Brennpunkt

Ohne CCUS keine Klimaneutralität

CO2-Neutralität
02.10.2024

Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) erklärt im Interview warum, die CCUS-Technologie für das Erreichen der Klimaneutralität so wichtig ist – und was aus Sicht der Industrie nun passieren muss, damit sie eingesetzt werden kann.
Interview mit VÖZ-Geschäftsführer Sebastian Spaun über CCUS.
VÖZ-Geschäfsführer Sebastian Spaun über CCUS und Klimaneutralität.

Herr Spaun, die alte Regierung hat im August nach einigem Gerangel schließlich den nationalen Klimaplan beschlossen. Dieser enthält auch einen Abschnitt, über den Sie sich sicher besonders gefreut haben …
Sebastian Spaun: … Sie meinen die Carbon-Management-Strategie.

Ohne CCUS geht es nicht

Genau, weshalb ist die Ihnen so wichtig?
Die Carbon-Management-Strategie ist für den gesamten Wirtschaftsstandort wichtig. Die Regierung hält in ihr fest, dass sie das Thema CCUS – also die Abscheidung von CO₂ aus der Atmosphäre, die Verwertung und die Speicherung – aktiv angehen wird. CCUS ist ein ganz entscheidendes Instrument zur CO₂-Reduktion. Anders formuliert: ohne CCUS keine Klimaneutralität. Das gilt für Österreich insgesamt und ganz besonders für die sogenannten Hard-to-Abate-Industriesektoren.

Das sind jene sehr energieintensiven Industrien, bei denen die Reduktion der Treibhausgasemissionen besonders schwierig ist – also die Sektoren wie Stahl, Feuerfest, Kalk, aber auch Ihre Branche, die Zementindustrie. Wie groß ist der Beitrag dieser Hard-to-Abate Industrien zum jährlichen CO₂-Ausstoß in Österreich?
In Österreich wurden 2023 knapp 70 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen. Ich schätze, dass rund zehn bis 15 Millionen davon auf die Hard-to-Abate-Sektoren entfallen. Die Emissionen der Zementindustrie lagen zuletzt bei 2,3 Millionen Tonnen. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel investiert, um unsere Emissionen zu senken. Der österreichische Zement hat ja bereits jetzt den niedrigsten CO₂-Fußabdruck weltweit. Ein gutes Beispiel für unsere Bemühungen sind die klimafitten CEM II/C-Zemente. Sie zeigen, dass eine gewaltige CO₂-Reduktion bei gleichbleibenden Kosten möglich ist. Dennoch –ganz ohne CO₂-Emission ist die Zementproduktion prozessbedingt nicht möglich. Daher ist es wichtig, sich des Themas CCUS zügig und ohne Vorbehalte anzunehmen.

Warum diese Eile?
Österreich will bis 2040 klimaneutral sein. Da bleib nicht mehr allzu viel Zeit. Auf dem Weg dahin gibt es für die Hard-to-Abate-Sektoren ein weiteres wichtiges Datum: Ab dem Jahr 2034 erhalten diese Industrien keine kostenlosen CO₂-Zertifikate mehr. Ab 2026 wird die Zuteilung pro Jahr um zehn Prozent reduziert. Nur um Ihnen die Dimensionen zu verdeutlichen: Ein CO₂-Zertifikat kostete im Jahr 2023 pro Tonne durchschnittlich 84 Euro. Multipliziert man das mit den 2,3 Millionen Tonnen CO₂, die die österreichische Zementindustrie 2023 emittiert hat, kommt man auf 193 Millionen Euro. Das ist ein gewaltiger Betrag…

… der zudem wohl noch zu niedrig angesetzt ist. Ich habe gelesen, dass die EU-Kommission bis 2034 mit einem Anstieg des Zertifikatspreises auf 150 Euro pro Tonne CO₂ rechnet.
Das ist gut vorstellbar. Dann wären wir beim gleichen Emissionsvolumen bei rund 350 Millionen Euro pro Jahr. Das ist eine Summe, bei der sich die Zementproduktion wirtschaftlich nicht mehr rechnet.

