Interview

Halbjahresbilanz der Glasbranche

Glasbranche
23.08.2022

Weiterhin Materialengpässe, steigende Preise, unsichere Energieversorgung, aber auch schöne Ereignisse wie das International Year of Glass oder die nahende glasstec. Viele Gründe, um mit Bundesinnungsmeister Walter Stackler über die brennendsten Themen und deren Auswirkungen auf das Handwerk zu sprechen.

Bundesinnungsmeister der Glaser, Dachdecker und Spengler Walter Stackler.

Anfang des Jahres dachten wir, nach zwei Corona-Jahren wäre das Gröbste überstanden. Doch 2022 entwickelt sich gegenteilig. Aktuell schnellen die Preise in praktisch allen Lebensbereichen in die Höhe. Vor allem die Energiepreiserhöhungen machen der energieintensiven Glasbranche Sorgen. Wie sieht die Situation derzeit aus? Welche Auswirkungen haben die Preiserhöhungen auf das Handwerk?

Walter Stackler: Ich bin kein Experte, der den weltweiten Rohstoffmarkt analysieren kann, aber ich sehe die aktuellen Auswirkungen in unserer Branche. Glaserbetriebe sehen sich zurzeit mit massiv hohen Preissteigerungen konfrontiert. Es ist schon eine verrückte Zeit, denn gerade Betriebe, die eigentlich volle Auftragsbücher haben, sehen sich plötzlich in der misslichen Lage, dass Kostenvoranschläge und längerfristige Angebote unverschuldet zur Diskussion werden und sie Aufträge nicht preisangemessen erfüllen können. Es ist für die Betriebe schwer, von bereits vereinbarten Festpreisen für Material in bestehenden Verträgen wieder abzukommen, sodass sie oft auf den Mehrkosten beim Einkauf von Material sitzenbleiben. Bei Neuaufträgen werden langfristige Vertragsbindungen erschwert, weil die Betriebe ihren Kunden fast nur noch Tagespreise offerieren können. Für die Kunden kommt es im Ergebnis zu rasanten Teuerungsraten bei Neuverglasungen, Renovierungen oder Instandsetzungen. Das ist eine Entwicklung, die weder für Kunden noch für Betriebe angenehm und tragbar ist. Noch ist kein Ende der Preissteigerungen zu sehen. Auf Dauer können unsere Betriebe diese nicht selbst tragen. Hier hoffe ich auf das Verständnis unserer Kundinnen und Kunden – Kostensteigerungen oder Verzögerungen liegen aktuell nicht in der Hand der Glaserbetriebe.

Es ist für die Betriebe schwer, von bereits vereinbarten Festpreisen für Material in bestehenden Verträgen wieder abzukommen, sodass sie oft auf den Mehrkosten beim Einkauf von Material sitzenbleiben.

Walter Stackler

Was empfehlen Sie Kolleginnen und Kollegen zum Umgang mit den laufenden Preiserhöhungen? Wie sichert man sich vertraglich sowohl auf Lieferanten- als auch auf Kundenseite am besten ab?

Es wird sinnvoll sein, Vertragspartner und Kunden direkt anzusprechen und zu sensibilisieren. Auftraggeber müssen eventuell verlängerte Lieferzeiten einkalkulieren und zum Teil auch Teuerungen in Kauf nehmen. Und zwar nicht, weil Betriebe ihren Gewinn maximieren wollen, sondern weil es für sie derzeit keinen anderen Weg gibt, die Preissteigerungen durch Preisanpassungen zu kompensieren. Die Bundesinnung hat schon zwei Mal Aussendungen mit dem Inhalt zur "Bauvertraglichen Auswirkung von Materialpreissteigerungen und Lieferengpässen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine" ausgesendet. Hier werden rechtliche Rahmenbedingungen für Verträge und Ausschreibungen beschrieben. Falls das Schreiben übersehen wurde, kann man das gerne in der Bundesinnung der Dachdecker, Glaser und Spengler anfordern.
Wegen der dynamischen Entwicklung bei den Material- und Energiekosten werden immer häufiger veränderliche Preise laut ÖNorm B 2111 mit dem Auftraggeber vereinbart, um das Risiko von Preisveränderungen teilweise abfedern zu können. Besonders bei langen Vertragsdauern kann somit einerseits dem Bauherrn ein wirtschaftlicherer Preis abgegeben werden und andererseits für den Unternehmer selbst das Kalkulationsrisiko der Preisveränderungen bei seinen Lieferanten gesenkt werden. Aus diesem Grund aktualisiert die Bundesinnung der Dachdecker, Glaser und Spengler die Werte für den Warenkorb der Berufsgruppe der Glaser. Unter preisumrechnung.at können in einem eigenen Tool nach Eingabe der Preisbasis und des Bundeslandes unter dem Index "Glaser-Verglasungen" die veränderlichen Preise berechnet werden.

