Ausstellung
Zur Architektur der Siebzigerjahre
Wirtschaftlich war das damals noch stockkonservative und erzkatholische Land unter Langzeitlandeshauptmann Eduard Wallnöfer (1963–1987) im Aufschwung. Autobahnen, Seilbahnen, Lifte wurden gebaut, die Nächtigungszahlen stiegen, und bis zum Ende des Jahrzehnts hatte sich der PKW- und Häuserbestand verdoppelt. War der wirtschaftliche Erfolg zum Großteil hausgemacht, so kam der Anstoß für gesellschaftspolitische Veränderungen von außen. Es war die Ära von Bundeskanzler Bruno Kreisky, die soziale Verbesserungen brachte, bildungspolitischen Fortschritt einleitete und für kulturelle Aufbruchsstimmung sorgte. In Tirol stand LR Fritz Prior zwar politisch auf der anderen Seite, ließ aber im kulturellen Bereich eine große Bandbreite an Initiativen zu, denen er fallweise auch finanzielle Unterstützung gewährte.
Zeichen der Zeit
Viele der jugendlichen Protagonisten, die sich in sozialen oder kulturellen Projekten – unbezahlt und selbstver waltet – engagierten, kamen aus dem universitären Umfeld, wo schon der eine oder andere Aufstand geprobt wurde. An der neu gegründeten Innsbrucker Technik studierte eine junge Architektengeneration, die dem tradierten Lehrbetrieb kritisch gegenüberstand. Überall herrschte der Wunsch nach Veränderung, der Glaube an die Zukunft war ungebrochen. Die Fülle des Ausstellungsmaterials in eine angemessene Form zu bringen, bedurfte einer ausgeklügelten Planung. In chronologischer Folge ist jedem Jahr eine Wand zugeordnet und jede Wand horizontal in mehrere Reihen geteilt. Zuunterst läuft ein Fotoband mit ausgewählten Projekten aus den Bereichen Wohnen, Schulbau, Kirchen und typologischen „Zeitzeugen“, darüber folgt eine dreigeteilte Zeitleiste mit lokalen, nationalen und internationalen Ereignissen. Den oberen Abschluss bilden Zeichnungen, Plakate, Bilder, Zeitschriften, Zitate und Hörstationen mit Interviews von sieben Akteuren. Über die Tische verteilt liegt eine Fotostrecke von Günter R. Wett über den aktuellen Bauzustand von 70 Bauten samt historischen und technischen Informationen, die sich auch im Katalog wiederfindet. Der farblich, unübersehbare 500-Seiten-Katalog vertieft die Eindrücke. Es erfordert Tage, bis alles angeschaut, gelesen und gehört worden ist. Die am 21. Februar eröffnete Ausstellung wurde drei Wochen später wegen des coronabedingten Lockdown geschlossen. Seither gibt Arno Ritter mit der Kamerafrau Marina Treichl vor Ort allwöchentliche Einblicke in die verschiedenen Themenkreise und macht Interviews mit damaligen Akteuren sowie Teile des Katalogs im Netz zugänglich. Das Ausstellungsende wurde in den Herbst verlegt.
Die Begleitpublikation „widerstand und wandel. über die 1970er jahre in tirol“ ist nach wie vor über die Website des „aut“ bestellbar: Widerstand und Wandel
verlängert bis 24. Oktober 2020
aut. architektur und tirol
lois Welzenbacher Platz 1
6020 Innsbruck
http://www.aut.cc