Paco Rabanne im Portrait
Walking in Space
Stilikonen wie Audrey Hepburn ließen sich von ihm einkleiden. Brigitte Bardot wiederum nahm mit einem hauchdünnem Kostüm an einer Preisverleihung teil und trug solcherart zum extravaganten Ruf des Modemachers bei. Jane Fonda im legendären Barbarella-Outfit prägte die Vorstellung der coolen Space-Age-Amazone. Paco Rabannes Vorstellung von der Frau war „eine kriegerische Heldin, eine Jeanne d’Arc ohne Rüstung“.
MANIFEST DER MODE
1966 präsentierte Rabanne seine erste Kollektion, „ein Manifest“, im eigenen Fashion-Label. Schwarze und weiße Models – ein Novum – stolzierten in der Show mit „zwölf untragbaren Kleidern in zeitgenössischen Materialien“ barfuß über den Laufsteg, begleitet von lautstarkem Soundtrack – auch dies eine provokante Neuerung zu bisher andächtig stillen Modevorführungen. Rabanne war begeistert von den Beatles und den Rolling Stones und erfand eine neue Atmosphäre für Modeschauen, die fortan nicht nur bei ihm von Musik begleitet wurden.
GEHT NICHT, GIBT’S NICHT
Die Bezeichnung „untragbar“ war nicht falsch. Die Kleider bestanden aus rechteckigen und quadratischen Aluminiumplatten und Rhodoidplättchen, verbunden mit Metallringen, außerdem gab es Kleider aus Kunststoff und Papier. Die Show schockierte und beeindruckte die Modeindustrie. Wo sich die Pariser Modewelt pikiert zeigte – Coco Chanel schimpfte über den „Metallarbeiter“ –, zeigte sich die New Yorker Avantgarde entzückt. Diana Vreeland von der „Vogue“ und Eugenia Sheppard von der „Herald Tribune“ kleideten sich in Rabanne, ebenso Peggy Guggenheim. Der Modedesigner selbst meinte: „Es waren die Amerikaner, die an mich glaubten und mich ‚erschufen‘.“
MINIROCK UND MONDLANDUNG
Die Weltraumbewegung der Sechzigerjahre atmete den Geist uneingeschränkter Technologiegläubigkeit. Dies wirkte sich auch auf das Modedesign aus. Kaum ein Haute-Couture-Haus konnte mit den aufsehenerregenden Metall-Looks mithalten, die Rabanne in den 60er-Jahren initiierte. Ein mit 1.000 Goldpailletten besetztes Minikleid für die Sängerin Françoise Hardy wog fast zehn Kilo und galt als teuerstes Kleid der Modegeschichte.
ABSEITS VOM MAINSTREAM
Geboren wurde Rabanne am 18. Februar 1934 als Francisco Rabaneda y Cuervo nahe San Sebastián in der Baskenregion. Sein Vater, Oberst in der republikanischen Armee während des Spanischen Bürgerkrieges, wurde von Francos Truppen ermordet. Als die Faschisten 1939 den Krieg für sich entschieden und Madrid besetzten, zogen Großmutter und Mutter mit den vier Kindern nach Paris. Die Mutter hatte in Spanien als Näherin beim Modedesigner Cristóbal Balenciaga gearbeitet und beeinflusste mit ihrer Tätigkeit das Interesse ihres Sohnes. Zum einen brachte sie ihn mit der Modewelt in Berührung, zum anderen war sie der Grund, dass er Nähen als „Sklavenarbeit“ betrachtete.
In Paris studierte er Architektur an der École Nationale des Beaux-Arts, verdiente aber bereits damals mit Skizzen für Modehäuser Geld für das Studium. Seine Metall-Affinität lebte er zunächst in abstraktem Schmuckdesign aus. Zudem entwarf er Krawatten und Knöpfe aus extravaganten Materialien wie Metall, Leder und sogar Kaffeebohnen und erregte die Aufmerksamkeit von Givenchy, Dior und Balenciaga.
KONSTRUKTIVES MATERIALSPIEL
In der Architektur hielt es ihn nicht länger als zehn Jahre. Er hatte sich im Bereich der Stahlbetonkonstruktion spezialisiert. Aus einem architektonischen Mindset stammt vielleicht sein eher konstruktiv als näherisch gedachter Ansatz zur Mode und der Hang zu ungewöhnlichen, nichttextilen Materialien. Außer Metall und Plastik gab es Holz, Spiegelscherben und riesige Perlmutt-Pailletten. Durch diese wurden auch akustische Details eingebracht, weil sie wie Windspiele klangen, wenn die Trägerin des Kleides eine Bewegung machte.
MODE ALS KUNSTINSTALLATION
Die Modeinszenierungen folgen ganzheitlichen Raumkonzepten, angefangen bei den einzukleidenden Körpern, über akustische Stimmungen und fortgeführt ab 1968 im neuen Karrierezweig des Parfümeurs. Diese Linie war seine erfolgreichste – was nicht zuletzt mit der leichteren Integration in den Alltag zu tun hatte. Metallkleider oder plastikpaillettenbesetze Anzüge hatten nur begrenzte praktische Einsatzmöglichkeiten. Zudem lösten folkloreinspirierte Modekreationen dank der Hippie-Bewegung den Hype des Space-Age-Looks ab. Die Parfums wurden zu wahren Bestsellern. Damen- und Herrendüfte entstanden in Kooperation mit dem spanischen Label Puig, das auch zur Hausmarke für Rabannes Modeschaffen wurde. Auch im Vertrieb zeigte Rabanne Pioniergeist: Bereits Mitte der Neunzigerjahre launchte er seine Parfums via Internet. Er selbst erläuterte seinen kreativen Ansatz wie folgt: „Ich hatte immer den Eindruck, ein Zeitbeschleuniger zu sein. So weit zu gehen, wie es für die eigene Zeit angemessen ist, und sich nicht dem morbiden Genuss der bekannten Dinge hinzugeben, die ich als Verfall betrachte.“
IN VISIONÄREN SPHÄREN
Er wurde als Futurist, Modeschöpfer, Mystiker, Verrückter, Dadaist, Bildhauer, Architekt, Astrologe, Parfümeur, Künstler und Prophet bezeichnet. 1999 erschien sein Buch „Fire from Heaven“ (Feuer vom Himmel) mit einer Prophezeiung der Zerstörung von Paris durch die abstürzende russische Raumstation Mir am 11. August desselben Jahres. Die Warnung hatte er aus seiner Lektüre des Nostradamus entwickelt. Er war außerdem überzeugt, bereits viele Leben gelebt zu haben, schrieb darüber im Buch: „Journey: From One Life to Another“ (1997) und sein wahres Alter bezifferte er mit 78.000 Jahren. Er befasste sich mit Buddhismus, Druidentum, lebte zurückgezogen und bescheiden.
HANG ZUM MYSTISCHEN
Der Modedesigner zeigte großes Interesse an geheimen Wissenssystemen und mystischen Welterklärungen. Numerologie gehörte dazu. Deren Erkenntnisse hatten ihn auch dazu veranlasst, seinen Namen zu verkürzen, weil er die Zahl 13 als seine Glückszahl herausgefunden hatte. Zunächst nannte er sich Franck Rabban, wenig später Paco Rabanne. „Paco“ als Kurzform für Francisco lag auf der Hand. Im Griechischen steht das Wort für „Rabe“, der für die Familie „Cuervo“ natürlich eine Art Schutzheiliger war. Voilà, so war der Künstlername kreiert, der den innovativen Geist von Paco Rabanne in die Welt trug. Anfang Februar ist er in Frankreich gestorben.