Energiepreise
Kostenexplosion: Forderungen nach rascher Entlastung
Schon die Corona-Pandemie hat der heimischen Wirtschaft einiges abverlangt. Nicht nur die Lockdowns und Präventionsmaßnahmen haben den Unternehmen stark zugesetzt, auch weltweite Lieferprobleme und Preissteigerungen haben viele Betriebe unter Druck gebracht. Die geplante CO2-Bepreisung ab Juli 2022 war daher von Anfang an ein schwerer Brocken.
Der Krieg in der Ukraine ist nun, neben der menschlichen und geopolitischen Tragödie, ein weiterer Keulenschlag für die Wirtschaft. Durch die damit verbundene Kostenexplosion bei den Energiepreisen hat sich die Situation der Unternehmen zusätzlich verschärft. Dazu kommt, dass die hohe Abhängigkeit Österreichs von den Erdgas- und Erdöllieferungen aus Russland zu einer dramatischen Gefährdung der Energieversorgung führen kann. Der Handlungsbedarf ist evident, die Lösungsansätze vielfältig. Vor allem für ein Aussetzen der CO2-Abgabe werden immer mehr Stimmen laut, um die jetzt schon horrenden Preise nicht noch weiter in die Höhe zu treiben.
CO2-Bepreisung verschieben
Unbestritten ist, dass die österreichische Wirtschaft die EU-Sanktionen mitträgt. Für Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer und WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf ist eine Deeskalation der Kriegssituation ein Gebot der Stunde. Klar ist aber auch, dass sich durch den Ukraine-Krieg die Energiepreissituation verschärft. "Hier gilt es gegenzusteuern, damit in unseren Produktionen nicht die Lichter ausgehen", so Kopf. Es brauche daher ein schlüssiges Konzept mit finanziellen Entlastungsmaßnahmen. Allen voran müssten die bestehenden und geplanten Beschränkungs- und Belastungsmaßnahmen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Wirtschaftskammer fordert daher eine Strompreiskompensation sowie die Verschiebung der geplanten Einführung der CO2-Bepreisung.
Dekarbonisierungsfonds einrichten
Auch Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, stellt den Zeitpunkt der CO2-Bepreisung vehement in Frage: "Wir erleben eine historische Kostenexplosion. Stabile Energieversorgung und Entlastungen sind jetzt das Wichtigste. Auf die jetzt schon hohen Gas- und Strompreise noch eine Zusatzbelastung draufzusetzen, wäre kontraproduktiv". Noch klarer bringt es Industrie-Obmann Sigi Menz auf den Punkt: "Unsere Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand – was gravierende und weitreichende negative Konsequenzen haben kann. Der Industriestandort Österreich ist gefährdet. Wir brauchen rasche Lösungen." Dazu gehören für Menz die Umsetzung der Strompreiskompensation gemäß der EU-ETS-Richtlinie zur Verhinderung von indirektem Carbon Leakage (die Verlagerung von Kohlenstoffdioxidemissionen in Drittstatten) sowie der bereits mehrfach angekündigte Dekarbonisierungsfonds.
Die von Menz ebenfalls geforderte Erhöhung der Vorausvergütung von Energieabgaben wurde am 8. März 2022 im Finanzausschuss abgesegnet. Um die Liquidität der Produktionsbetriebe, deren Schwerpunkt in der Güterherstellung liegt, zu verbessern, wurde die Energieabgabenvergütung für die Jahre 2022 und 2023 ausgeweitet und von fünf Prozent auf 25 Prozent angehoben. Mit Nachdruck warnt Menz in dieser heiklen Situation trotzdem vor einer übereilten Belastungsmaßnahme wie der CO2-Bepreisung: "Das wäre eine nachhaltige Gefährdung unserer Wettbewerbsfähigkeit."
Mineralölsteuer senken
Rückenwind für die Forderungen der Wirtschaft kommt von den Autofahrerclubs. Sowohl ÖAMTC als auch Arbö fordern aufgrund der stark steigenden Energiekosten eine Verschiebung der CO2-Steuer. Auch wenn die Automobilvereinigungen hauptsächlich den Privatsektor vertreten, darf man nicht vergessen, dass von den über sieben Millionen angemeldeten Kraftfahrzeugen im Land (7.214.970, Stand 31.12.2021, Statistik Austria), ein hoher Prozentsatz betriebliche Fahrzeuge sind. So oder so ist für Arbö-Generalsekretär Gerald Kumnig in Zeiten wie diesen das sture Festhalten an der CO2-Bepreisung ebenso untragbar wie unfair. Er fordert vehement das Ende "dieser staatlichen Geldmacherei". Auch für den ÖAMTC muss die Mobilität leistbar sein und bleiben. Als Alternative zur Verschiebung der CO2-Steuer schlägt der Österreichische Automobil-, Motorrad- und Touring Club eine Senkung der Mineralölsteuer (MöSt) vor.
