Leopold Pasquali
"Ohne Dachhandwerk ist die Energiewende nicht möglich"
Die Bauwirtschaft befindet sich in einer Krise. Für 2024 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert. Wie startet Prefa in dieses herausfordernde Jahr?
Leopold Pasquali: Ich gehe davon aus, dass sich die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das konjunkturelle Umfeld im Jahr 2024 nicht nennenswert verändern werden. Es gibt jede Menge Vorschläge bzw. Impulse an die Politik, was verbessert werden könnte – ob das Umsatzsteuerbefreiungen sind, ob das die KIM-Verordnung ist, die Senkung des Zinsniveaus, diverse Förderungen etc. Es sind nur keine Signale spürbar, und ich gehe nicht davon aus, dass wir uns als Unternehmen darauf verlassen können. Insofern haben wir uns darauf vorbereitet, diese Herausforderungen völlig ohne Unterstützung bewältigen zu können.
Wenn es doch Unterstützung gibt, wäre allen in der Branche gut geholfen, vor allem auch dem Wohnbau und den privaten Bauherren. Aber scheinbar ist die Auftragslage immer noch nicht so schlecht ist, dass die politischen Akteure das Gefühl haben, eingreifen zu müssen. Die Lage wird meiner Meinung nach weiter angespannt bleiben, was soviel bedeutet, dass der Neubau, vor allem der private Wohnbau, weiter rückgängig sein wird und sich auf einem historisch sehr niedrigen Niveau bewegen wird. Das hat zur Folge, dass nicht nur wir, sondern alle anderen auch, stärker auf den Sanierungsmarkt drängen und versuchen, dort Fuß zu fassen – und das wird nicht allen gleich gut gelingen. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir da ganz gut vorbereitet sind.
Prefa ist im Sanierungsbereich ja traditionell gut verankert mit seinen gewichtsmäßig leichten Produkten. Wie hoch ist der Anteil Sanierung zu Neubau?
Der Sanierungsanteil ist bei uns nicht einheitlich über alle Produktgruppen gleich zu verstehen. Besonders bei Dach und Fassade haben wir einen Anteil von über 90 Prozent, aber in anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem Dachentwässerungsmarkt oder dem Spenglerhalbzeug, sind es nur 50 Prozent. Das bedeutet auch, dass wir in diesen Segmenten eine unterschiedliche Mengenentwicklung haben. Dann gibt es andere Spezialgebiete, die uns auch geholfen haben, unsere Rückgänge zu kompensieren, da gehört etwa der Hochwasserschutz dazu, der völlig unbenommen ist von der Konjunktur oder Krise. Dann kommt noch der Bereich Photovoltaik dazu, der stark wachsende Markt aus dem bunten Strauß an Produkten, die wir anbieten.
Viele in der Branche waren überfordert und stark verwundert, wie abrupt und wie intensiv der Abschwung kam. Wenn man sich die Situation genauer ansieht, hätte man sie absehen können: Aus der Post-Corona-Zeit haben nicht nur die Kunden, sondern auch die Kunden unserer Kunden Material angehäuft als gäbe es kein Morgen. Wir und die gesamte Branche haben an übervollen Lagern gelitten, mindestens bis zum Herbst 2023.
Wie hat Prefa auf diese Situation reagiert bzw. vorgebaut?
Wir haben schon Ende 2022 kommen gesehen, dass vieles von dem Material, das wir versendet haben, noch gar nicht verarbeitete werden konnte, weil es einen recht einfachen Faktor gibt – nämlich die verarbeitenden Hände, und die sind ja nicht mehr geworden. Insofern sind aus Mengensicht die Jahre 2022 und 2023 harmonisiert zu betrachten – und das gilt für alle in der Branche –, weil 2022 gar nicht so gut war, wie es oft dargestellt wird, dafür das Jahr 2023 gar nicht so schlecht, wie oft dargestellt, weil das viele Material ja erst einmal verarbeitet werden musste.
Diese Effekte sehe ich nicht für 2024, denn die Lager der Kunden sind weitestgehend aufgebraucht, sowohl der Händler als auch der verarbeitenden Handwerker. Jetzt gilt wieder das alte von der Hand in den Mund Prinzip, jeder kauft unmittelbar nach Bedarf.
