Schatten über dem Management Center Innsbruck
ie Fachhochschule mit ihren inzwischen 25 Studiengängen leidet schon seit geraumer Zeit unter chronischem Platzmangel; die aktuell 3.400 Studenten sind inzwischen auf fünf Standorte in der Landeshauptstadt verteilt. Das 2016 mit einem EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerb laufende Verfahren für einen Neubau nördlich der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität stoppte der zuständige Landeshochbaureferent Johannes Tratter im November 2018 mit der von mehreren Expertisen begleiteten Begründung, dass die Erhöhung der Baukosten „eine wesentliche und damit unzulässige Vertragsänderung“ sei. Eine der Expertisen stammte von Rechtsanwalt Herbert Schöpf, der seither im Alleingang das Land beim MCI-Verfahren auch juristisch berät. Mit dem Vertragstopp ging die Zurückhaltung eines Teils des Architektenhonorars für die Wettbewerbssieger und Generalplaner Loudon, Habeler & Kirchweger wegen „nicht vertragskonformer Planung“ einher, die sich das nicht gefallen lassen wollten. Sie klagten ihr Honorar ein, was schließlich mit einem Vergleich endete. Ein ähnlicher Prozess mit der Stadt als Auftraggeber des Busterminals ist noch anhängig. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, meint dazu Architekt Anton Kirchweger.
Der Haussegen hängt schief
Inzwischen ist das MCI geschrumpft. Aus den 16.500 Quadratmetern Netto-Nutzfläche wurden 15.000 Quadratmeter für 3.300 Studienplätze samt einer fixierten Obergrenze bei den Projektkosten von 135 Mio. Euro. Die hochgepriesene Kostensicherheit wird durch einen höheren Kostenrahmen erkauft. Somit sind die Kosten jetzt für den neuen Entwurf höher als jene des seinerzeitigen Siegerprojektes, die im Sommer 2017 mit 115 Mio. Euro berechnet worden waren. Eine Tatsache, die ein offener Brief der Architektenschaft süffisant anmerkte und hinzufügte, „dass der Bedarf an Nutzfläche im neuen Projekt wahrscheinlich nicht ausreichen wird“.
Den Beginn des neuen Verfahrens, von Rechtsanwalt Herbert Schöpf als wettbewerblicher Dialog aufgesetzt, verzögerte die Querelen zwischen Land Tirol und Stadt Innsbruck. Seit nach einer im Sommer geschlossenen Grundsatzvereinbarung über den Neubau die politisch bunte, aber finanzschwache Stadt weitere Forderungen anmeldete, hängt der Haussegen schief.
Der wettbewerbliche Dialog
Am 23. Dezember 2019 hatte das Land Tirol zur Abgabe von Teilnahmeanträgen im wettbewerblichen Dialog aufgefordert, Anmeldeschluss war der 31.Jänner 2020. Es sei beabsichtigt, das Bauvorhaben mit einem Totalunternehmer im Rahmen eines Partnerschaftsmodells zu realisieren, hieß es dabei. Dieses Modell legt fest, dass der Totalunternehmer als alleiniger Vertragspartner des Landes die Gesamtverantwortung für die Planung und Ausführung des Bauvorhabens bis zur schlüsselfertigen Herstellung übernimmt. Ziel des angestrebten Partnerschaftsmodells ist die frühzeitige Einbindung der Ausführungskompetenz des Totalunternehmers als Bauunternehmer in der Planungsphase sowie die gemeinsame Festlegung des Projekts. Im Vordergrund steht die frühestmögliche Kosten- und Terminsicherheit bei der Umsetzung der funktional definierten Anforderungen. Das Land Tirol erkennt im gewählten Vergabeverfahren die Möglichkeit, innovative und konzeptionell hochwertige Lösungen für das angestrebte Partnerschaftsmodell von den Marktteilnehmern für den ausschreibungsgegenständlichen Bauauftrag zu erlangen. Mit den in der ersten Stufe des Vergabeverfahrens ausgewählten Dialogpartnern werde in der zweiten Stufe aufgrund der vorgelegten Lösungen ein Dialog mit dem Ziel geführt, jene Lösungen zu ermitteln, mit denen das angestrebte Partnerschaftsmodell am besten umgesetzt werden könne. Auf Grundlage der von ihm in der zweiten Stufe näher ausgeführten Lösung habe der jeweilige Dialogpartner sein verbindliches Angebot für den Totalunternehmerauftrag in der dritten Stufe zu legen.
