Das Haus auf der Brücke
Von weitem sichtbar thront der hölzerne Kubus des Naturparkhauses auf der Klimmbrücke über dem Lech. Die einzigartige Lage bietet einen Rundumblick über eine der letzten Wildflusslandschaften nördlich der Alpen. Der minimale Grundstücksverbrauch sowie der Anspruch, das Gebäude klimaaktiv mit minimalem Energieverbrauch zu errichten, zollen dem Standort inmitten der Naturlandschaft Respekt. Das Haus auf der Brücke ist nicht nur Ausgangspunkt zahlreicher Führungen durch den Naturpark Tiroler Lech, sondern auch Sitz der Naturparkverwaltung und Informationszentrum. Mit dem Seminarraum und dem Labor wurde darüber hinaus aber auch ein neuer Veranstaltungsort für Vorträge und Seminare geschaffen. Im Outdoorbereich bietet der Naturparkspielplatz mit Balancierparcours, Kletterrutsche und Seilbahn den kleinsten Besuchern ausreichend Gelegenheit zum Austoben. Für Groß und Klein steht zudem seit vergangenem Sommer auch ein Naturparklabyrinth zur Verfügung, das der lebendigen Flusslandschaft mit ihren zahlreichen Verzweigungen und Wasserwirbeln nachempfunden ist.
Ökologischer Holzbau in naturnaher Landschaft
Seit dem Jahr 2000 gehört der Naturpark Tiroler Lech dem europaweiten ökologischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 an, das sich der Sicherung der Artenvielfalt durch Erhaltung natürlicher Lebensräume und wildlebender Tiere und Pflanzen verschrieben hat. 2004 erfolgte die Ernennung zum Naturpark Tiroler Lech, der sich eingebettet zwischen den beiden Gebirgsketten Lechtaler Alpen und Allgäuer Alpen über eine Fläche von knapp mehr als 41 Quadratkilometer erstreckt. Im Wesentlichen umfasst das Schutzgebiet den Wildfluss Lech samt seiner angrenzenden Überflutungszonen und Auwälder, den wichtigsten Seitenzubringern sowie Teilen der angrenzenden Bergmischwälder.
Der besondere Standort stellte natürlich auch besondere Anforderungen an das neu zu errichtende Naturparkhaus, die vom Architekturbüro Walch mit Sitz im Tiroler Reutte in Form eines Holzbaus auf dem ebenfalls hölzernen Brückentragwerk gelöst wurden. Für den Holzbau selbst zeichnet das Holzbauunternehmen Saurer aus Höfen in Tirol verantwortlich.
Spektakulärer Brückenschlag
Bereits bei der Errichtung der Klimmbrücke im Jahr 2002, welche die Gemeinde Elmen mit dem Ortsteil Klimm verbindet, hat sich das unternehmerische Duett Armin Walch Architektur und Holzbau Saurer bewährt. Die Brücke wurde nahezu vollständig aus dem Naturwerkstoff Holz errichtet. Die 42 Meter lange freigespannte Konstruktion in Form eines Holzfachwerk macht’s möglich und erfüllt nicht nur die statischen Erfordernisse, sondern auch alle gestalterischen Anforderungen an eine Landmark. Durch ein Hochwasser im Jahr 2005 trat der Lech über die Ufer und änderte seinen Lauf. Was blieb, war ein wesentlich breiteres Flussbett im Bereich der Klimmbrücke. Die Brücke musste um 35 Meter verlängert werden.
Als der Beschluss gefasst wurde, ein Naturparkhaus zu errichten, wurde lange nach einem perfekten Platz gesucht. Die Idee des Architekten, das Verwaltungszentrum des Naturparks schließlich mitten in das Flussbett auf die Klimmbrücke zu setzen, war letztendlich so überzeugend, dass sowohl die rechtlichen als auch die finanziellen Hürden überwunden werden konnten. Die außergewöhnliche Architektur und die spektakuläre Lage mitten auf der Brücke verleihen dem Naturparkhaus ein Alleinstellungsmerkmal, das auch einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Vermarktung des Naturparks leistet.
Außergewöhnliche Konstruktion
Bauherr des – der Baukörper ist nur knapp 212 Quadratmeter groß – vergleichsweise kleinen Gebäudes ist die Gemeinde Elmen. Sie verpachtet das Haus an den Naturpark Tiroler Lech, der seinerseits das Gebäude nicht nur als Verwaltungszentrum, sondern auch als Zentrum für Naturinteressierte und als Ausgangstreffpunkt für Wanderungen in den Naturpark nutzt. Abgerundet wird die Nutzung durch ein umfassendes Seminar- und Vortragsprogramm.