Es ist angedacht, am 21. Oktober einen österreichweiten 'Tag des Glases' zu veranstalten. Im Rahmen dieser Veranstaltung haben alle Glasereien Österreichs die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu einem Tag der offenen Tür einzuladen, um ihre Unternehmen vorzustellen.

Walter Stackler

Trotz allen Widrigkeiten: 2022 ist das "International Year of Glass". International werden Aktionen gestartet, um auf die Bedeutung und die Möglichkeiten des Werk- und Baustoffs Glas aufmerksam zu machen. Beteiligt sich auch Österreich und die Bundesinnung der Glaser daran?

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2022 zum Internationalen Jahr des Glases – International Year of Glass 2022, kurz: IYOG 2022 – erklärt. Das Jahr 2022 steht damit ganz im Zeichen unseren transparenten Werkstoff sichtbar und erlebbar zu machen. Weltweit haben sich regionale Komitees gegründet, um die wissenschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Werkstoffs Glas in ihrem Land oder in ihrer Region zu unterstreichen und mehrere Jubiläen zu feiern. Anlässlich des IYOG ist es auch zu einer Kooperation zwischen Deutschland, Liechtenstein und Österreich gekommen. Und auch in Österreich selbst finden zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen zum Thema Glas statt. Koordiniert werden die Aktivitäten von der Berufsgruppe der Glaser der Bundesinnung der Dachdecker, Glaser und Spengler gemeinsam mit den Landesinnungen.
Jedes Unternehmen kann und soll auf das IYOG hinweisen. Dazu stehen digitale Banner mit verschiedenen Motiven, eine E-Mail-Signatur und ein Poster, das bis zur Größe A1 ausgedruckt werden kann, kostenfrei zur Verfügung. Sämtliche Werbemittel stehen zum Download bereit. (Hinweis: Der Link läuft am 9. September 2022 ab). Helfen Sie bitte mit, die Kampagne zu verbreiten und als Multiplikator die Wichtigkeit von Glas zu verankern.
Des Weiteren ist angedacht, am 21. Oktober einen österreichweiten "Tag des Glases" zu veranstalten. Im Rahmen dieser Veranstaltung haben alle Glasereien Österreichs die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu einem Tag der offenen Tür einzuladen, um ihre Unternehmen vorzustellen. Auch die HTL Kramsach wird sich an dieser Aktion beteiligen. Beworben wird der Tag des Glases von den Landesinnungen der Dachdecker, Glaser und Spengler in den Bundesländern. Ziel ist es, die breite Öffentlichkeit für den Werkstoff Glas, die Geschichte seiner Herstellung und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten zu begeistern. Das IYOG bietet eine einmalige Plattform um zu zeigen, dass Glas in vielen Anwendungen des täglichen Lebens steckt und auch bei vielen Zukunftsthemen – zum Beispiel beim Klimaschutz und der CO2-Reduzierung – eine entscheidende Rolle spielen wird. Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen herzlich ein, das Internationale Jahr des Glases zu feiern und mit individuellen Aktionen zu gestalten und zu beleben!

Nach vier Jahren findet vom 20. bis 23. September endlich wieder die glasstec in Düsseldorf statt. Auch die österreichische Bundesinnung der Dachdecker, Glaser und Spengler ist erstmals mit einem Stand auf der Weltleitmesse vertreten. Was dürfen sich die Besucher*innen dort erwarten?

Unsere internationalen Verbände sind bereits seit einiger Zeit in Kontakt, um gemeinsame Ziele zu erreichen. So soll die Sichtbarkeit und Attraktivität des Glashandwerks gemeinsam gesteigert werden, um im Wettbewerb der jungen Nachwuchsglaser noch attraktiver zu werden. Auf einer Sonderfläche zeigt die glasstec wieder die Top-Neuheiten für das Glas verarbeitende Handwerk in der praktischen Anwendung. Das Motto in diesem Jahr lautet: Weltmeisterschaft der Berufe. WorldSkills Germany@glasstec ist der Leistungswettbewerb der nicht-akademischen Berufe, für Teilnehmer bis 23 Jahre. Der Wettbewerb wird vom Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks e.V., dem Verband der Jungglaser und dem Fensterbauer e.V. ausgerichtet. Auch wir Österreicher werden mit unseren Staatsmeister Philipp Pfeiler von Glas Süd in Mureck, Steiermark, und mit unseren Nationaltrainer Johannes Fiechtl aus Tirol vertreten sein. Ebenso werden unser amtierender Europameister Christoph Greiner und ich am Stand der Bundesinnung Österreich anwesend sein. Wir laden alle Kolleginnen und Kollegen herzlich auf unseren Messestand ein und freuen uns auf persönliche Begegnungen und Gespräche.

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