Wir gehen auch, anders als viele Mitbewerber, ohne Preiserhöhungen ins Jahr 2024. Wir tun das ganz bewusst, weil wir vor allem auch private Bauherren in ihren Bauvorhaben unterstützen wollen. Denn auch "nur" eine Sanierung ist ja nicht isoliert zu betrachten, die Menschen denken zur gleichen Zeit über Dachsanierung, Fassadendämmung, Heizungstausch und Fenstertausch nach, und hier sprechen wir schnell über einige hunderttausend Euro. Und leider gibt es speziell in der Dachsanierung keine speziellen Förderungen, anders als im Heizungstausch oder in der thermischen Sanierung. Also haben wir in dem Fall auch als Industrieunternehmen eine Verantwortung, die wir wahrnehmen und versuchen, die Produkte für Bauherren attraktiver zu gestalten. Somit sind wir, glaube ich, für 2024 gut gerüstet, zumal uns die Verschiebung von Neubau zu Sanierung natürlich entgegenkommt.
Der Dachdecker und der Spengler können einen ganz entscheidenden Beitrag zu Energiewende leisten. Ohne dem Dachhandwerk wird die Energiewende größtenteils nicht möglich sein.
Ein großer Schwerpunkt Ihrer Produktentwicklung der letzten Jahre war das Thema Photovoltaik. Im März 2022 hat Prefa die "Solardachplatte" auf den Markt gebracht. Wie hat sich das Produkt im Markt etabliert? Wie aufgeschlossen sind die Dachhandwerker*innen gegenüber PV-Produkten?
Wie immer erfordert eine solche Markteinführung eine Kraftanstrengung. Alle Beteiligten müssen informiert werden, geschult werden, das Produkt muss positioniert werden, es bedarf einer "Annäherungszeit". Und gerade beim Thema Photovoltaik besteht beim Dachhandwerk immer noch eine gewisse Zurückhaltung. Doch der Dachdecker und der Spengler können hier einen ganz entscheidenden Beitrag zu Energiewende leisten. Ohne dem Dachhandwerk wird die Energiewende größtenteils nicht möglich sein. Der Gebäudesektor ist heute europaweit für rund ein Drittel des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Es werden Fachkräfte benötigt, um die thermischen Sanierungen inklusive der Dachsanierungen durchzuführen – da liegt ein Riesenpotenzial. Und ein Dach mit PV wird die neue Normalität, zumal es in zahlreichen Nachbarländern schon Pflicht ist. Und wer denn sonst als das Dachhandwerk ist dafür prädestiniert? Aber es ist nach wie vor eine langsame Entwicklung.
Man muss auch unterscheiden zwischen Indach- und Aufdachsystemen. Unsere Solardachplatte hat sich zunächst langsam, aber dann doch stetig entwickelt. Die nationale und internationale Nachfrage ist gut. Deshalb konnten wir auch einige Produktoptimierungen und auch Automatisierungen vornehmen können, sodass das Produkt ab 2024 deutlich leistbarer wird. Da hilft uns nicht nur die Umsatzsteuerbefreiung auf Photovoltaik, die ein sehr positives Signal ist, und den Zustrom von privaten Haushalten auf PV-Anlagen sicherlich fördern wird. Darüber hinaus ist es uns gelungen, durch signifikante Kostenoptimierungen deutlich wettbewerbsfähiger zu werden.
Eines möchte ich dazu noch sagen: Indachsysteme haben in Österreich ja keinen großen Markt und auch keinen besonders guten Ruf. Die Prefa Solardachplatte ist kein Indachsystem, sie ist die Verbindung eines Dachelementes mit einem Photovoltaikmodul, die eine Einheit bilden und ist somit nicht als Dach ersetzend zu sehen, was die typische Bezeichnung eines Indachsystems ist. Trotzdem ist die Solardachplatte perfekt harmonisch und optisch ästhetisch hochwertig in die Dachfläche integriert und verbunden mit dem Dachzubehör. Das macht das Produkt so interessant. Es entspricht vollständig unserer DNA, der Sicherheit, der Funktionssicherheit des Daches. Deshalb bilden hier eine völlig neue Kategorie. Deshalb bin ich auch überzeigt davon, dass wir in einem bis jetzt noch Aufdachdominierten Land wie Österreich eine gute Position erreichen werden.
Ist das Schnittstellenmanagement in der Baupraxis Photovoltaik nach wie vor ein großes Thema?
Ich glaube, es ist die Herausforderung, sich an ein Thema anzunähern, das als ein fremdes angesehen wird. Wenngleich aber die Schnittstellen inzwischen so klar geregelt sind, dass der Elektriker ab Dacheintritt zuständig ist, und alles, was am Dach stattfindet, dem Aufgabenbereich des Dachdeckers und Spenglers zuzuordnen ist. Diese Schnittstelle funktioniert eigentlich gut. Klar braucht es einen gewissen Koordinationsaufwand und eine funktionierende Planung bei solchen Bauvorhaben. Wir beobachten, dass die Dachhandwerker und Elektriker lokal in ihrem Umfeld zusammenarbeiten, dieser Zusammenschluss funktioniert immer reibungsloser, sodass wir als Industrie gar nicht mehr gefordert sind, uns da einzumischen oder ein Paket zu schnüren. Das hat Zukunft.
