German Design Award 2024
Refugium Lunz: Das Haus ist die Destination
Das neue Hotel Refugium Lunz überzeugt durch ein gekonntes Zusammenspiel aus Neuem und Altem und spielt architektonisch und tischlerisch "alle Stückeln". Diesen Umstand würdigte auch die Jury des German Design Awards 2024. Dieser wird jedes Jahr an Unternehmen vergeben, deren innovative Produkte und Projekte, nachhaltige Lösungen und State-of-the-Art im Design als wegweisend eingestuft werden. In der Kategorie "Excellent Architecture und Interior Architecture" ging der Award an Mayr & Glatzl für das Formdepot Kooperationsprojekt Refugium Lunz. Die Begründung der Jury: „Die für das Refugium Lunz entwickelte Ausstattung besticht mit einem interessanten Kontrast aus Vintage-Möbeln und hochwertigen Designobjekten. Eine interessante Mischung aus neu und alt, die in der historischen Architektur eine besondere Wirkung entfaltet.“
"Das perfekte Hotel"
Seit Joachim Mayr und Heinz Glatzl 2019 das leerstehende Haus am Kirchenplatz entdeckt und "kurzerhand" gekauft haben, ist viel passiert – Anfang 2024 wurde als "Sahnehäubchen" auch noch der begehrte Award „draufgepackt“: Am 31. März 2023 öffnete das Hotel Refugium nach fast vierjähriger Planungs-, Bau- und Sanierungsphase seine Tore. Damit ist das Mostviertel um ein in dieser Form für die Region einzigartiges Haus reicher. "Wir möchten mehr sein als just another Designhotel. Das soll ein Ort der Einkehr und Zuflucht sein – eben ein Refugium", erklärt Joachim Mayr seine Vision des "perfekten Hotels".
Haus mit Geschichte
Zur Erforschung der Geschichte des markanten Hauses am Kirchenplatz haben die Eigentümer sogar eine Historikerstudie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis offenbart viele interessante Details: Erwähnt wurde das Gebäude erstmals im 16. Jahrhundert, bis ca. 1800 fungierte es als Gasthaus und Herberge. Eigentümer waren sogenannte Proviantführer. Diese transportierten, verpflegten und beherbergten Bergleute, die zwischen dem Mostviertel und Eisenerz pendeln mussten. Im Laufe der Zeit waren im Haus unterschiedliche Geschäftslokale, zwischenzeitlich die Post, zuletzt ein Kaffeehaus untergebracht – und es wurde immer als Wohnhaus genutzt, bis es dann einige Jahre von den älter gewordenen Besitzern ungenutzt leer stand.
Traditionelle Sommerfrische
Ebenso wechselhaft wie die Geschichte des Hauses ist auch jene der Sommerfrisch in Lunz. "Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert war bei uns durchaus viel los, vergleichbar mit anderen Gegenden wie dem Mariazeller Land und dem Salzkammergut", erzählt Mayr. Den nächsten Boom erlebte die Gegend wieder Ende der 1960er bis Anfang der 1980er-Jahre, damals war die Zahl der Übernachtungen doppelt so hoch wie heute. Es gab 17 Gastronomiebetriebe, heute sind es sieben. "Ich habe als Kind den Höhepunkt des Tourismus im Ort erlebt, ebenso wie danach als Erwachsener die 30 Jahre des Niedergangs. Darum freut es mich besonders, dass wir einen Beitrag zu dem Aufwärtstrend des Tourismus in Lunz leisten können, der seit ein paar Jahren wieder spürbar ist", so Joachim Mayr.
