Richard Neutra: 50. Todestag
Mit dem Lovell Health House wurde Richard Neutra 1929 international bekannt und erhielt in Folge zahlreiche Bauaufträge. In Österreich dagegen konnte er nur ein Haus verwirklichen – das kleine Einfamilienhaus in der Wiener Werkbundsiedlung, das 1932 fertiggestellt wurde.
Pionier der Moderne
Richard Neutra wurde 1892 als Sohn einer jüdischen Wiener Familie geboren. Bald nach Beginn seines Studiums an der Technischen Hochschule wurde er in die private Bauschule von Adolf Loos aufgenommen. Loos, der stets voller Begeisterung von seinem Aufenthalt in Amerika berichtete, war es auch, der in Neutra den Wunsch weckte, selbst in die Vereinigten Staaten zu reisen, um dort neuartige Bautechniken, aber auch das Werk von Frank Lloyd Wright zu studieren, dessen revolutionäre Bauten in Wien durch Reproduktionen bekannt waren. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs machte diese Pläne jedoch zunächst zunichte. Über Zürich und Berlin gelang Neutra gemeinsam mit seiner Frau Dione schließlich 1923 die ersehnte Ausreise in die Vereinigten Staaten von Amerika. Hier wurde er zum Begründer einer genuin amerikanischen Moderne, deren Wurzeln aber zum Teil in Wien und Österreich zu suchen sind.
Der Konkurrent aus Amerika
Wie kaum ein anderer Architekt der frühen Moderne verstand es Neutra die Architektur, Landschaftsarchitektur und den Städtebau in einen harmonischen Dreiklang einzubetten – wobei ihm insbesondere der Kontrast zwischen stereometrischen Geometrien und den organischen Formen der Natur als eine wichtige Inspirationsquelle diente. Er war seiner Zeit weit voraus – zahlreiche Versuche in den 1960er Jahren in Wien Fuß zu fassen, schlugen fehl. Trotz zahlreicher Ehrungen, Ausstellungen und Versprechen seitens einflussreicher Politiker blieben die Jahre in der alten Heimat eine Episode. Nicht nur in konservativen Kreisen regte sich Widerstand gegen den progressiven Modernen, auch die Wiener Architekten fürchteten den prominenten Konkurrenten aus Amerika. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Neutra aber Ende der 1960er Jahre in Wien. Er starb 1970 bei der Besichtigung des von ihm entworfenen Hauses „Kemper“ in Wuppertal und wurde in Los Angeles beigesetzt.
Später Ruhm
Während Neutra Zeit seines Lebens vergeblich für eine gebührende Anerkennung seiner Arbeit in Österreich gekämpft hatte, wurde ihm nach seinem Ableben ein unverhoffter Ruhm zuteil. Neutras geistiges Erbe wurde fortan von seinem Sohn fortgesetzt, der die Geschäfte des Büros seines Vaters in Los Angeles übernommen hatte. Ihm gelang eine beispiellose Karriere – mit viel Gespür und Talent setzte er die Arbeit seines Vaters fort und schaffte es, die klassischen Elemente der Moderne in eine zeitgemäße Architektursprache zu transformieren. Auf diese Weise verhalf er dem von seinem Vater begründeten Stil letztlich in den 1990er Jahren zu einer zweiten Renaissance.
Die Ausstellung „Richard Neutra. Wohnhäuser für Kalifornien“ im Wien Museum ist derzeit aufgrund der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus noch geschlossen. Eine Wiedereröffnung wird für Sommer 2020 angestrebt.