Sind im Bereich Photovoltaik bei Prefa weitere Entwicklungen und Produkte geplant?
Wir haben mit der Entwicklung unserer PV-Produkte vor vier Jahren begonnen und Zug um Zug Produkte eingeführt. Wir werden 2024 ein bestehendes Produkt in neuer Form präsentieren, nämlich unsere Unterkonstruktion. Wir haben hier ein System weiterentwickelt, das deutlich wettbewerbsfähiger ist und gleichzeitig weiterhin alle Funktionen mitbringt. Denn das Thema Sicherheit, die funktionelle und fachgerechte Anbindung einer Unterkonstruktion in ein Prefa-Dach, ist Grundvoraussetzung für eine fachgerechte Montage.
Darüber hinaus bieten wir 2024 auch eine Prefalz-Solarlösung an – Solar-Glas-Glas-Modul in Kombination mit Modulklemmen, die auf unser Stehfälze aufgeklemmt, dachparallel mit relativ geringer Aufbauhöhe verlegt werden. Es wieder ein nicht nur funktionell, sondern auch optisch hochwertiges Produkt, das sich sehr schön integriert und eben diese geometrische Anmutung der Bahnen nicht verletzt, sondern die Linienführung fortsetzt. Damit bleibt die Stehfalz-Charakteristik aufrecht. Wir sind überzeugt, dass dieses Produkt großen Anklang finden wird. Der Verkaufsstart ist in der zweiten Jahreshälfte geplant.
Alle diese Produkte sind gleichermaßen auf dem Dach und in der Fassade einsetzbar.
Apropos Fassade: Welchen Stellenwert hat der Fassadenbereich für künftige PV-Entwicklungen?
Wir gehen davon aus, dass die Fassade mittel- bis langfristig ein noch größeres Anwendungsgebiet für viele unserer PV-Produkte sein wird als das Dach. Durch die Sichtbarkeit ist vor allem auch der ästhetische Anspruch an die Fassade ein größerer. Und die Fassade ist mit gar nicht so vielen Nachteilen verbunden: Es gibt keinen Schnee im Winter, weniger Schmutz und Ablagerungen als am Dach, im Winter gibt es einen tieferen Einfallswinkel der Sonne, und darüber hinaus hat man in den meisten Fällen viel mehr Fläche zur Verfügung. Unsere Produkte werden sich dann voraussichtlich nicht nur auf das Ein- und Zweifamilienhaus konzentrieren, sondern durchaus auch im gewerblich-architektonischen Bereich eingesetzt werden. Das ist das Gesamtportfolio an PV-Lösungen, das wir bieten wollen.
Und für uns ist und bleibt dabei immer der Dachhandwerker der wichtigste und erste Ansprechpartner für alle unsere Produkte. Wir machen es uns zum Ziel, unsere Kunden als unsere Begleiter hier fit zu machen und ihnen die notwendige Unterstützung zu geben. Unsere Schulungszentren sind überbucht, die Nachfrage der Handwerker nach Schulungen ist ungebrochen groß, insbesondere auch bei den neuen PV-Produkten. Das macht uns zuversichtlich, dass das Thema Photovoltaik vom Handwerk, und gerade vom jüngeren Nachwuchs, angenommen wird.
Wir wollen die Ausbildung des Spenglers, der Spenglerin thematisch vertiefen um die Zukunftsthemen, von denen wir meinen, dass sie relevant für das Dachhandwerk sind und sein werden. Das sind besonders elektrische Themen und Themen rund um die Photovoltaik.
Prefa hat Ende 2023 eine neue Initiative gestartet, gemeinsam mit dem Handwerk Spenglerlehrlinge auszubilden. Wie funktioniert das konkret und was sind die Hintergründe?
Bei unserer großflächigen Kundenumfrage im letzten Jahr konnten wir feststellen, dass die Handwerker die gleichen Themen beschäftigen, die auch uns als Industrieunternehmen beschäftigen. Und zwar Nachwuchs, Fachkräftemangel, die Lehrlingsproblematik und was man dagegen tun kann. Prefa war ja selbst einmal ein Unternehmen, das Lehrlinge ausgebildet hat und das selbst als Dachhandwerkerbetrieb tätig war. Wir haben uns dann Ende der 1980er Jahre aus diesen Bereichen zurückgezogen, aber natürlich ist unsere Basis dem Spenglerhandwerk ganz intensiv verbunden.