Ohne Jury und Architekten
Den Hinweis auf eine Jury zur Bewertung der Lösungsvorschläge sucht man in der Ausschreibung noch vergebens, ebenso vergebens sucht man nach Architekten, die in das Verfahren eingebunden sind. In diesem Fall hoffen die Architektenkammer, die Stadtplanung und die Hochbauabteilung auf eine zweite Runde, wie immer diese auch aussehen wird. Bereits 30 Architekten sollen ihr Interesse angemeldet haben. Einer, der sich mit Sicherheit nicht mehr beteiligen wird, ist Raimund Rainer. Er hat als Gewinner eines solchen Verfahrens die Schule in Mieders gebaut und weiß, dass letztendlich nur die Kosten entscheiden.
Das Land Tirol geht davon aus, den wettbewerblichen Dialog bis Juni 2020 abzuschließen und rechnet mit Baubeginn bei Niedrigwasser im Herbst 2021, doch der Termin wackelt.
Nachprüfung beantragt
Eine Bietergemeinschaft, der führende Mitglieder der Architektenkammer angehören, hat beim Landesverwaltungsgericht einen Nachprüfungsantrag eingebracht. Für sie ist die Wahl des wettbewerblichen Dialogs ein Missbrauch des Verfahrens, um fehlende Vorleistungen des Auftraggebers, insbesondere die fehlende Planung, zumindest in Entwurfsqualität zu ersetzen. Vor allem der „Totalunternehmer“ wird kritisch gesehen. Eine einstweilige Verfügung gibt den Antragsstellern recht „Der Vorwurf einer rechtswidrigen Ausschreibung als solche ist jedenfalls so schwerwiegend, dass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf jeden Fall notwendig war, um einen bereits eingetretenen oder in Zukunft drohenden Schaden von der Antragstellerin abzuweisen.“ Der Sachverhalt wird jetzt in einer mündlichen Verhandlung geklärt. Die Teilnahmeanträge dürfen bis auf Weiteres nicht geöffnet werden. Was das Verfahren wohl verzögern wird.
Nicht bei allen stößt das Vorgehen auf Zustimmung. Seit der massive Kostenüberschreitung bei der Patscherkofelbahn sowie beim MCI werden die Verfahren von der Öffentlichkeit mit Argusaugen beobachtet. „Das alles muss schlussendlich der Steuerzahler bezahlen“, kommentiert die Tiroler Tageszeitung. Auch Georg Pendl, Präsident der EU-weiten ACE hält nichts vom Griff zu den Rechtsmitteln. Er wünscht sich das gute Gesprächsklima zurück.
Ein Vorschlag
Die Architektenkammer hat im Lauf des letzten Jahres ihre Bedenken mehrfach vorgebracht, sowohl gegenüber dem ressortzuständigen Landesrat Johannes Tratter als auch gegenüber dem Landeshauptmann Günther Platter. Sie schlug bereits im Mai letzten Jahres einen nicht offenen Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren vor. Dieser könnte beginnend bei der Vorprüfung mit einer externen Kostenkontrolle begleitet werden, damit die gewünschten Sicherheiten von Beginn an gewährleistet sind. Eine anonyme Überarbeitungsstufe würde die Möglichkeit der Kommunikation projektbezogener Anregungen seitens des Fachpreisgerichts an die ausgewählten Teilnehmer bieten. Dieser Weg würde sich im Vergleich zu Dialogverfahren auch günstig auf die Verfahrensdauer auswirken. Auch wandte sich die Architektenkammer vehement gegen den Vorwurf, am Scheitern des Wettbewerbsverfahrens seien die Architekten schuld. Ganz im Gegenteil, denn gerade sie hätten durch genaue Berechnung aufgezeigt, dass ein Gebäude dieses Ausmaßes um die vorgegebene Summe nicht hätte errichtet werden können.