Gut in Schuss
Aufgrund der Größe des Hauses hatte man anfangs gedacht, mit der vorhandenen Nutzfläche von rund 700 Quadratmetern gut zurecht zu kommen. "Als wir das Haus, das trotz des längeren Leerstandes grundsätzlich gut in Schuss war, 2019 gekauft haben, sind wir nur von sanften Renovierungsmaßnahmen ausgegangen. Aber im Laufe der vier Jahre haben sich die Pläne irgendwie verselbständigt, was die Größe und auch was das Investment betrifft", berichtet Mayr über die Entstehungsgeschichte. Im Endeffekt baute man nochmals rund dieselbe Fläche wie der Bestand dazu, hauptsächlich auf der Rückseite: Dazu wurde das Gebäude um ein komplettes Untergeschoß ergänzt, auf dessen Dach entstanden das neue Restaurant und die Terrasse mit Ybbs-Blick, die sich bis zum Spa-Bereich mit dem beheizten Außenpool zieht. Auf der Seite des Kirchenplatzes wurde der ehemalige Garten ins Haus integriert, hier finden sich eine Salonküche als eigenständiges Lokal für alle sowie die Hotelrezeption.
Gewachsenes Projekt
Das Projekt in Lunz, das für die Eigentümer ein ganz persönliches ist, ist mit der Zeit gewachsen und hat sich laufend verändert. Trotz oder gerade wegen einer "gewissen Blauäugigkeit", mit der man an das Ganze heranging, besticht das Hotel durch seine besondere Qualität bis ins letzte Detail. Das ist natürlich auch den Kenntnissen und handwerklichen Fähigkeiten aller Beteiligten geschuldet: Joachim Mayr absolvierte die Fachschule für Tischlerei und Tischlereitechnik in Mödling und besuchte im Anschluss von 1990 bis 1992 das College für Möbeldesign in Pöchlarn. Heute lebt er mit seiner Familie (wieder) in Lunz am See. Hier ist auch die von seinem Vater Hans Mayr gegründete Tischlerei ansässig, die der 50-Jährige mittlerweile leitet. Zudem ist er Teil des Duos M & G Innenarchitektur und Bauplanung: „Ich bin sehr gerne Tischler und ich bin sehr gerne Unternehmer“, so Mayr. Für die Innenarchitektur zeichnet Heinz Glatzl verantwortlich. Das Design ist eine Gemeinschaftsarbeit, in die Mayr und Glatzl auch ihre Mitarbeiter*innen und die Gewerke, die von Seiten des von ihnen gegründeten Handwerk- und Designkollektivs Formdepot mit dabei sind, einbezogen haben. Die Möbel wurden in der eigenen Tischlerei hergestellt, bei Treppen, Türen, Fenstern, Böden, Kaminen, dem Geschirr u.v.m. griff man auf die Mitglieder und Partner*innen des Kollektivs zurück.
Eiche und Lärche
In Sachen Stil spielen mehrere Richtungen zusammen, Alt und Neu wird geschickt kombiniert: Man findet traditionelle heimische Elemente ebenso wie Anlehnungen an den englischen und amerikanischen Landhaus-Schick sowie skandinavische Klarheit, wie z. B. im offenen Dachstuhl des Wellnessbereichs. Dieser ist aus Lärchenholz gefertigt, das Gebälk ist naturbelassen, die Verstrebungen sind weiß lasiert. Präsentestes Holz im Haus ist allerdings die heimische Eiche, zudem kommen die erwähnte Lärche, Fichte, Zirbe und spezielle Saunahölzer zum Einsatz.
Selbst gebacken
Ein besonderes Gusto-Stückerl und Beispiel, wie schön man Altes erhalten und ergänzen kann, ist die gemütliche Kaminstube. Hier war früher ein Kaffeehaus untergebracht, in dem stark geraucht wurde – entsprechend mitgenommen waren die Räumlichkeiten. Daher wurde der Verputz an den Wänden komplett abgeschlagen und die alte Mauer so originalgetreu wie möglich wieder hergestellt. Eine große Überraschung erlebte man bei der Abnahme der abgehängten Decke: Hier kam eine wunderschöne Tramdecke zum Vorschein. "Wir haben die Träger nur ganz sanft sandgestrahlt und in die Löcher in den Querbalken Stücke von Lärchenholz eingesetzt. Dieses wurden nicht gebeizt, sondern ich habe die Teile zuhause im Rohr bei 220 Grad so lange gebacken, bis sie im Farbton zum Bestand passten", beschreibt Mayr eine der vielen Feinheiten, die er in die Umbauarbeiten einbrachte. Die im alten Stil neu gebauten Fensterstöcke und Kastenfenster, die dunkelgrün gepolsterte, rundlaufende Bank, die Möblierung im klassischen Wirtshausstil sowie ein dunkler Schiffboden runden den Stil gekonnt ab.
