Heizungsindustrie

Es braucht klare Orientierung

Interview
19.09.2024

Nach Jahren des Booms folgt in der Heizungsindustrie Ernüchterung – auch aufgrund hausgemachter Probleme. Martin Hagleitner, CEO Austria Email fordert im Interview einen langfristigen Masterplan anstelle der Stop-and-Go-Förderpolitik.
Martin Hagleitner
Martin Hagleitner, CEO Austria Email

Gebäude Installation: Herr Hagleitner, wir versuchen, uns in dieser Ausgabe ein Bild zur Lage der Heizungsnation Österreich zu machen. Wie sehen Sie die Situation?
Martin Hagleitner: Der Zustand war schon deutlich besser. Wenn Sie beim Ministerium anfragen, erhalten Sie sicher die Information, dass das Erneuerbaren Paket ein voller Erfolg ist. In Hinblick auf das Interesse stimmt das sicher auch, gemessen an den Aufträgen und den Umsätzen zeigt sich aber ein sehr forderndes Umfeld.

Wie geht es Austria Email in dieser Zeit?
Wie viele andere Hersteller haben auch wir deutliche Rückgänge. Wir mussten aber bis dato nicht auf drastische Maßnahmen wie Stellenabbau oder Kurzarbeit zurückgreifen. Es ist allerdings unmöglich, sich der allgemeinen Entwicklung zu entziehen. Der Neubau ist kollabiert und die Sanierung stagniert. Wir haben Schichten in der Produktion reduziert und Leasingkräfte abgebaut. Das Jahr ist aber noch nicht vorbei, ich hoffe, dass wir einen Herbst sehen, der den Namen „Saison“ verdient. Mit Demut müssen wir sagen, dass wir sehr gute Jahre hinter uns haben, neun Jahre Wachstum. Mit so einem Einbruch habe ich aber nicht gerechnet.

Sie sind vorsichtig optimistisch, es gibt aber keinerlei Anzeichen, dass sich die Rahmenbedingungen verändern, wie etwa die hohen Baukosten oder die KIM (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung), aber auch der Förderdschungel.
Wir neigen dazu, alles der Politik umzuhängen, das ist nicht unternehmerisch. Klar ist: Der legistische Pfusch hat sicherlich für viel Unsicherheit gesorgt. Ich orte aber doch, dass es mehr und mehr sickert, dass die historisch prall gefüllten Fördertöpfe nur bis 2026 zur Verfügung stehen. Der Staatshaushalt und die fehlende Wachstumsdynamik machen es notwendig, dass in Zukunft wieder gespart werden muss. Und: die Klimakrise hat uns voll erreicht, sie ist nicht länger ein Problem anderer Kontinente, sie fordert jeden Einzelnen. Der Umstieg auf erneuerbare Energieformen bietet die Chance signifikant eigene Betriebskosten zu sparen. Ich sehe kein Umfeld für einen Boom, würde aber definitiv weder dieses Jahr noch das kommende Jahr abschreiben. Es gibt einen Rückstau aus 2023. Die Sparquoten sind enorm, es gibt einen überalterten Bestand. Ineffiziente Geräte sind eine enorme Belastung für die Budgets der Nutzer und für die Umwelt. Die CO2-Steuer steigt, es gibt hohe Förderungen – es ist alles da, damit die Wärmewende wieder in die Gänge kommt.

‚Whatever it takes‘ muss die von Politikern gerne zitierte Devise von Mario Draghi lauten, wenn es darum geht, die richtigen Maßnahmen zu treffen, nicht ‚whatever it costs‘.

