Willenserklärung
Gilt Schweigen als Zustimmung?
Ganz allgemein besteht ein Rechtsgeschäft aus Willenserklärungen – die zumeist durch einen Vertrag dokumentiert werden –, welche auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sind. Grundsätzlich werden die Willenserklärungen zweier Vertragsparteien benötigt, um Rechtsfolgen auszulösen. In bestimmten Fällen genügt dafür sogar eine einzige Willenserklärung. Es gilt das Prinzip der Privatautonomie, weshalb aus den Willenserklärungen grundsätzlich auch nur eine von den Parteien gewollte Rechtsfolge resultiert. In Ausnahmefällen kann eine Partei jedoch auch gegen ihren Willen an einen Vertrag gebunden sein, beispielsweise wenn diese die Willenserklärung zumindest fahrlässig gesetzt hat.
Arten der Willenserklärung
Es gibt unterschiedliche Arten von Willenserklärungen: die schlüssige, die stillschweigende oder die konkludente Willenserklärung. Bei der konkludenten Willenserklärung wird der Erklärungswert nicht durch Worte oder aus einem bestimmten Verhalten, sondern aus den allgemeinen Begleitumständen geschlossen. Es ist dabei aber streng darauf zu achten, dass die Handlung der Verkehrssitte, den üblichen Gebräuchen oder Gewohnheiten entspricht und somit eindeutig in eine bestimmte Richtung verstanden werden kann. Eine konkludente Willenserklärung kann auch durch Unterlassung – beispielsweise durch Schweigen – ausgelöst werden. Dabei darf aber das Schweigen generell nicht als Zustimmung gewertet werden, da diesem kein Erklärungswert beigemessen werden kann. Schweigen gilt also ganz grundsätzlich nicht als Zustimmung. In ganz bestimmten Konstellationen kann Schweigen jedoch als Zustimmung gewertet werden. Dies allerdings nur dann, wenn aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung (ständige Geschäftsbeziehung, vorvertragliche Schuldverhältnisse) eine Pflicht zum Widerspruch besteht, wenn es bis jetzt zwischen den Parteien so üblich war oder wenn das Rechtsgeschäft dem Schweigenden ausschließlich Vorteile bringt.
OGH 24. 03. 2021, 3 Ob 27/21y
Mit dem Thema, dass Schweigen als Zustimmung gewertet werden kann, beschäftigte sich der OGH in seiner Entscheidung 3 Ob 27/21y. Im Anlassfall beauftragte die Klägerin (AG) die Beklagte (AN) mit Bauarbeiten. Der Schätzungsanschlag betrug dabei 125.900 Euro. Nach Beginn der Arbeiten übermittelte die Beklagte der Klägerin per Mail eine genaue Kalkulation der Mehrleistungen im Ausmaß von 36.817 Euro, welche aus den – zwischenzeitlich geklärten – Unklarheiten bezüglich Planung und Statik resultierten. Die Beklagte führte dabei weiter aus, dass es zu keinerlei unbekannten Kosten oder Überraschungen während der Ausführungsphase kommen wird. Die Klägerin trat nach Erhalt der Mail nicht vom Vertrag zurück, sondern beglich die entsprechende Rechnung. Das Berufungsgericht beurteilte den Sachverhalt wie folgt: Das Mail der Beklagten sei so zu verstehen gewesen, dass diese die Richtigkeit des erhöhten Kostenvoranschlags gemäß § 1170a ABGB garantiere. Auch habe die Klägerin durch das Begleichen der Rechnung und das Nicht-Zurücktreten vom Vertrag die Mehrkosten schlüssig akzeptiert. Dies sei auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht korrekturbedürftig. Im konkreten Fall war daher – nach Ansicht des Berufungsgerichts – die Zahlung der Teilrechnung durch die Klägerin als schlüssige Zustimmung zu den ihr bekanntgegebenen Mehrkosten zu verstehen, da die Erklärung der Beklagten ausschließlich mit Vorteilen für die Klägerin verbunden war, da die Beklagte im E-Mail die Richtigkeit des (erhöhten) Kostenvoranschlags garantierte. Folglich war in dieser besonderen Konstellation das Schweigen der Klägerin hierzu – in Abweichung von der Grundregel, dass Schweigen auf ein Vertragsanbot prinzipiell weder Annahme noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung darstellt – als Zustimmung zu werten.
Fazit
Um Rechtssicherheit zu haben, ist im Zweifel eine Willenserklärung dem Schweigen jedenfalls vorzuziehen.