Unklarheiten bei Haftungsordnung
Durch das Bauarbeitenkoordinationsgesetz („BauKG“) wurden die Vorgaben der EU-Baustellen-Richtlinie im Jahr 1999 in Österreich umgesetzt. Die Beratungspraxis zeigt, dass nach wie vor Unklarheiten hinsichtlich der dadurch geschaffenen Haftungsordnung und Pflichtenlage bestehen.
Grundsatz: Die Fürsorgepflicht des Bauherrn
Der Bauherr ist den auf der Baustelle tätigen Auftragnehmern (bzw. deren Mitarbeitern) gegenüber nach §§ 1157 und 1169 ABGB zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum verpflichtet. Diese vertragliche Nebenpflicht wird als Fürsorgepflicht bezeichnet und wurde durch das BauKG erheblich erweitert.
Zielsetzung des BauKG
Hauptanliegen des BauKG ist die Einbeziehung des Bauherrn nach dem Verursacherprinzip in die Verantwortlichkeit für Sicherheit und Gesundheitsschutz der auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer. Nur der Bauherr ist imstande, mehrere auf der Baustelle tätige Auftragnehmer zu koordinieren und dadurch die Gefahren, die beim „Zusammentreffen“ mehrerer voneinander unabhängiger Auftragnehmer entstehen, zu minimieren.
Bestellung eines Baustellenkoordinators
Sobald auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig sind und es der Arbeitsschutz erfordert, muss der Bauherr einen Planungs- bzw. Baustellenkoordinator bestellen. Ausführenden Unternehmen bzw. Beratern des Bauherrn trifft eine Hinweispflicht aufgrund der für sie geltenden Berufsausübungsregelungen und der allgemeinen Rechtsgrundsätze: Sie müssen den Bauherrn auf die Verpflichtung zur Koordinatorenbestellung hinweisen.
Als Koordinator darf nur eine Person bestellt werden, die über eine für die jeweilige Bauwerksplanung oder Bauwerksausführung einschlägige Ausbildung und eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügt. Die Bestellung des Baustellenkoordinators hat spätestens bei Auftragsvergabe zu erfolgen. Eine wirksame Bestellung des Baustellenkoordinators muss schriftlich erfolgen und den Nachweis der Zustimmung des Bestellten enthalten (sie muss aber nicht an Behörden gemeldet werden).
Pflichten des Baustellenkoordinators, Haftung
Die den Baustellenkoordinatoren zugewiesenen Pflichten gehen eindeutig über rein koordinative Tätigkeiten hinaus. Der Baustellenkoordinator ist dafür verantwortlich, dass alle Arbeitnehmerschutzvorschriften auf der Baustelle eingehalten werden. Darunter fallen insbesondere die Umsetzung der Grundsätze der Gefahrenverhütung, die Umsetzung der für die Baustelle geltenden Bestimmungen über Sicherheit und Gesundheitsschutz und die Koordination der Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung der Arbeitsverfahren durch die bauausführenden Unternehmen. Der Pflichtenkatalog gemäß §§ 4 und 5 BauKG ist ein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer, weshalb der Baustellenkoordinator diesen gegenüber nicht nur deliktisch, sondern auch vertraglich haftet.
Die wirksame Bestellung eines Baustellenkoordinators befreit den Bauherrn von seiner Haftung nach dem BauKG. Der Bauherr haftet auch nicht – wie sonst für Gehilfen nach § 1313a ABGB – für dessen Verfehlungen, weil der Baukoordinator – nach zulässiger Übertragung der schutzgesetzlichen Pflichten – eigenverantwortlich eigene gesetzliche Pflichten erfüllt (nämlich die des BauKG). Der Bauherr haftet demnach nur für Auswahlverschulden, d. h. wenn er als Baustellenkoordinator eine habituell untüchtige Person einsetzt.
Unterlässt es der Bauherr, entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung einen Baustellenkoordinator zu bestellen, treffen ihn die Pflichten nach dem BauKG bzw. haftet er bei deren Verletzung, wenn diese kausal für einen eingetretenen Schaden sind. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings die Regelung des § 9 Abs 3 BauKG: Die Haftung verbleibt beim Bauherrn, wenn der von ihm eingesetzte Baustellenkoordinator ein Betriebsangehöriger in seinem Unternehmen ist.
Fazit
Im Anwendungsbereich des BauKG wird die Fürsorgepflicht des Bauherrn erheblich erweitert. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung und der damit einhergehenden Haftung ist die Bestellung eines Baustellenkoordinators unumgänglich, wobei auf die diesbezügliche Hinweispflicht der Professionisten zu verweisen ist.