Weiterbildung
WK Wien-Forderung: Mit Lehrabschluss auf die Uni
Quer durch alle Branchen verzeichnet die Lehre nach dem Abflauen der Corona-Pandemie wieder einen höheren Zuspruch. Das zeigt sich an den Lehrlingszahlen. Mit Jahresende 2022 befanden sich 108.085 Lehrlinge in 27.300 Lehrbetrieben in Ausbildung. Im Vergleich zu 2021 waren es somit 492 Lehrlinge mehr, was einer Steigerung von 0,5 Prozent entspricht. Dass die Corona-Delle überwunden ist, erkennt man noch stärker an der Zahl der Lehranfänger*innen: Hier gibt es mit rund 32.000 Lehrlingen einen Zuwachs von acht Prozent. In Wien gab es mit Ende Februar 2023 sogar um 17,4 Prozent mehr Lehrlinge im ersten Lehrjahr als noch vor einem Jahr.
Alles erfreuliche Entwicklungen, doch angesichts des Fachkräftemangels nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Um den Engpass bei den Fachkräften in den Griff zu bekommen, muss noch an vielen Schrauben gedreht werden.
Höhere berufliche Bildung in Warteschleife
Die Lehre selbst, also die duale Lehrausbildung, ist ein weltweit anerkanntes Erfolgsmodell. Leider hapert es für Lehrabsolventen oftmals am Image und an den Möglichkeiten nach der Lehre. Ideen, um daran etwas zu ändern, gibt es immer wieder. Erst vor Kurzem ließen Bundeskanzler Nehammer und Arbeitsminister Kocher mit der Idee aufhorchen, dass analog zu den universitären Abschlüssen auch die Kosten für Meisterprüfungen und Befähigungsnachweise vom Staat übernommen werden sollen.
Das passt zum Plan der Regierung für eine höhere berufliche Bildung, der im Februar 2022 verkündet wurde. Das Ziel: Den Lehrabsolvent*innen soll, vergleichbar mit der akademischen Bildungskarriere, ein neuer Weg der Weiterbildung ermöglicht werden, inklusive besserer Karriere-Chancen. Heißt, dass all jene, die eine Lehre abschließen, die Möglichkeit für eine Höherqualifikation bis auf tertiäres Niveau haben sollen. Seit der Ankündigung vor etwas mehr als einem Jahr ist aber scheinbar nichts weitergegangen. Es gibt bis jetzt weder einen dezidierten Gesetzesvorschlag noch ein grundsätzliches Konzept.
Erschwerter Zugang zu tertiärer Ausbildung
Daher weist die Lehre noch immer ein wesentliches Manko gegenüber schulischen Ausbildungswegen auf: der erschwerte Zugang zum tertiären Bildungssektor. Denn mit dem Lehrabschluss alleine bleibt der Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten versperrt. Ein gravierender Nachteil für den Bildungsweg Lehre, der viele Jugendliche dazu bewegt, sich eher für einen schulischen Weg mit Matura-Abschluss zu entscheiden, wie WK Wien-Präsident Walter Ruck anmerkt. Selbst dann, wenn die Stärken im praktischen Tun liegen.
Wer eine Matura hat, dem stehen bekanntlich viele Türen offen, angefangen bei den Universitäten und Hochschulen bis hin zur verkürzten Lehre. Die Hochschulreife trotz einer Lehre zu erlangen ist jedoch mit einem großen Aufwand verbunden. Entweder man macht die Matura parallel zur Lehre (Berufsmatura), nach der Lehre (Externistenmatura) oder eine Studienberechtigungsprüfung. Bis vor Kurzem gab es auch noch die Möglichkeit, nach dem Lehrabschluss einen akademischen Lehrgang zur beruflichen Weiterbildung mit Master-Abschluss, wie die Berufsakademie des Wifi Wien, zu besuchen. Doch diese Variante läuft aufgrund einer Gesetzesänderung im September 2023 aus.
Lehrabschluss soll zu Studium berechtigen
Die Wirtschaftskammer Wien fordert deshalb, dass die Lehrabschlussprüfung als Zugangsberechtigung für facheinschlägige Studien anerkannt wird. Und präsentiert auch gleich zwei Beispiele, wie das in der Praxis konkret ausschauen würde: So könnte ein Lehrabschluss im Lehrberuf Metalltechnik mit Schwerpunkt Maschinenbautechnik zum TU-Studium Maschinenbau berechtigten und ein Lehrabsolvent im Lehrberuf Informationstechnik mit Schwerpunkt Betriebstechnik könnte die Berechtigung für das Studium Technische Informatik erhalten. Welcher Lehrabschluss zu welchem Studium berechtigt, wäre zwecks Umsetzung in Abstimmung mit den Branchen sowie Universitäten und Fachhochschulen genau zu definieren. Zusätzlich müsste das Universitätsgesetz entsprechend angepasst werden.
Wichtiger Schritt für Fachkräfte-Qualifikation
„Angesichts des massiven Fachkräftemangels muss alles getan werden, um die Lehre so aufzuwerten, dass sie von den Nachwuchsgenerationen als gleichwertiger und attraktiver Bildungsweg wahrgenommen wird", so Ruck. Gerade die eingeschränkte Hochschulreife im Lehrabschlusszeugnis wäre für ihn dafür ein wichtiger Schritt, der zu einer höheren Qualifikation der Fachkräfte und letztlich zu mehr Studenten und Absolventen in den gefragten MINT-Sparten führen würde.