Automatisierung
Maschine statt Maurer
Hitze macht ihm nichts aus. Kälte auch nicht. Und er ist genügsam. Manche Asketen mögen sich mit Wasser und Brot begnügen, ihm reichen Wasser und Strom. Mehr braucht er nicht, um seine Maurerarbeiten zu verrichten. Das liegt daran, dass er kein Mensch ist, sondern ein Roboter, und zwar ein eigens für diese Tätigkeiten entwickelter Ziegelroboter. Sein Name lautet WLTR – was, da er aus Tschechien stammt, wie „Wojta“ ausgesprochen wird.
Der erste österreichischer Maurer-Roboter ist Tscheche
WLTR wurde von der tschechischen Tochtergesellschaft des heimischen Ziegelkonzerns Wienerberger gemeinsam mit dem Start-up KM Robotics und dem Tschechischen Institut für Informatik, Robotik und Kybernetik (CIIRC) an der Technischen Universität in Prag entwickelt. Bei Wienerberger ist man „stolz darauf, als erstes Unternehmen in Europa in nur drei Jahren einen kommerzialisierbaren Mauerwerksroboter“ zur Marktreife gebracht zu haben. In Tschechien wird WLTR bereits auf mehreren Baustellen eingesetzt. Bis Ende 2024 soll er auf einer ersten Baustelle in Österreich getestet werden. 2025 ist dann der Einsatz auf regulären Baustellen in Österreich geplant.
„Die Bauindustrie steht in Zeiten der Digitalisierung, der hohen Nachfrage nach leistbarem Bauen und Wohnen, dem vorherrschenden Fachkräftemangel und dem Ziel, die oftmals körperlich schweren Tätigkeiten am Bau zu erleichtern, vor großen Herausforderungen“, fasst Wienerberger Österreich-Chef Johann Marchner die diversen Überlegungen zur Entwicklung der Maurer-Maschine in einem Satz zusammen. „Als Innovationsführer in der Branche“ sieht Wienerberger laut Marchner „großes Potenzial in der Automatisierung, Vorfertigung und Robotik, um Bauvorhaben schneller und günstiger zu realisieren – bei gleichzeitig geringerem Ressourceneinsatz und mit weniger Arbeitsleistung. Und das wird uns künftig mithilfe von WLTR gelingen.“
Der Mauerroboter wurde vor allem für den Bau langer Wände wie zum Beispiel Industriebauten, Schulen und anderen großen Gebäuden entwickelt. Aber auch bei Mehrfamilienhäusern ist sein Einsatz. WLTR ist in der Lage, Ziegelmauern in einer Höhe von bis zu 3,25 Meter ab der Basis des Mauerwerks zu errichten. Seine große Stärke: Er ist schnell. WLTR schafft eine Fläche von fünf bis sieben Quadratmeter pro Stunde – und ist somit deutlich flotter als seine menschlichen Kollegen: „Eine Partie mit vier Maurern schafft mit 25er-Ziegeln in einer Stunde in etwa zwei Quadratmeter“, meint Wienerberger-Manager Marchner. „Der Vorteil bei der Geschwindigkeit liegt beim Faktor 2,5 bis drei.“
Dazu kommt, dass der Mauerroboter durch den Einsatz moderner Sensoren sehr präzise und zuverlässig arbeitet. „Ausführende Unternehmen und Bauherr haben die Sicherheit, dass die Mauer exakt so errichtet wird, wie sie geplant worden ist“, meint Marchner. Damit WLTR derart präzise und reibungslos arbeiten kann, musste Wienerberger einen speziellen, patentieren Ziegel entwickeln – den „Robot Ready“-Porotherm-Ziegel. Dieser verfügt über zwei Rillen an den Wandseiten, die dem Roboter die problemlose Handhabung ermöglichen.
Da WLTR kein Mensch ist, gelten für ihn auch nicht die Regeln des Arbeitnehmerschutzes. Daher wäre er auch in der Lage, schwerere Ziegel zu verarbeiten, als es bisher auf Baustellen erlaubt ist. Die Begrenzung liegt derzeit bei 25 Kilogramm. „Je schwerer der Ziegel, desto mehr kommen die Stärken des Roboters zum Tragen“, meint Wienerberger Österreich Chef Marchner. Und er verweist auf einen weiteren Vorzug von WLTR: „Der Einsatz des Roboters ermöglicht eine hohe Flexibilität. Falls es notwendig ist, kurzfristig einen zweiten oder dritten Roboter aufzustellen, ist das relativ leicht möglich. Kurzfristig eine weitere Maurerpartie aufzutreiben, ist nicht so einfach.“
Marchner geht nicht davon aus, „dass der Roboter in Zukunft den Maurer völlig ersetzen wird, aber der Roboter wird immer mehr an Bedeutung gewinnen.“ Er erwartet in Zukunft verschiedene Bautechnologien am Markt, die sich komplementieren werden. „In bestimmten Anwendungsbereiche wird man auch in Zukunft den klassischen Maurer einsetzen, zum Beispiel bei Kleinsanierungen. Bei größeren Bauvorhaben werden verstärkt der Mauerroboter und vorgefertigte Wände zum Einsatz kommen“, meint Marchner. „Ich kann mir auch vorstellen, dass ein Maurerroboter vor Ort auf der Baustelle Bauteile vorfertigt.“
Zunächst geht es aber einmal darum, den Roboter und seine Vorzüge, dem interessierten Fachpublikum in Österreich vorzustellen. Damit beginnt Wienerberger heuer. Ab dem nächsten Jahr will man WLTR mit einem Joint-Venture-Partner als Mietgerät am Markt anbieten. Die Kosten werden dabei dem Niveau einer konventionellen Maurerpartie liegen. Marchner: „Wir glauben, dass die Vorteile für sich sprechen und die Nachfrage groß sein wird.“