Austrian Business Check
Trotz Optimismus legen Betriebe Fokus auf Finanzen
Die Wirtschaftsprognosen für dieses Jahr sind nicht berauschend. Es sind vor allem die hohen Energiekosten und die überdurchschnittliche Inflation, die das Wirtschaftswachstum dämpfen. Dennoch zeigt das Ergebnis der aktuellen KSV1870-Umfrage eine mehrheitlich positive Geschäftsentwicklung bei den heimischen Unternehmen. 54 Prozent der rund 1.300 befragten Betriebe bezeichnen ihre Geschäftslage als "sehr gut" oder "gut". Das sind zwar um drei Prozent weniger als beim Austrian Business Check im Oktober 2022, insgesamt gesehen bewegt sich die Wirtschaft aber auf Vorjahresniveau.
Der grundsätzlich positive Trend zeigt sich auch beim Umsatz. Bei 55 Prozent haben sich 2022 die Einnahmen verbessert, 33 Prozent rechnen heuer ebenfalls mit einer Umsatzsteigerung. Besonders optimistisch sind die Industrie, der Gastro-Bereich und die Land- und Forstwirtschaft. Ähnlich gestaltet sich die Entwicklung bei der Produktnachfrage. Momentan sehen 55 Prozent der Unternehmen die Nachfrage als "sehr gut" und "gut" an, auf lange Sicht sind die Betrieben jedoch vorsichtig. Nur 36 Prozent erwarten sich im gesamten Jahresverlauf eine stärkere Nachfrage, obwohl die Wirtschaftsforschung von einer Verbesserung im zweiten Halbjahr 2023 ausgeht. Zum Vergleich: Voriges Jahr waren es noch 49 Prozent.
Striktes Finanzmanagement
Als stärkste negative Einflüsse sehen die Unternehmen die steigenden Energiekosten (60%), die Preissteigerungen von Lieferanten (55%), die Inflation (50%) und die Verschlechterung des Zahlungsverkehrs (46%). Rund zwei Drittel (68%) der heimischen Unternehmen haben daher ihre Finanzmanagement-Maßnahmen verschärft. "Österreichs Unternehmen agieren heute vergleichsweise vorsichtiger und haben einen maximalen Kostenfokus", so Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Das Hauptaugenmerk liegt dabei vor allem auf engeren Kosten- bzw. Budgetkontrollen, verstärkten Energiesparmaßnahmen und einem überlegteren Umgang mit Investitionen. Dazu kommen vermehrte Bonitätsprüfungen und der Ausbau des Mahnwesens.
Belastender Arbeitskräftemangel
Ein großes Thema ist natürlich auch der Arbeitskräftemangel. Fast 60 Prozent (58%) der Betriebe sind davon betroffen, ganz besonders die Industrie (71%) und die Bauwirtschaft (76%). Das führe zu Zusatzbelastungen für bestehende Mitarbeiter*innen, steigenden Kosten um Mitarbeiter*innen zu halten und Umsatzeinbußen, da Aufträge abgelehnt werden müssen. Doch auch die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen bleiben auf der Strecke. Für Ricardo-Jose Vybiral, Vorstand der KSV1870 Holding AG, ist der Mangel an Mitarbeiter*innen deshalb ein Thema für die nächsten zehn Jahre. "Doch ich vermisse schlagkräftige Konzepte, die dieses Problem adressieren", erklärt Vybiral, für den deshalb das Thema "Attraktivierung der Vollzeit" höchste Priorität hat.
Unterschätzte Cybergefahr
Feuer am Dach sieht Vybiral auch beim Thema Cybersecurity. Nur jedes fünfte Unternehmen (21%) ist auf Cyber-Sicherheit fokussiert. Bei rund 60.000 Delikten von Internetkriminalität alleine im Vorjahr für Vybiral ein sicherheitstechnisches Harakiri. Dass sich 40 Prozent ein wenig mit der Thematik befassen, ist im Hinblick auf die potenzielle Cybergefahr für ihn deutlich zu wenig. "Die Ergebnisse sind im Hinblick auf die neuen Richtlinien eine mittlere Katastrophe", so Vybiral, der an die betroffenen Unternehmen appelliert rasch aktiv zu werden - nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch hinsichtlich des Inkrafttretens der EU-NIS2-Richtlinie im Herbst 2024. Bis dahin müssen sowohl Betriebe der kritischen Infrastruktur als auch deren Geschäftspartner ausreichende Maßnahmen zum Schutz vor Cyber-Attacken implementiert haben und diese auch nachweisen.
Vernachlässigte Nachhaltigkeitsstrategie
Ähnlich ist die Sachlage in punkto Nachhaltigkeit. Wie der aktuelle Austrian Business Check zeigt, wird auch der Bereich Environmental, Social und Governance (ESG) von einem Großteil der Unternehmen vernachlässigt. Derzeit scheint nur ein Drittel der heimischen Betriebe auf Kurs zu sein. Lediglich 14 Prozent verfügen über eine bereits vollständig umgesetzte Nachhaltigkeitsstrategie, weitere 18 Prozent befinden sich in der Planungsphase. Erarbeitet werden die Strategien zu 70 Prozent intern, drei von zehn Unternehmen setzen auf externe Expertisen. Jeder fünfte Betrieb (21%) hat zumindest den Handlungsbedarf in Bezug auf Nachhaltigkeit erkannt, jedoch bis dato noch keinerlei Aktivitäten in dieser Hinsicht gesetzt. Besonders eng könnte es langfristig für 47 Prozent der Unternehmen werden, die gar keine Notwendigkeit hinsichtlich der ESG-Kriterien sehen. Die diesbezüglichen EU-Standards sollen heuer im Juni veröffentlicht werden und ab 2024 für rund 2.000 Unternehmen in Österreich bindend sein. "Unabhängig von der Unternehmensgröße wird ESG ein Umdenken für die gesamte Wirtschaft bedeuten", warnt Vybiral, der davon ausgeht, dass früher oder später das Thema der Nachhaltigkeit auch ein zentraler Eckpfeiler in Finanzierungsfragen oder der Kreditvergabe sein wird.
Erfreuliche Eigenkapitalquote
Die KSV1870-Umfrage liefert jedoch auch höchst erfreuliche Erkenntnisse. Trotz der großen Herausforderungen in den letzten Jahren bewerten 23 Prozent der Betriebe ihre Eigenkapitalsituation mit "sehr gut", weitere 28 Prozent mit "gut". Dazu kommen noch 29 Prozent, die ihre Eigenkapitalquote als "befriedigend" ansehen. Bestätigt wird der positive Trend durch die KSV1870-Wirtschaftsdatenbank, wo sich ablesen lässt, dass sich die durchschnittliche Eigenkapitalquote zwischen den Jahren 2018 und 2021 von 48,09 auf 49,69 Prozent erhöht hat.
Klassische Wunschliste
Ganz im Zeichen der Finanzen sind auch die Wünsche an die Regierung, die von den österreichischen Betrieben im Zuge der aktuellen Austrian Business Check-Umfrage formuliert wurden. Standen im Vorjahr noch inhaltliche Themen, wie Verbesserung des Ausbildungssystems und Bewältigung des Arbeitskräftemangels, im Mittelpunkt, geht es in diesem Jahr in erster Linie wieder um die klassischen Finanzthemen wie Lohnkostenreduktionen und Steuersenkungen. Ebenfalls auf der Wunschliste sind geringere Energiekosten, eine deutliche Verschlankung der Bürokratie und eine glaubwürdige Politik, auf die man sich verlassen kann.