Interview
„Die müssen endlich in die Gänge kommen“
Herr Singer, Sie sind seit Sommer 2023 Obmann der Mawev. Wie fällt ihr persönliches Fazit nach eineinhalb Jahren in ihrer neuen Position aus?
Otto Singer: Das Fazit ist gemischt. Für mich war wichtig, dass die Mawev Show in St. Pölten bestmöglich abläuft. Und das ist uns gelungen. Die Mawev Show im heurigen April war wieder ein voller Erfolg. Auf der anderen Seite leidet natürlich auch die Baumaschinenbranche unter der Krise im Wohnbau. Und die große Frage ist, wie sich die europäische Wirtschaft weiterentwickelt.
Voller Erfolg der Mawev Show
Bevor wir das Thema vertiefen, habe ich noch eine persönliche Frage: Ich gehe mal davon aus, dass dieser Karriereschritt – also ihre Übernahme der Obmann-Funktion bei der Mawev – so nicht geplant war?
Das stimmt. Wie Sie wissen, bin ich 2021 nach 45 Jahren in der Baumaschinenbranche als Geschäftsführer von Liebherr Österreich in den Ruhestand gegangen. Als mich im Frühjahr 2023 mein langjähriger Freund und Mitarbeiter, der mittlerweile verstorbene Gerhard Egger, gefragt hat, ob ich sein Nachfolger als Mawev-Obmann werden möchte, habe ich zunächst geglaubt, er macht einen Scherz. Ich habe dann aber nicht lange gezögert. Ich bin in der Branche verwurzelt.
Kommen wir zurück zum Highlight des heurigen Jahres – der Mawev Show. Sie sprechen von einem vollen Erfolg. Woran machen Sie das fest?
Ich denke, die Zahlen sprechen für sich: Wir haben auch diesmal 20.000 Fachbesucherinnen und -Besucher auf der aufregendsten Großbaustelle des Landes begrüßen dürfen. Rund 2010 Aussteller haben mehr als 1.000 Baumaschinen aller Art und Größe präsentiert. Es war praktisch alles was Rang und Namen in unserer Branche hat vertreten – von Ascendum über HKL, Kuhn oder Liebherr bis Wacker Neuson oder Zeppelin. Und ich hatte den Eindruck, dass die Stimmung trotz der schwachen Konjunktur bei Besucher und Ausstellern sehr gut war. Die Mawev Show hat für mich eindrücklich bestätigt, dass das Internet das persönliche Gespräch nicht ersetzen kann.
Das Internet ist ein gutes Stichwort: Haben Fachmessen wie die Mawev auf Dauer in Zeiten von Blogs und Social Media auf Dauer eine noch eine Berechtigung?
Auf jeden Fall. Wie gesagt: Der persönliche Kontakt ist durch nichts zu ersetzen. Aber, das Internet übt großen Druck aus. Da stimme ich ihnen zu. Im kurzlebigen Online-Zeitalter siehst du jeden Tag etwas Neues: das sparsamste Auto, das schnellste Motorrad, die größte Baummaschine. Das kann man sich im Minutentakt herunterladen. Wenn man da als Live-Event mithalten will, muss man sich etwas einfallen lassen. Es muss Pfeffer rein in das Ganze.
Wie darf ich mir diesen Würzvorgang vorstellen?
Wir arbeiten natürlich schon an der nächsten Mawev Show in 2027. Nach der Mawev Show ist vor der Mawev Show. Dabei schauen wir uns auch genau an, was andere Veranstalter sich einfallen lassen – beispielsweise auf der Bauma im kommenden April in München. Ich denke, der Trend geht noch mehr in Richtung Live-Präsentation der Maschinen und in Richtung Interaktion. Es ist natürlich eine tolle Sache, wenn ich als Kaufentscheider oder Investor persönlich das Steuer in die Hand nehmen und baggern und schaufeln kann. Dabei hat natürlich die Sicherheit absolute Priorität. Das ist das Wichtigste, das alles sicher und unfallfrei über die Bühne geht.