Martin Hagleitner, CEO Austria Email

Sie haben von legistischem Pfusch gesprochen – wo sehen Sie politische Versäumnisse, oder falsche Weichenstellungen?
Noch im letzten Jahr wurde das Erneuerbaren Wärmegesetz zu Grabe getragen. Es hätte keine überschießenden Verbote beinhaltet und es waren lange Übergangsfristen für die im Bestand installierten Geräte vorgesehen. Die Nichtumsetzung war auch aus Sicht der Gebäude- und Immobilienwirtschaft ein Fehler. Anstelle eines Rechtsrahmens und langfristiger Planungssicherheit wurden historisch hohe Förderungen ausgerufen. Nur mit Förderungen allein gelingt die Energiewende jedoch nicht. Es braucht ein Gesamtpaket, unter anderem Anpassungen im Miet- und Steuerrecht. Wenn es dann aber nur Förderungen sein sollen, sollten diese auch bis ans Ende durchdacht sein. Die Politik ignoriert weiterhin, dass die Investitionen in ein neues Heizsystem von den Haushalten vorfinanziert werden müssen. Die KIM-Verordnung trifft nicht nur einkommensschwache Haushalte, sondern verstärkt auch den Mittelstand. Derzeit wird der Ball von einem zum anderen geschoben.
Wir als Branchenvertreter sind gerne bereit, einen runden Tisch zu moderieren, an dem Vertreter des Finanz- und Klimaschutzministeriums, der Bundesländer, der KPC, der FMA-Aufsicht und Branchenexperten Lösungen diskutieren. Eine Idee zur Lösung dieser Problematik wäre, dass die Entscheidungsträger eine verbindliche Förderzusage im Sinne der KIM-Verordnung erstellen, welche von den Banken als Sicherheit bewertet und entsprechend anerkannt wird.
Für ein rasches Vorankommen der Dekarbonisierung braucht es einen Masterplan. Mit Flickwerk und Symptombekämpfung werden wir nicht weiterkommen. Wir müssen Einfluss darauf nehmen, was in ein zukünftiges Regierungsprogramm kommt. Denn je weniger konkret die Pläne formuliert sind, desto eher verpuffen sie. „Whatever it takes“ muss die von Politikern gerne zitierte Devise von Mario Draghi lauten, wenn es darum geht die richtigen Maßnahmen zu treffen, nicht „whatever it costs“.

Bringen wir es auf den Punkt: wie lauten Ihre konkreten Wünsche an die Politik?
Die Energie- und Wärmewende kann nur mit einem Masterplan und einem Maßnahmenmix gelingen. Es kann nicht bei einem Förderungs-Stop-and-Go bleiben, sondern es braucht einen verlässlichen Rechtsrahmen, aber keine Regulierungsexzesse. Denken Sie nur an das Lieferkettengesetz. Es ist selbstverständlich unser Job, dass wir bei unseren Lieferanten Audits machen und uns die Arbeitsbedingungen anschauen. Was jetzt an hoheitlichen Aufgaben auf Unternehmen abgewälzt wird, läuft völlig aus dem Ruder. Nicht nur der Sanierungs- sondern auch der jahrelange Reformstau sowie Entlastungsschritte müssen endlich angegangen werden. Statt Verunsicherung braucht es eine klare Orientierung für die Bürgerinnen und Bürger, dass sie mit einem nachhaltigen Heizungssystem in den eigenen vier Wänden etwas gegen die Klimakrise tun können. Das ermöglicht neben Betriebskostenersparnissen, die Energiezukunft Österreichs mit erneuerbaren Energien zu gestalten.

Bis vor kurzem galt der Fachkräftemangel als Flaschenhals – die Bücher waren voll, es mangelte an Mitarbeitenden, um Aufträge abzuarbeiten. Hat sich die Situation am Arbeitsmarkt verändert?
Bei anspruchsvollen Profilen wie für Forschung und Entwicklung, Vertrieb und kaufmännische Positionen sind wir kontinuierlich auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Das Thema Mitarbeitersuche hat sich aber generell etwas entspannt, auch weil es am Arbeitsmarkt wieder eine erhöhte Mobilität gibt.
Ein Dauerthema für unsere ganze Branche und Basis um die Energiewende stemmen zu können ist, dass es uns gelingen muss junge Leute zu begeistern. Unsere Branche steht für den gelebten, nicht den geklebten Klimaschutz. Der pauschalen Aussage, „die Jungen wollen nicht arbeiten“ kann ich nicht zustimmen. Wir Älteren sind gefordert, Begeisterung zu vermitteln, damit es uns gelingt, jene für unsere Branche zu gewinnen, die etwas bewegen wollen. 

Der legistische Pfusch hat sicherlich für viel Unsicherheit gesorgt.