Wir sind der Meinung, dass wir als Industrieunternehmen ein spannender Partner sein können für junge, begeisterte Lehrlinge und dabei diese Kombination aus Industrie- und Handwerksunternehmen abbilden. Wir haben es geschafft, diese Spenglerausbildung mit Unterstützung der Innung und der Wirtschaftskammer zu entwickeln.
Das Interessante an der Ausbildung ist, dass sie im Verbund zwischen Prefa uns selektierten Spenglerbetrieben stattfindet. Wir wollen die Ausbildung des Spenglers, der Spenglerin thematisch vertiefen um die Zukunftsthemen, von denen wir meinen, dass sie relevant für das Dachhandwerk sind und sein werden. Das sind besonders elektrische Themen und Themen rund um die Photovoltaik. Wir glauben auch, dass das Dachhandwerk ein gewaltiges Digitalisierungspotenzial hat, wo wir uns auch als kompetenter Kooperationspartner sehen, auf den Betriebe zugreifen können.
All diese Elemente wollen wir in die Grundausbildung einfließen lassen – deshalb heißt das Programm "Spengler*in Plus". Die Idee ist, im Verbund mit Spengler- und Dachdeckerbetrieben diese theoretische und praktische Ausbildung abzubilden, mit dem Ziel, dass wir Nachwuchs kreieren und mithelfen, junge Spengler und Spenglerinnen auszubilden, ihnen ein interessantes Berufsbild öffnen mit der Möglichkeit, sowohl in der Industrie als auch im Handwerk Erfahrung zu sammeln. Aber natürlich insbesondere mit dem Blick darauf, Nachwuchs zu schaffen für unsere Kunden. Idealerweise sollen die bei uns ausgebildeten Lehrlinge dann in die Betriebe unserer Kunden übergehen. Denn eines ist sicher, und deshalb glaube ich, dass diese Berufswahl sehr interessant ist: Das Dachhandwerk wird durch Digitalisierung, durch Roboter oder durch Drohnen nicht ersetzt werden können.
Die "Prefarenzen" das jährliche Look-Book der internationalen Architektur mit Prefa-Produkten, feiern 2024 ihr zehnjähriges Jubiläum. Welche architektonischen Entwicklungen lassen sich in diesen letzten zehn Jahren erkennen und wie reagiert Prefa darauf?
Was sich den besonders in den letzten Jahren stark erkennen lässt, ist der Wunsch nach einem tieferen Verständnis der Materialität der verarbeiteten Produkte. Da geht es um Nachhaltigkeit, da geht es um Recycling, um den bewussten Umgang mit Ressourcen und auch darum, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Gebäude eine Art Wertespeicher für die Zukunft sind, weil wichtige und seltene Rohstoffe verbaut sind. Dieser Zyklus beginnt immer mehr an Bedeutung. Planer und Architekten haben zunehmend, nicht nur aufgrund der flexiblen Einsatzmöglichkeit des Materials, sondern auch aufgrund der Langlebigkeit, der Nachhaltigkeit und der Recyclierbarkeit des Produktes ein immer größeres Interesse an unserem Material. In den nächsten Jahren wird es eine immer zentralere Rolle spielen, dass man verantwortungsvoll mit Ressourcen umgeht. Und mit diesem wunderbaren Werkstoff Aluminium, der, was Prefa betrifft, zu über 80 Prozent aus Sekundäraluminium verarbeitet wird, sind wir sehr gut positioniert. Das Ziel der Prefarenzen, die inzwischen eine internationale Dialogplattform zur Architektur geworden sind, wird in den nächsten Jahren darin liegen, sie noch stärker zu internationalisieren.
Zum Abschluss haben Sie einen Wunsch frei: Auch wenn Sie, wie eingangs gesagt, keine echten Erwartungen an die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben – wenn Sie sich von der Politik etwas wünschen dürften, was wären Ihre wichtigsten Anliegen?
Ich glaube, das Verständnis, vor allem den Sanierungsbereich zu fördern und zu unterstützen, um der Bodenversiegelung und dem Flächenfraß entgegenzustehen. Wir haben die größten CO2-Einsparungs- und Umwelteffekte, wenn wir uns auf Bestandsgebäude konzentrieren. Wenn der Bogen vom Heizmedientausch weitergespannt werden könnte auf Dach und Fassade, dann wäre vielen privaten Bauherren gut geholfen.