Das in Holzrahmenbauweise errichtete Gebäude sitzt auf einer Stahlplattform und wurde im Niedrigenergiehausstandard gebaut. Hochgedämmte Boden-, Wand- und Deckenelemente wurden aus baubiologisch unbedenklichen Baumaterialien hergestellt. Alle Verglasungen im Bereich der Außenhülle sind als Dreifachverglasungen ausgeführt. Das Dach ist extensiv begrünt und dient der landschaftlichen Integration des Gebäudes in die Umgebung. Die vertikale Erschließung des Gebäudes erfolgt über eine in Stahlbau errichtete Freitreppe vom Niveau der Straßenebene der Brücke. Der barrierefreie Zugang ist über einen zusätzlich errichteten Lift in Massivholz gewährleistet. Die äußerste Verschleißschicht besteht aus Lärchenholz, die im Laufe der Zeit vergrauen wird und sich gemeinsam mit dem Gründach perfekt in die Landschaft integriert. Am Brückentragwerk sind Strom, Wasser und Kanalisation befestigt, an die die Ver- und Entsorgung des Gebäudes anschließt.
Solider Sockel
Um das rund 300 Tonnen (400 Tonnen unter voller Schneelast) schwere Gebäude tragen zu können, mussten die beiden bestehenden, mittleren Brückenwiderlager in der Insel sowohl flussaufwärts als auch flussabwärts um eine rund ein Meter breite Betonwand bis zur Fundamentsohle verstärkt werden. Diese beiden Wände dienen der Lastaufnahme des Naturparkhauses, gleichzeitig verstärken sie aber auch die statische Tragwirkung für den gesamten Brückenbaukörper. Unter diesem Stahlbetonriegel wurden zudem Pfahlgründungen hergestellt. Von den Eckpunkten der neuen Widerlagerwände ragen insgesamt zwölf Stück schräge Stahlstützen zur über dem Tragwerk liegenden Stahlplattform, die den Boden des neuen Naturparkhauses bildet. Damit gibt es keine statische Verbindung zwischen dem Holztragwerk der Brücke und dem über der Brücke „schwebenden“ Haus. „52 Mikropfähle, die rund zehn Meter in das Flussbett des Lechs gerammt wurden, bilden das statische Fundament des Hauses. Die Stahlkonstruktion der Tragplatte selbst wiegt zirka 30 Tonnen. Die zwölf Stahlsäulen in den Ecken müssen rund 400 Tonnen inklusive Schneelast in den
Untergrund abtragen“, erklärt Architekt Armin Walch.
Energieautark
Nicht nur die Architektur und die Konstruktion des Naturparkhauses sind außergewöhnlich, auch das energetische Konzept ist überaus innovativ. So produziert das Gebäude während des Betriebs mehr Energie, als es tatsächlich verbraucht. Dafür verantwortlich ist unter anderem eine zirka 130 Quadratmeter große Photovoltaikanlage mit einem jährlichen Gesamtstromertrag von rund 19.000 Kilowattstunden. Zusätzlich liefert eine Wärmepumpe mit 130 Laufmetern Erdsondenbohrungen die notwendige Energie für die Beheizung im Winter. Der Strombedarf der Wärmepumpe wird natürlich auch über die Photovoltaikpaneele gespeist.
Der jährliche Gesamtenergieverbrauch des Hauses beträgt 7.872 Kilowattstunden, die ausschließlich auf Basis regenerativer Ressourcen produziert werden. Auf fossile Energieträger umgerechnet, entspricht das einem Verbrauch von rund 790 Litern Heizöl. Dieses Heizöläquivalent entspricht einem Ausstoß an Kohlendioxid von knapp mehr als 2.000 Kilogramm. Damit spart das Naturparkhaus rund die Hälfte an Energie im Vergleich mit einem konventionellen Gebäude.
Die Architektur und die energetisch Performance des Naturparkhauses wurden bereits mit zwei der bekanntesten und heißbegehrten Auszeichnungen gewürdigt. So erhielt das Gebäude in diesem Jahr nicht nur den Tiroler Holzbaupreis 2015, sondern wurde im vergangenen Jahr mit 950 von 1.000 möglichen Punkten mit dem klima:aktiv-Zertifikat in Gold ausgezeichnet.
Bautafel
Naturparkhaus Klimmbrücke
Klimm 2, 6644 Elmen
Bauherr Gemeinde Elmen
Architektur Architektur Armin Walch ZT GmbH, Reutte
Statik Nessler Ziviltechniker, Reutte
Ausführung Holzbau
Saurer, Höfen
Baubeginn 2013
Fertigstellung 2014
Nettonutzfläche 250 m2
Umbauter Raum 1.230 m3