Martin Hagleitner, CEO Austria Email

Immer wieder hört man kritische Stimmen, die nicht sicher sind, dass es der nächsten Generation einmal besser gehen würde als uns. Teilen Sie diese Skepsis?
Ich sehe das anders und bin diesbezüglich zuversichtlicher. Die Generation unserer Kinder ist auf Grund der Demographie eine Erbengeneration. Denken Sie auch an die vielfältigen und oft internationalen Ausbildungsmöglichkeiten, die unseren Kindern heute offen stehen. Bei uns gab es da noch viele Hürden. Die geopolitische Lage und die aktuellen Krisen sind ohne Zweifel sehr herausfordernd. Es gibt Menschen, die eher die Gefahren sehen, und andere, die die Möglichkeiten erkennen. Es gibt sehr viele Berufe, die die Chance bieten gutes Geld zu verdienen und damit auch Teil der Lösung von Problemen zu sein, wie z.B. in den Bereichen Energieeffizienz, Klimawandel, Medizin, Biotechnologie, Digitalisierung, Cyberdefence usw.. In diesem Zusammenhang zitiere ich Jean Paul Sartre: „Es mag schönere Zeiten geben, aber diese ist die unsere“. Ja, es gibt Probleme und große Herausforderungen, wir stehen ihnen aber nicht ohnmächtig gegenüber!

Die klare Vorgabe lautet „Raus aus Öl und Gas“, im urbanen, mehrgeschossigen Wohnbau lässt sie sich oft nur schwer umsetzen, wie die Sanierungsraten zeigen. Wie ist die Wärmewende innerstädtisch zu realisieren?
Es gibt schon sehr gute Lösungen für den mehrgeschossigen Wohnbau, gerade für Sanierungen – Möglichkeiten mit Wärmepumpen und PV, smarte Elektrospeicher oder hybride Kombinationen. Die passende Lösung orientiert sich am Gebäudezustand, der Nutzung, den Versorgungsmöglichkeiten und den baulichen Gegebenheiten. Auf technischer Seite sehe ich geringere Hürden als bei den Anreizen zur Sanierung. Da braucht es Änderungen im Mietrecht wie die Möglichkeit von Mieterhöhungen bei energetischen Investitionen analog zu Lagezuschlägen, vorzeitige Abschreibung, steuerliche Anreize etc.. Energieeffizienz und nachhaltige Lösungen bei Heizung und Warmwasser steigern zudem den Wert von Immobilien, denn damit entsprechen sie der EU-Taxonomie und den ESG-Regeln –und darüber hinaus zunehmend auch den Erwartungen von Mietern und Käufern.

Die Fernwärme wird für Wien als die Lösung prolongiert, das Netz wird massiv ausgebaut. Kritische Stimmen sprechen von einem Monopol, das auf Kosten der Allgemeinheit aufgebaut wird. Wie sehen Sie die Situation?
Die Fernwärme hat einen nach wie vor hohen fossilen Bestandteil, zwischen 70 bis 80 Prozent. Auch durch die Effizienz und Leitungsverluste bestehen Grenzen. Ich erwarte mir von der Verwaltung, dass es Chancengleichheit gibt und nicht, dass ein Monopol noch mit öffentlichen Geldern gepusht wird. Es soll Wahlfreiheit bestehen. Die Fernwärme verdichten – Ja, auf Kosten der Allgemeinheit ausbauen – Nein. Das wäre auch für unsere Branche ein Nachteil und verstößt meiner Ansicht nach gegen das Wettbewerbsrecht.

Was macht einen Beruf in der Haus- und Gebäudetechnik für die Jugendlichen Ihrer Ansicht nach reizvoll?
Unsere Arbeit stiftet Sinn – Stichwort „Green Jobs“ für die Zukunft –, und unsere Branche ist sehr beständig. Dank der demographischen Entwicklung ist es zudem realistisch, rascher in Führungspositionen zu kommen. Die Dekarbonisierung des Gebäude- und Anlagenbestand ist ein Jahrzehnteprojekt. Wenn junge Menschen einen Beruf mit langfristiger Perspektive suchen, dann sind sie bei uns richtig. Durch die damit verbundene Einkommensentwicklung und Planungssicherheit ist es ihnen auch möglich z.B. Wohnungseigentum zu erwerben.

Branchen
Haustechnik