Starker Kontrast
Einen starken Kontrast zur rustikalen Kaminstube stellt das komplett neu gebaute, moderne Restaurant dar, das hauptsächlich den Hausgästen vorbehalten sein wird. Der Dielenboden aus Eiche ist hier im Farbton heller, dafür sind Wände, Fensterrahmen und Möblierung dunkel gehalten, goldene Elemente setzen elegante Akzente. Blickfang ist die lange Bar mit ihrer dunkel gebeizten Verkleidung aus Eichenholz.
Schwarze Wände
Am Weg vom Restaurant in die Zimmer in den unteren beiden Etagen zieht ein eigens für das Hotel kreiertes Designelement die Blicke auf sich: Die Rede ist von raumhohen Wandpaneelen, bestehend aus schwarz lackierten und quer geschliffenen Leisten aus Fichtenholz. "Wir haben mehrere Kilometer Leisten in drei verschiedenen Breiten und sechs verschiedenen Stärken verbaut. Das Muster besteht aus 48 Teilen und wiederholt sich exakt alle 3,14 Meter", beschreibt Mayr diese handwerkliche Leistung, die hauptsächlich in Wochenendarbeit gemeinsam mit seiner Familie entstand. Damit die Täfelung natürlich und nicht zu gleichmäßig wirkt, zeichnete der Tischler einen exakten Plan für die weitläufige Wiederholung.
Jedes Zimmer ist anders
"Jedes unserer 23 Zimmer hat einen anderen Querschnitt und hat dadurch eine individuelle Ausstattung und Wirkung. Das ist das Schöne an einem alten Haus", erzählt Joachim Mayr. So haben die Zimmer im neu geschaffenen Untergeschoß alle einen kleinen Garten mit Blick auf die Ybbs, zum Teil sind sie mit Verbindungstüren versehen. In Sachen Design setzt man auf ein Gemisch aus Landhaus- und Industrial-Stil: Die mit Lärchenholz vertäfelten und weiß lasierten Wände wirken schlicht und gleichzeitig heimelig. "Ich liebe Lärchenholz, es ist für mich das schönste in unsere Region heimische Holz. Ich habe im Privaten auch hier im Hotel viel damit gearbeitet", ist Mayr begeistert. Besonders stimmig wirkt sein Lieblingsholz in Kombination mit den sandgestrahlten und in einem speziellen Grau eingefärbten Betonwänden. "Dieser Stilmix, diese Details – das ist unsere Stärke und M & G in Reinform." Auf der gleichen Etage findet sich ein weiterer Zimmer-Typ, der noch stärker dem "Industrial Style" frönt.
Modernes Landhaus
Geht man das Stiegenhaus in den alten Teil des Hauses hinauf, fühlt man sich "wie aus der Zeit gefallen". Das Geländer und die helle Wandvertäfelung erinnern an das ländliche Amerika. Die Zimmer sind ebenso hochwertig und originell, allerdings sind sie etwas rustikaler gehalten. Die Kopfteile der Betten sind z. B. aus Eichenholz in einem hellgrauen, "selbstgemischten" Ton lasiert, allgemein dominieren helle Farben, besonders schön sind die Lamperien an den Wänden. Auch diese Elemente wurden aus einer spontanen Eingebung kurz vor Weihnachten heraus geboren – und von Mayr in der eigenen Werkstatt umgesetzt. Sechs dieser Zimmer, die zum Teil zum Kirchenplatz, zum Teil zur Flussseite ausgerichtet sind, sind mit großen Daybeds ausgestattet, die bei Bedarf auch als Zusatzbett genützt werden können.