesinnungsmeister Bau Norbert Hartl im Interview über Lokomotiven, Bürokratiemonster und unlösbare Herausforderungen.

Herr Hartl, Sie haben zu Beginn des Jahres eine Kampagne gestartet, um den Menschen in Oberösterreich „Wieder Lust aufs Bauen und Renovieren“ zu machen. Fruchtet die Kampagne?
Norbert Hartl:
Sie ist gut angelaufen. Die Unternehmen erhalten viele positive Rückmeldungen. Die Situation der Branche ist aber immer noch angespannt. Der Auftragsstand liegt deutlich unter dem Vorjahr.

Was ist mit dem Wohnbaupaket der Regierung?
Hartl:
Die angekündigte Milliarde ist noch nicht angekommen. Wir warten nach wie vor auf die Umsetzung. Bislang haben wir durch die Ankündigung des Pakets sogar Gegenwind. Ich höre von vielen Unternehmen, dass die Bauherren derzeit warten, bis die Details für die Förderungen auf dem Tisch liegen. In Oberösterreich hat die Landesregierung nun immerhin ein neues Wohnbaudarlehen mit einer Verzinsung von 1,5 Prozent für bis zu 100.000 Euro beschlossen. Aber auch hier gibt es leider einen Wermutstropfen: Das Darlehen gilt nur für den Bau von Einfamilienhäusern. Wir hätten uns gewünscht, dass man es auch für die Schaffung von Eigentumswohnungen nutzen kann. Das hätte den Wohnbau stärker angekurbelt.

Wann rechnen Sie damit, dass der Wohnbau wieder anzieht?
Hartl:
Wir erhoffen uns ab dem Spätsommer oder Frühherbst eine leichte Erholung. Dann gibt es hoffentlich endlich Klarheit über das Wohnbaupaket. Ein großes Problem bleibt aber bestehen: Die Baugenehmigungen ziehen immer noch nicht an – und ohne Baubewilligungen keine Bauprojekte. Die Bauwirtschaft ist wie eine Lokomotive. Die kann man nicht schnell bremsen und nicht schnell anfahren. Das dauert. Daher rechne ich erst in einem Jahr mit einem wirklichen Aufschwung – und zwar im dritten oder vierten Quartal 2025.

Abschaffung der KIM-Verordnung

Kann die öffentliche Hand sonst noch etwas tun, um die Baukonjunktur zu fördern?
Hartl:
Ja. Wir brauchen dringend die Abschaffung der KIM-Verordnung. Sie blockiert die Immobilienfinanzierungen. Man würde der Bauwirtschaft damit einen großen Dienst erweisen – und den Banken ebenfalls. Im Grenzgebiet gehen die Häuslbauer verstärkt zu bayerischen Kreditinstituten. In Deutschland gibt es diese unsinnige Verordnung ja nicht.

Was ist mit einer anderen Forderung von Ihnen? Die Erhöhung der Baukostenobergrenze für die Förderungen im mehrgeschossigen Wohnbau?
Hartl:
Das ist ein wichtiger Punkt. Die Obergrenze liegt derzeit bei 2.000 Euro pro m². Zu diesen Kosten können wir aber wegen der gestiegenen Kosten nicht mehr bauen. In den vergangen zwei Jahren hatten wir bei den Lohnkosten einen Anstieg von rund 20 Prozent. Die Obergrenze muss daher um 12 bis 15 Prozent erhöht werden. Zudem, auch das fordern wir schon länger, brauchen wir eine klare Zweckwidmung der Wohnbauförderung. Derzeit werden diese Mittel für alles Mögliche verwendet anstatt für den Wohnbau.

Stichwort Kostenanstieg: Eine solchen verursachen auch die steigenden Auflagen im Zusammenhang mit dem Green Deal der EU…
Hartl:
  Auf uns kommt ein echtes Bürokratiemonster zu. Das fängt der EU-Taxonomie an. Dann ist da die Europäische Gebäuderichtlinie, die bis Ende Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Und zu guter Letzt drohen umfangreiche Deponieverbote. Wenn man im großen Stil Baustoffe wieder in den Kreislauf bringen muss, verursacht das natürlich zusätzliche Kosten. All diese Themen verursachen einen enormen Kostenauftrieb. Wir bekennen uns zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Aber wir appellieren an die Vernunft der Politiker.

Wie wirken ihre Appelle beim Thema Bodenverbrauch? Ist die geplante Reduktion des Bodenverbrauchs von derzeit rund 11 Hektar pro Tag auf 2,5 Hektar noch aktuell?
Hartl:
Ich hoffe nicht. Die Länder, allen voran der oberösterreichische Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner, haben sich klar dagegen ausgesprochen. Das bleibt uns daher hoffentlich erspart. Ich sage ihnen ganz offen, ich kann diese Forderung nicht nachvollziehen.

Warum nicht?
Hartl:
Zunächst einmal ist die Prämisse falsch: Österreich ist weder zubetoniert noch Europameister beim Bodenverbrauch oder der Bodenversiegelung, sondern liegt im europäischen Mittelfeld. Eine Reduktion um 80 Prozent würde die Gemeinden vor unlösbare Herausforderungen stellen. Außerdem brauchen wir dringend Wohnraum in Österreich. In den vergangenen 10 Jahren ist die Bevölkerung durch Zuzug um eine Millionen Menschen gewachsen. Irgendwo müssen die leben. Ich plädiere ebenfalls für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Boden. Aber mit Augenmaß, den Einsatz intelligenter Lösungen und der Nutzung von Baulandreserven. Verbote allein helfen uns nicht weiter.

Branchen
Bau