Umfrage
Tiefbau statt Hochbau?
„Es geht darum, die aktuelle Durststrecke zu überstehen.“ Christoph Weber, Bauexperte beim Unternehmensberater Horváth & Partners, findet im Gespräch mit der Bauzeitung klare Worte zur aktuellen Lage der Bauwirtschaft (siehe Seite 12 dieser Ausgabe). Er ist der Meinung, dass die großen Baukonzerne die Krise besser abfedern können. Sein Argument: „Die großen Bauunternehmen sind breiter aufgestellt. Sie können den Rückgang im Wohnungsbau durch Tiefbauprojekte und Aufträge der öffentlichen Hand im Infrastrukturbereich kompensieren. Das ist für das Baugewerbe schwieriger.“
Die Bauzeitung wollte es genau wissen. Sie hat ihre Leserinnen und Leser, die vor allem im Baugewerbe zuhause sind, gefragt, wie sehr Sie vom Hochbau abhängig sind und in welchem Ausmaß Sie Rückgänge im Hochbau durch Tiefbauprojekte abfedern können. Um es vorwegzunehmen: Die These von Berater Weber wird weitgehend bestätigt.
Als Erstes wollte die Bauzeitung wissen, wie flexibel die Unternehmen zwischen Hochbau und Tiefbau umschichten können. 44 Prozent, also fast die Hälfte der Befragten, bezeichnen ihr Geschäftsmodell als „Nicht flexibel“ und 16 Prozent als „ein wenig flexibel“. Die übrigen 40 Prozent verteilen sich relativ gleichmäßig auf „einigermaßen flexibel“, „flexibel“ und „sehr flexibel“. Als Nächstes ging es um die Frage, wie sich in einem normalen Geschäftsjahr der Umsatz zwischen Hoch- und Tiefbau verteilt. Auch hier ist das Ergebnis ziemlich eindeutig: 52 Prozent der teilnehmenden Unternehmen nannten „100 Prozent Hochbau“ und 28 Prozent „80 Prozent Hochbau“. In anderen Worten: Vier Fünftel machen ihr Geschäft mehr oder weniger zur Gänze im Hochbau. Die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf gleichmäßig auf die übrigen drei Antworten.
Das wird sich 2024 vermutlich leicht ändern – aber eben nur leicht. Darauf deuten jedenfalls die Ergebnisse zur dritten Frage hin. Sie lautete: „Welche Verteilung erwarten Sie für 2024?“ 48 Prozent rechnen mit 100 Prozent Hochbau und 20 Prozent mit 80 Prozent Hochbau. Das bedeutet: Der Anteil der Unternehmen, die mehr oder weniger vollständig im Hochbau tätig sind, wird heuer laut eigener Einschätzung von 80 auf 68 Prozent zurückgehen. 12 Prozent rechnen mit einem Hochbauanteil von 60 Prozent. Die übrigen 20 Prozent mit weniger.
Die Ergebnisse dieser kurzen Umfrage sind in sind schlüssig. Die Mehrheit der Unternehmen hält ihr Geschäftsmodell für nicht oder wenig flexibel. Die Möglichkeit, sich anzupassen und in der aktuelle Wohnbaukrise verstärkt auf den Tiefbau zu setzen, ist daher eher gering. Abschließend wollte die Bauzeitung wissen, was die Unternehmen sich in dieser Situation von der öffentlichen Hand erwarten. In der Mehrheit der Antworten drücken sich konkrete Forderungen aus. Mehrfach wird die Aufhebung oder Lockerung der umstritten KIM-Verordnung genannt, die den Banken die Vergabe von Immobilienkrediten erschwert. Andere Leserinnen und Leser wünschen sich eine Erhöhung der Wohnbauförderung, die verstärkte Förderung von thermischen Sanierungen wie dem Heizkesselaustausch oder das Vorziehen von „dringend benötigten Projekten im Kindergarten, Krabbelstuben, Schulbereich“. Eine dritte Gruppe von Antworten entfällt auf generelle Forderungen wie Steuererleichterungen, schnellere und unkomplizierte Verfahren oder „Stabilität und Eindämmung der hohen Inflation“.
Ein eher kleinerer Teil der Befragten erwartet sich dagegen „nichts“, „fast nichts“ oder „leider wenig“. Das passt zur Einschätzung von Unternehmensberater Weber. Das Paket der Regierung zur Belebung der Baukonjunktur beinhaltet aus seiner Sicht „zum Großteil bestehende Maßnahmen zur CO2-Reduktion, denen man ein neues Mascherl gegeben hat. Aber aus meiner Sicht sind die Möglichkeiten der Regierung auch begrenzt.“