Krankenversicherungsbeiträge verringern
An Steuer-Schrauben zu drehen, hat sich schon mehrfach bewährt. So wurde beispielsweise zur Bewältigung der Corona-Pandemie der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie und Hotellerie temporär auf fünf Prozent reduziert. Von der nun aufgekommenen Idee einer generellen Mehrwertsteuer-Senkung auf Energie hält hingegen das Wirtschafsförderungsinstitut (Wifo) wenig. Es spricht sich komplett dagegen aus und ist gleichzeitig für die Beibehaltung der CO2-Bepreisung. Grund: Von einer Mehrwertsteuer-Senkung würden primär Besserverdiener*innen und Tanktourist*innen profitieren. Um den Haushalten und Firmen besser zu helfen, plädiert das Wifo daher für andere Entlastungsmaßnahmen, wie einer Senkung der Krankenversicherungsbeiträge. Und wenn politisch eine Mehrwertsteuersenkung nicht vermeidbar sei, dann sollte sie auf Strom erfolgen, nicht aber auf Erdgas oder Erdöl. Nur so könne man die Anreize die ökologische Energiemix-Gestaltung steigern.
Mehrwertsteuer reduzieren
Dennoch sprechen sich aufgrund der hohen Preiskurven immer mehr Politiker*innen für eine staatliche Preisdämpfung aus. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verlangt unter anderem ein Aussetzen der Steuer bis Jahresende und eine Deckelung der Strom- und Gaspreise. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) plädiert im Zusammenhang mit Treibstoff und Gas für eine Steuersenkung und meint ebenfalls, dass sich die Bundesregierung überlegen müsse, ob der Zeitpunkt für die Einführung einer CO2-Bepreisung richtig sei. Der Forderung nach einer Reduktion oder Streichung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger aber schon kurz darauf eine dezidierte Absage erteilt, da das EU-rechtlich nicht ginge.
Deckelung einführen
EU-konform scheint hingegen die Idee von Christian Lindner, deutscher Bundesminister für Finanzen, zu sein. Er möchte einen staatlichen Tank-Zuschuss auf den Weg bringen. Der könnte bei etwas mehr als zehn Cent pro Liter liegen. Über die genaue Ausgestaltung von Entlastungsmaßnahmen wird aber auch in Deutschland noch diskutiert, es solle nur "kein Konjunkturförderprogramm für die Mineralölwirtschaft" sein. Ein weiterer Blick über die Staatsgrenzen hinaus zeigt, dass Slowenien gerade überlegt zur Preisdämpfung eine Deckelung des Sprits bei 1,50 Euro einzuführen. Damit würde sich Slowenien in die Reihe der EU-Staaten Ungarn, Kroatien und Polen eingliedern, wo schon längst eine Deckelung umgesetzt wurde. Zu diesbezüglichen Überlegungen in Österreich hüllt sich die heimische Regierung hingegen in Schweigen.
Energieabgaben drosseln
Klare Aussagen gab es dafür von Finanzminister Magnus Brunner bei der ORF-Pressestunde am 13. März 2022 bezüglich der Mehrwertsteuersenkung und der CO2-Bepreisung. Brunner ist gegen eine Senkung der Mehrwertsteuer, persönlich spricht er von "Zurückhaltung", weil diese besser Verdienende mehr entlasten würde. Ihm ginge es darum, zielgerichteter und treffsicherer vorzugehen. Als oberste Priorität sieht er das Senken der Energieabgaben für Erdgas und Strom. Da bräuchte es noch Druck auf europäischer Ebene für Ausnahmen. Brunner ist aber dafür, dass die ökosoziale Steuerreform umgesetzt und nicht aufgeschnürt wird. Heißt, dass seiner Meinung nach an der CO2-Bepreisung nicht gerüttelt werden sollte, da sie ein Kernteil der ökosozialen Steuerreform ist. "Die Steuerreform bringt insgesamt eine Entlastung von 18 Milliarden Euro in den nächsten Jahren. Der CO2-Preis ist sozusagen eine Lenkungsmaßnahme", so Brunner. Insgesamt sei die Steuerreform sozial ausgeglichen, da der regionale Klimabonus wesentlich höher als die Belastung durch den CO2-Preis sein wird. "Das muss man als Paket sehen, aber natürlich kann man über alles reden." Gemeint war der Energiegipfel am 13. März 2022: "Alle Vorschläge liegen auf dem Tisch, von der Mehrwertsteuer-Senkung über die Senkung der Mineralölsteuereinnahmen bis zur Energieabgabensenkung".