Was dürfen sich die Besucherinnen und Besucher in Zukunft technologisch erwarten? Den Durchbruch des Elektroantriebs?
Die alternativen Antriebe sind sicher ein großes Thema. Wobei mir eines wichtig ist: Die eine Lösung für jede Anwendung wird es meiner Meinung nach nicht geben. Bis zu einer gewissen Größe ist der batterieelektrische Antrieb machbar und sinnvoll. Die Hersteller von Batterien arbeiten fieberhaft daran, die Reichweiten weiter zu verbessern. Vor einigen Jahren hieß es bei Elektroautos noch: „Hurra, wir schaffen 200 Kilometer.“ Heute sprechen wir über das doppelte, dreifache oder noch mehr. Davon werden auch die Baumaschinen profitieren. Bei mittleren und großen Geräten ab zwölf Tonnen wird man auf absehbare Zeit auf den Dieselantrieb nicht verzichten können. Langfristig, etwa in zehn Jahren, wird sich aber der Wasserstoffantrieb in vielen Bereichen durchsetzen. Die Hersteller haben bereits die ersten rein mit Wasserstoff betriebenen Radlader im Test. Diese Entwicklung wird sich beschleunigen. Die Innovationen beschränken sich aber nicht auf den Antrieb.
Ich bin ganz Ohr.
Der zweite große Trend ist die Automatisierung. Hier ist technologisch bereits vieles möglich. Ein Beispiel: Im klassischen Grabenbau – also beim Verlegen von Wasserrohren, Datenleitungen oder Abwasserkanälen – ist es heute schon möglich, automatisiert zu arbeiten. Man bestimmt die Breite des Grabenlöffels, stellt die Tiefe ein und das Gerät beginnt zu baggern. Der Fahrer kontrolliert nur mehr. Hier erwarte ich in den kommenden Jahren einen weiteren massiven Innovationsschub.
Wenn wir schon über die Zukunft sprechen, würde ich gerne einen Blick auf die Konjunktur werfen. Wann erwarten Sie sich wieder einen Aufschwung?
Das ist schwer zu sagen. Es geht ja nicht nur um die Wohnbaukrise. Die große Frage ist, wie sich die europäische Wirtschaft insgesamt entwickeln wird. Und hier gibt es eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren. Ich denke da an geopolitische Konflikte wie in der Ukraine oder in Nahost. Und natürlich stellt sich die Frage, welche Folgen das Ergebnis der US-Wahlen haben wird.
Was wünschen Sie sich von der heimischen Politik?
Ich wünsche mir, dass die Damen und Herren endlich in die Gänge kommen und Entscheidungen treffen. Geld wäre genug da. Man hat es ja vor der Wahl mit der Gießkanne verteilt …
… an welche Entscheidungen denken Sie?
Ich denke zum einen an wichtige Infrastrukturmaßnahmen. Nehmen Sie das Beispiel Wien: Wien braucht dringend eine zusätzliche Brücke oder einen Tunnel über oder unter der Donau Richtung Norden. Die bislang zuständige Ministerin ist aber dagegen. Ihr ist lieber, dass wir stundenlang im Stau stecken. Die CO₂-Belastung, die dadurch entsteht, spielt offenbar keine Rolle. Ein anderes Thema sind die enorm langen Genehmigungsverfahren. Darunter leiden unter anderem die Betreiber von Kies- und Schottergruben. Ich kenne Einzelfälle, wo das Verfahren bereits fünf oder sechs Jahre läuft und es immer noch keine Entscheidung gibt.
Woran liegt das?
Das frage ich mich auch. Letztlich braucht es einfach den Mut, irgendwann eine Entscheidung zu treffen. Entweder ja oder nein. Und wenn ja, dann unter welchen Auflagen. Die Wirtschaft braucht Klarheit. Sonst kann sie nicht planen.