Kreditzinsen
Betriebe müssen 2023 mit einem Zinsschock rechnen
Am 27. Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank nach mehr als sechs Jahren die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte angehoben. Mitte September 2022 stieg der wichtigste Leitzins dann auf 1,25 Prozent, im Oktober auf 2 Prozent. Um der hohen Inflation entgegenzuwirken beschloss der EZB-Rat Mitte Dezember eine nochmalige Anhebung. Mit 21. Dezember 2022 erhöhte sich der Zinssatz der EZB für Hauptrefinanzierungsgeschäfte daher auf 2,5 Prozent.
Experten gehen davon aus, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Denn das mittelfristige Ziel der EZB ist es, bei der Inflation zu einem Zielwert von 2 Prozent zurückzukehren. Um das zu erreichen, braucht es nach Ansicht des EZB-Rates noch deutliche und konstant durchgeführte Zinssteigerungen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sprach von Anhebungen "für eine gewisse Zeit" um jeweils 50 Basispunkte (0,5 Prozent).
Der Leitzins in den USA beträgt 4,5 Prozent
Wohin die Reise gehen könnte, zeigt sich an den Entscheidungen der amerikanischen Zentralbank Fed. Sie hat bereits im Mai 2022 die Zinsen um 0,5 Prozent erhöht. Im Juni, Juli, September, Oktober und Dezember folgten weitere Zinsschritte um jeweils 0,5 Prozent. Aktuell beträgt der Leitzins in den Vereinigten Staaten 4,5 Prozent. Bei der Inflation ist die USA auch schon einen Schritt weiter. Die Inflationsrate verringerte sich im November um einiges stärker als erwartet, auf 7,1 Prozent. In Österreich betrug laut Statistik Austria im gleichen Monat die Inflationsrate 10,6 Prozent. Im Jahresdurchschnitt gibt es keine so großen Unterschiede. In den Vereinigten Staaten werden für 2022 durchschnittlich rund 8,05 Prozent prognostiziert, in Europa geht man von 8,4 Prozent aus und in Österreich rechnet man mit 8,5 Prozent. Laut der Wirtschaftsprognosen soll sich 2023 der Preisauftrieb bei uns auf 6,5 Prozent (Wifo) bzw. 6,7 Prozent (IHS) abschwächen, wenn die Energiepreise allmählich zurückgehen könnten es 2024 nur mehr 3,2 Prozent (Wifo) bzw. 3,5 Prozent (IHS) sein.
Kreditzinsen könnten drastisch steigen
Laut Michael Kolb, Vorstand des Kreditversicherers Acredia liegt die Quote, mit der Zinssteigerungen von den Banken weitergereicht werden traditionell bei den Unternehmen höher als bei den Haushalten. Er geht daher davon aus, dass Unternehmenskredite in Europa im ersten Halbjahr 2023 um durchschnittlich 200 Basispunkte, also 2 Prozent, zulegen werden. In Österreich liegt die Prognose bei 199 Basispunkten. So es aber weitere Zinsschritte der EZB bis Mitte 2023 gibt, könnten die Kreditzinsen für europäische Betriebe um weitere 200 Basispunkte anziehen. Damit erhöht sich die Gefahr für Unternehmen mit einer zu geringen Kapitaldecke in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Ein Indikator für wirtschaftliche Probleme ist ein Rückgang der Zinskosten-Deckung. In der Eurozone fiele die Deckung vom 3. Quartal 2021 zum 2. Quartal 2022 von 5,6 auf 3,2, in Österreich sogar von 11 auf 5,7.
Kredite werden schwerer zu bekommen sein
Trotzdem war die Kreditdynamik in Europa bis vor kurzem ungeachtet steigender Zinsen und durchwachsener Wirtschaftsprognosen günstig. Die Zahl der gewährten Unternehmenskredite lag im September um 8,9 Prozent über dem Vorjahresniveau. Aber auch da stehen gröbere Veränderungen im Raum. "Unternehmenskredite werden voraussichtlich im ersten Halbjahr 2023 in Europa und damit auch in Österreich nicht nur teurer werden, sondern auch schwerer zu bekommen sein", erklärt Kolb. Die steigenden Zinsen erhöhen die Kosten, in der Folge verschärfen die Institute ihre Vergaberichtlinien. Acredia erwartet, dass dieser Trend anhaltet und sich das Angebot an Unternehmenskrediten in den nächsten Monaten erheblich eingeschränkt. "Zwar sehen wir noch keine Kreditklemme, aber Unternehmen mit einem niedrigen Kreditrating oder hohen Schuldenquote werden es in den nächsten Monaten schwerer haben", so Kolb.