Strompreiskompensation nutzen
Kanzler Karl Nehammer hat wegen der steigenden Energiepreise am 13. März 2022 zu einem Runden Tisch ins Bundeskanzleramt geladen. Nach eigenen Angaben um "rasch zu handeln" und die "steigenden Energiekosten abzufedern". Mit dabei waren neben einer Reihe von Politiker*innen daher auch Vertreter*innen der Wirtschaftsforschung und der Energiebranche. Getrennt hat man sich ergebnisoffen, also ohne Resultat. Nach dem "Faktencheck", so Nehammer, werde in den kommenden Tagen auf politischer Ebene beraten, welche Maßnahmen gesetzt werden können. Es sieht also ganz so aus, als sei die Regierung bemüht, Komplikationen, so wie sie durch den Schnellschuss beim Energiekostenausgleich im Jänner aufgetreten sind, zu vermeiden.
Wenn es mit den Gegenmaßnahmen aber zu lange dauert, lauern die nächsten Probleme. Schon im Vorfeld des Energiegipfels hat Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) deutlich gemacht, dass es rasche und unbürokratische Hilfen braucht: "Die derzeitige Situation gefährdet den Industriestandort. Wenn die Politik nicht gegensteuert, werden wir unsere Industrie in der heutigen Form nicht aufrechterhalten können." Der IV-Präsident fordert daher umgehende politische Maßnahmen, um die galoppierenden Energiekosten halbwegs im Zaum zu halten. "Der Preis für CO2-Emissionen hat sich in den letzten Monaten vervielfacht und treibt damit auch die Stromkosten in die Höhe." Er ist davon überzeugt, dass das bereits in Europa angewendete Instrument der Strompreiskompensation kurzfristig Linderung schaffen und zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen kann.
Kühlen Kopf bewahren
Es gibt aber auch ganz konträre Betrachtungen und Ansichten zur aktuellen Energiepreis-Situation. Der Think-Tank Agenda Austria hat sich aktuell die Treibstoffkosten genauer angesehen. Nominell ist klar, dass der Treibstoff so teuer wie noch nie zuvor ist. In Relation zum Einkommen zeigt sich laut der Denkfabrik allerdings ein anderes Bild: Gemessen an den Einkommen waren Treibstoffe schon weitaus teurer als heute. Dazu kommt, dass der Verbrauch durch neue Antriebstechnologien gesunken ist. Die effektive Belastung ist mit Stand vom 7. März 2022 sowohl bei Benzin wie auch Diesel noch nicht auf dem Niveau von 2012. Noch dramatischer war die Lage in den 1970er Jahren. Wäre die Situation jetzt ähnlich der Ölkrisen 1973 und 1979, würde der Sprit jetzt rund 3,70 Euro kosten. "Statt in politischen Aktionismus zu verfallen und mit der Gießkanne das Geld der Steuerzahler zu verteilen, sollte die Politik einen kühlen Kopf bewahren", meint Agenda Austria-Chef Franz Schellhorn. Sein Fazit: Es sollten zielgerichtet jene unterstützt werden, die besonders stark betroffen sind.
Tempolimits verändern
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht das mit der Unterstützung ähnlich, lässt aber zusätzlich, neben der Forderung nach einem Umstieg auf erneuerbare Energien und einem schnellen Start der Energiewende , mit Sofort-Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs aufhorchen. Greenpeace-Verkehrsexpertin Klara Schenk sprach sich im Ö3-Frühjournal am 15. März 2022 für ein Tempolimit von 100 statt 130 auf den Autobahnen aus. Das langsamere Fahren würde nicht nur den Spritverbrauch drosseln, sondern auch die CO2-Emissionen verringern. Übereinstimmung gibt es da seitens des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ). "Tempolimits wirken schnell und bringen zusätzlich eine große Kostenersparnis", bekräftigt Christian Kratzer.
Wie so oft im Leben wird es wohl die Mischung aus allem sein, die zu einer Lösung führt. Wie diese "Mischung" seitens der Regierung aussieht, wird sich, positiv gedacht, hoffentlich bald zeigen.