Soweit so gut, oder wohl eher: so schlecht. Was muss aus Ihrer Sicht nun passieren?
Als Erstes muss das Verbot zur CO₂-Lagerung aufgehoben werden und die europäische CCS-Richtlinie rechtlich umgesetzt werden. Das sollte die neue Regierung so rasch wie möglich anpacken. Parallel sollte man beginnen, die möglichen Lagerstätten auszumachen und zu evaluieren.

Bei diesen potentiellen Lagerstätten handelt es sich um die leeren Öl- oder Gasfelder tief unter der Erdoberfläche. Wie groß sind diese Felder?
Ich bin kein Experte, aber es wird geschätzt, dass man in Österreich Lagerstätten mit einem Volumen von 150 bis 200 Millionen Tonnen CO₂ erschließen könnte. Bei dem schon erwähnten CO₂-Ausstoß der Hard-to-Abate-Sektoren von zehn bis 15 Millionen Tonnen jährlich, würde das für vielleicht für 15 Jahre genügen. Klar ist: Auf Dauer braucht es eine andere Lösung.

Sie sprechen von den geologischen Speichern unter dem Meeresboden in der Nordsee oder der Adria.
Genau. In Norwegen beginnt man bereits mit der Nutzung dieser Lagerstätten. Sie haben natürlich ein ganz anderes Volumen. In der EU wird in den kommenden Jahren ein transnationales Pipeline-Netzwerk gebaut, mit dem das CO₂ aus den einzelnen Mitgliedsstaaten zu den verschiedensten Lagerstätten befördert wird – und längerfristig auch zu Verwertungsprozessen. Dieses transeuropäische Netzwerk wird aber frühestens 2040 fertig sein. Bis es soweit ist, müssen wir unser CO2 in Österreich zwischenspeichern, und ein nationales Netzwerk errichten, das dann an das transeuropäische angeschlossen wird. Aus Sicht der Experten sollte das zu schaffen sein – unter der Voraussetzung, dass man rasch mit der Arbeit beginnt.

Da stellen sich mir zwei Fragen. Erstens: Was kostet das? Zweitens: Wer zahlt das?
Die Kosten müssen jetzt erhoben werden. Ich bin da nicht der Fachmann. Aber ich komme gerade von einer Fact-Finding-Mission aus Alberta. Dort packt man das Thema sehr offensiv an. In den nächsten Jahren werden in Alberta rund 20 Lagerstätten entstehen. Dort ist auch eine Zahl zu den Kosten genannt worden: Ein Kilometer CO₂-Pipeline kostet rund eine Million Kanadische Dollar, das sind derzeit rund 700.000 Euro. Man kann das mit der notwendigen Länge des Netzwerks hochrechnen. Je nachdem sprechen wir hier von Investitionen von einer Milliarden Euro oder mehr.  

Bleibt Frage zwei: Wer soll das bezahlen?
Das sehen wir anders. Es geht hier um den Aufbau der notwendigen Infrastruktur, die ein zukunftsfähiger Wirtschaftsstandort schlichtweg benötigt. Nehmen Sie folgendes Beispiel: Wenn ich heute eine Fahrrad-Werkstatt eröffne, dann finde ich vor meiner Werkstatt selbstverständlich eine Straße, mit etwas Glück sogar in der Nähe einen Bahnanschluss. Dazu kommt ein Abwasserkanal, der an eine Kläranlage angeschlossen ist, Trinkwasser, Strom, Internet-Glasfaser. Vielleicht auch ein Erdgasnetz. Eine Gemeinde sagt dem Jungunternehmer sicher nicht: Zehn Kilometer weiter ist die Kläranlage, fang schon mal an, den Kanal zu graben.

Der Vergleich klingt gut, aber passt er wirklich?
Ich denke ja. Für die grüne Transformation des Wirtschaftsstandortes wird es notwendig sein, zwei zusätzliche Netzwerke zu errichten – das CO₂-Netzwerk und ein flächendeckendes Wasserstoff-Netzwerk. Allein für die Errichtung der Infrastruktur der Siedlungswasserwirtschaft hat der Staat seit 1959 rund 63 Milliarden Euro investiert. Mit gutem Grund. Und, wenn er das Überleben des Wirtschaftsstandorts sicherstellen will, dann sollte er auch in die Infrastruktur der grünen Transformation investieren. Die Kosten für die Abscheidung und die Tarife für Transport und Einlagerung bleiben ja ohnehin bei der Industrie hängen.

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