Besondere Herangehensweisen
Den wettbewerblichen Dialog – von der EU befördert und im Bundesvergabegesetz 2018 neuerdings aufs Tapet gebracht – hat der Gesetzgeber für „besonders komplexen Aufträge“ vorgesehen. Der Einsatz ist dann gerechtfertigt, wenn ein Auftraggeber „zum Verfassen der Leistungsbeschreibung in technischer, finanzieller oder rechtlicher Hinsicht“ und „objektiv nicht in der Lage“ und „die Vergabe im Wege eines offenen oder nicht offenen Verfahrens nicht möglich ist“. Die Beispiele, die zum Einsatz des wettbewerblichen Dialogs angeführt werden, gehören durchwegs zur Megaklasse: bedeutende Verkehrsinfrastrukturprojekte oder die Schaffung großer Computernetzwerke.
Armutszeugnis der Politik
Inzwischen ist er heruntergebrochen auf kleinere kommunale Vorhaben, was sich als lukrativer Markt erwiesen hat. Als Einfallstor dienen Bürgerbeteiligungsverfahren, die oft in bauliche Umsetzungen münden. Die GemNova, ein Unternehmen des Tiroler Gemeindeverbandes, erbringt umfangreiche Dienstleistungen für fast jeden Bereich, sei es Bildung, Pflege, Digitalisierung, Finanzen, daneben auch Bürgerbeteiligung, Projektentwicklung und Projektbegleitung. Das anstelle des abgerissenen Piccardsaales neu errichtete Veranstaltungszentrum Carat in Obergurg ist das neue Aushängeschild. Auch die Communalp, ursprünglich zur Begleitung von Bürgerbeteiligungsverfahren gegründet, hat ihre Produktpalette ausgeweitet. Sie bietet jetzt ein Gesamtpaket mit einzelnen Bausteinen an, die sie für die Gemeindeentwicklung als wichtig erachtet. „Ob es um die Errichtung von Kinderbetreuungsplätzen, um die Herstellung eines Breitbandanschlusses oder um die Abwicklung eines wettbewerblichen Dialogs geht, es braucht für jede Gemeinde eine besondere Herangehensweise“, heißt es auf ihrer Homepage. Der wettbewerbliche Dialog gewinnt daher auch durch die Bürgerbeteiligungsverfahren an Beliebtheit. Das Versprechen, sich mittels Totalübernehmer von jeder Verantwortung freizukaufen, beruhigt gestresste Bürgermeister, auch wenn sie sich ansonsten konsequent wehren, Baukompetenzen an höhere Instanzen abzugeben. Auch Rechtsanwalt Herbert Schöpf hat im Umfeld solcher Verfahren ein reiches Betätigungsfeld gefunden, ebenso wie mehrere pensionierte oder aktive HTL-Professoren (mit Befugnis), die jeweils die intransparent eingerichteten Jurys besetzen. Bei der Auswahl der Totalübernehmer ist die bestens vernetzte Strabag vorne mit dabei. Gratis ist die Beratung nicht. Die Honorare liegen im Bereich von sechs Prozent der Bausumme.
Der Tiroler Architekt Daniel Fügenschuh und Vorsitzende der Bundessektion der Architekten in der Bundeskammer der Ziviltechniker hält den Totalübernehmer für ein Armutszeugnis der Politik, die sich aus der Verantwortung für die öffentliche Baukultur stiehlt.
Ein gut eingespieltes System
Eigentlich braucht das Land Tirol keine neuen Verfahren, hat es doch ein gut eingespieltes System, sowohl was Qualität als auch Kosten- und Rechtssicherheit betrifft. Die Dorferneuerung hat sich über Jahrzehnte ein entsprechendes Know-how erarbeitet, begleitet die Bauvorhaben der Gemeinden von Anfang an, setzt offene oder geladene Wettbewerbe auf, gibt ziemlich zutreffende Kostenschätzungen ab, hilft bei der Planung und Umsetzung, alles von Amts wegen und kostenlos. Juristen braucht man selten und wenn, dann steht ein Pool von Landesjuristen zur Verfügung. Exzellente Projekte entstehen als Draufgabe, etwa der in einem zweistufigen Wettbewerb als Siegerprojekt gekürte Schulcampus in Neustift von Fasch & Fuchs, ein gebauter Landschaftsteppich mit eingeschnittenen Höfen, durch Rampen und Treppen erschlossen. Einen wettbewerblichen Dialog hat die Dorferneuerung bisher nicht gebraucht. Aber ein besseres Gesprächsklima mit den Funktionären der Architektenkammer wäre schon wünschenswert.