Unternehmensinsolvenzen
Baubranche im Pleitesog
Am 11. Dezember 2024 lud der KSV1870 zur Präsentation der Jahresbilanz in das „Haus des Meeres“ in Wien. Ein symbolträchtiger Ort schließlich steht vielen Unternehmen sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals. Besonders betroffen sind neben dem Industriesektor die Gastronomie, die Bauwirtschaft und der Handel.
„Die Geschäftslage hat sich verschlechtert, die Umsätze sind auf Talfahrt“, eröffnete Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding, mit den Ergebnissen der Unternehmensbefragung "Austrian Business Check". Besonders betroffen sei der Industriesektor, üblicherweise ein wichtiger Motor für Forschung, Entwicklung und Innovation. Hier erwartet nur noch jedes zweite Unternehmen ein positives Geschäftsjahr. Als Gründe nannte Vybiral neben hohen Energiekosten, die inzwischen als Gegebenheit akzeptiert werden, vor allem den Fachkräftemangel. Dieser verhindere, dass selbst bestehendes Wachstumspotenzial realisiert werden kann, so der KSV CEO.
Schlechte Stimmung im Bau
Ein zentrales Thema war die detaillierte Analyse der betroffenen Branchen. In der Bauwirtschaft ist die Lage schlecht: 1.069 Fälle, eine Steigerung gegenüber Vorjahr um satte 15 Prozent. Gestiegene Zinsen und zurückgehender Konsum drücken die Stimmungslage. Besonders der Hochbau und das Baunebengewerbe sind von Insolvenzen betroffen. Während der Tiefbau dank langfristiger Verträge stabil bleibt, sieht sich der Hochbau in einem toxischen Mix aus Kostensteigerungen und regulatorischen Vorgaben wie der KIM-Verordnung gefangen. Immerhin läuft letztere im Juni 2025 aus. Im Grundstücks- und Wohnungswesen ist das Bild dramatisch: von einem Plus von 76 Prozent sind vorwiegend Immobilienentwickler betroffen.
Insolvenzzahlen auf Rekordniveau
Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz, liefert die Zahlen: Mit 6.550 Insolvenzen verzeichnet 2024 das dritthöchste Insolvenzjahr der Geschichte. Besonders die Passiva von 18,3 Milliarden Euro markieren einen neuen Höchststand. Hinter dieser Summe stehen Großpleiten wie die Fisker GmbH (3,8 Milliarden Euro), René Benko (2,4 Milliarden Euro) oder die KTM AG (1,8 Milliarden Euro). Die zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren in die Insolvenz gerutschte Kika-Leiner Möbelkette liegt mit 139 Mio. Euro außerhalb der zehn größten Insolvenzen des heurigen Jahres.
Eine neue Dynamik zeigte sich bei den nicht eröffneten Insolvenzen, die aufgrund fehlender Masse für Verfahrenskosten um 20 Prozent zugenommen haben. Diese Fälle entziehen dem Wirtschaftskreislauf schätzungsweise hunderte Millionen Euro. Götze warnte zudem vor Folgeinsolvenzen, da die wirtschaftliche Stabilität vieler Geschäftspartner*innen durch die steigenden Fälle gefährdet sei.
2025: Mitten im Tunnel
Für das kommende Jahr rechnet der KSV1870 mit 6.500 bis 7.000 Unternehmensinsolvenzen. „Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass wir puncto hoher Insolvenzzahlen nicht am Ende des Tunnels angekommen sind, sondern uns mittendrin befinden“, so Götze. Auch, weil Faktoren wie Energiekosten, Konsumnachfrage oder geopolitische Entwicklungen weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen haben werden, und damit auch auf die Insolvenzentwicklung im kommenden Jahr. Zudem wird sich zeigen, welche Entwicklung der Arbeitsmarkt nimmt und wie sich zentrale Branchen, wie etwa die Bauwirtschaft entwickeln.
Ricardo-José Vybiral betonte die Notwendigkeit regulatorischer Erleichterungen: „Die Wirtschaft ist noch kapitalstark, aber wir müssen Momentum und Optimismus schaffen.“ Das Auslaufen der KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung) könnte der Baubranche zumindest punktuell helfen. Der KSV-Chef sieht in der KIM Verordnung ein Negativbeispiel für unnötige Regulatorik, denn diese Verordnung sei keine EU Vorgabe, sondern Österreich selbst habe sie sich verordnet. Vybiral: „Wir müssen wieder eine gewisse Leichtigkeit schaffen, denn KMU sind mittlerweile mit der Dokumentation und Abwicklung von regulatorischen Anforderungen überfordert." Langfristig brauche es grundlegende Veränderungen, um österreichische Unternehmen zu entlasten, so Vybiral mit Blick auf die laufenden Regierungsverhandlungen, von denen er sich ein rasches und positives Ergebnis wünscht – und keinesfalls einen Stillstand oder gar Neuwahlen.
Unternehmensinsolvenzen 2024
- Gesamtinsolvenzen: 6.550 Fälle (+22 % zu 2023). 2024 ist historisch das dritthöchste Insolvenzjahr. Rekorde bisher waren 2005 und 2009 mit ca. 7000 Insolvenzen.
- Betroffene Branchen:
- Handel: 1.146 Fälle (+16 %)
- Bauwirtschaft: 1.069 Fälle (+15 %)
- Gastronomie: 826 Fälle (+16 %)
- Größte Pleiten: Fisker GmbH (3,8 Mrd. Euro), René Benko (2,4 Mrd. Euro), KTM AG (1,8 Mrd. Euro)
- Passiva: 18,3 Mrd. Euro (+31 % zu 2023)