Werkvertrag mit Subunternehmer- und Gehilfenhaftung
In einer aktuellen Entscheidung vom 12. 7. 2016 zu 4 Ob 122/16v hat sich der OGH mit der Gehilfenhaftung auseinandergesetzt; insbesondere mit der Frage, ob das schuldhafte Verhalten eines Dritten dem Geschäftsherrn zuzurechnen sei. Ein kurzer Überblick:
Zur Gehilfenhaftung
Grundsätzlich haftet jeder nur für eigenes (Fehl-)Verhalten. Die Gehilfenhaftung ist die schadenersatzrechtliche Ausnahme. Das Gesetz sieht zwei verschiedene Formen der Gehilfenzurechnung vor. Die Zurechnung einer fremden Person als Erfüllungsgehilfe oder als Besorgungsgehilfe. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal ist, ob zwischen Geschäftsherrn und Geschädigten ein Vertrag besteht. Ist das der Fall, wird der Gehilfe als Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB zugerechnet; hier haftet der Geschäftsherr für jedes Verhalten der Gehilfen, die er zur Erfüllung des Schuldverhältnisses mit dem Geschädigten einsetzt, wie für eigenes. Der Sinn der Gehilfenhaftung ist, dass der Geschäftsherr nicht für „weniger“ haften soll, weil er Gehilfen tun lässt, was eigentlich er selbst tun müsste.
Zum Sachverhalt, OGH 12. 7. 2016, 4 Ob 122/16v
Im Jahr 2012 errichtete eine Wohnbaugenossenschaft (Bauherrin) eine Wohnanlage und beauftragte dabei die erstbeklagte Partei mit Sanitärinstallationsarbeiten, unter anderem mit dem Liefern und Versetzen von Sanitärwänden. Die Bauherrin verpflichtete sich gegenüber der erstbeklagten Partei, den erforderlichen Kran kostenlos beizustellen. Mit den Baumeisterarbeiten des Bauprojekts beauftragte die Bauherrin ein anderes Unternehmen. Auch gegenüber diesem Unternehmen verpflichtete sich die Bauherrin, den Kran beizustellen. Die erstbeklagte Partei beauftragte wiederum eine Subunternehmerin mit dem Liefern und Versetzen von Sanitärwänden, wobei sie sich gegenüber der Subunternehmerin verpflichtete, den für das Abladen und Versetzen erforderlichen Kran kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Der bei der Subunternehmerin beschäftigte Kläger wurde durch das Verschulden der Zweitbeklagten, ein Arbeiter des Baumeisters, auf der Baustelle verletzt. Der Unfall ereignete sich, als der Zweitbeklagte als Kranführer Sanitärelemente in den Rohbau heben wollte. Der Kläger begehrte den Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Gegenüber der erstbeklagten Partei stützte er seinen Anspruch darauf, dass er von den Schutzwirkungen des Vertragsverhältnisses zwischen der erstbeklagten Partei und der Subunternehmerin umfasst sei.
Aus den Entscheidungsgründen
Der OGH folgte der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Baumeister bzw. der dabei beschäftigte zweitbeklagte Kranführer unmittelbar in die Erbringung der werkvertraglichen Erfüllungshandlung der erstbeklagten Partei einbezogen wurde und diese daher für das Verschulden des Zweitbeklagten wie für ihr eigenes einzustehen hat. Hat ein Werkunternehmer nach vertraglichen Absprachen nicht nur eine bestimmte Werkleistung zu erbringen, sondern dafür auch eine Dienstleistung eines selbstständigen und weisungsfreien Dritten bereitzustellen und bezieht er diesen Dritten unmittelbar in die Erbringung der werkvertraglichen Erfüllungshandlung ein, so bedient er sich dieses Dritten zur Erfüllung seiner Leistungspflicht und hat daher für dessen Verschulden wie für sein eigenes einzustehen. Für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB ist somit maßgebend, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, d. h. ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich einbezogen war.
Fazit
Wenn der Werkunternehmer nach vertraglichen Absprachen nicht nur eine bestimmte Werkleistung zu erbringen hat, sondern dafür auch eine Dienstleistung eines selbstständigen und weisungsfreien Dritten bereitzustellen hat, haftet der Werkunternehmer für dessen Verschulden – sofern der Dritte in die Erfüllung der werkvertraglichen Pflichten miteinbezogen wurde – wie für sein eigenes.