Frauen im Handwerk
Ein starkes Stück
Corona greift weiter um sich: Noch immer leiden viele Branchen stark unter den Folgen der Krise. Auch zahlreiche Tischlerbetriebe wurden vor bisher nie da gewesene Herausforderungen gestellt, wobei sie lange als "Gewinner der Pandemie" galten. Ein womöglich vorschnelles Urteil, denn auch die holzverarbeitende Branche steht aufgrund von Lieferengpässen und Holzknappheit derzeit auf einem wackeligen Fundament. Zeit, sich umzuorientieren: Die krisenbedingten Folgen, ökonomische und gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und die aufkommenden Debatten zum Thema Nachhaltigkeit haben auch die Tischlerin Johanna Starkl zum Nach- und Umdenken angeregt. Sie begriff die Krise als Chance und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit.
Abseits virtueller Projektionen
Wenngleich Johanna Starkl schon früh eine Affinität für das Handwerk entwickelte, entschied sie sich nach der Matura zunächst für ein Studium in Industrial Design an der FH Joanneum in Graz. Eine wertvolle Erfahrung, wie sie heute sagt. Dennoch habe sie später erkennen müssen, dass die berufliche Realität eines Designers stark von der eines Design-Studenten abweiche: "Im Studium ist noch vieles in echter Handarbeit entstanden. Später im Berufsleben saß ich dann nur mehr am Computer. Alles passiert rein virtuell und die Kreativität wird quasi im Keim erstickt. Kaum ist das eine Projekt fertig, kommt schon das nächste. Ich war ein Hamster im Rad – es war schrecklich." Nach zwei Jahren habe sie der Designbranche dann den Rücken gekehrt und zog nach Sizilien, wo sie längere Zeit auf einem Bauernhof lebte. "Ich war dort in meinem Element", erinnert sich Starkl. "Die Arbeit auf dem Hof hat alles verändert – da habe ich begonnen, meinen ganz eigenen Weg zu gehen." Zurück in Österreich, nahm sie bei "FiT – Frauen in der Technik" teil, einem Förderprogramm des Arbeitsmarktservices (AMS), welches sich speziell an Frauen wendet, die sich auf dem zweiten Bildungsweg in einer männerdominierten Branche ausbilden lassen möchten. Während eines Praktikums bei einer Wiener Tischlerei habe Starkl dann die Liebe für das Handwerk entdeckt und schlussendlich an der HKFL Berufsschule in Wien eine Lehre zur Tischlerin absolviert. Ein mutiger Schritt, welcher der jungen Frau neue Horizonte eröffnete: "Die Arbeit mit dem Holz erdet mich, es ist ein wahrer Genuss!"
Auf dem Boden der Tatsachen
Die Ausbildung zur Tischlerin habe ihren Blick auf das Leben nochmals geschärft, wie Starkl heute berichtet. So habe sie früher als Designerin noch viel mehr Wert auf Äußerlichkeiten legen müssen: "In der Design-Branche geht es zum Teil oberflächlich zu. Ich empfand das als sehr anstrengend und ich habe mich in dieser elitären Welt auch nie ganz wohl gefühlt. Da gilt noch immer: Sehen und gesehen werden", erklärt Starkl. "All das interessiert im Handwerk nicht. Da kümmert sich niemand darum, wie du aussiehst. Das holt einen sehr schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich finde das sehr angenehm – dann nimmt man sich selbst und auch den anderen weniger ernst. Das erleichtert die Arbeit ungemein." Gleichzeitig habe sie jedoch auch viel Positives aus ihrer Zeit als Designerin mitnehmen können. So sei es Starkl etwa möglich, experimentelle Entwurfsansätze aus dem Industrial Design auf das Tischlerhandwerk zu übertragen. "Ich glaube, dass ich einen sehr freien Zugang zum Tischlerhandwerk habe, deswegen ist jedes meiner Werkstücke auch individuell gestaltet. Generell bevorzuge ich helle Hölzer und öle auch gerne in Weiß, dann dunkelt das Holz weniger nach und behält seine authentische Farbe. Ich mag Holz gerne pur und ohne Rüschen – das unterstreicht für mich das Wesen des Materials", so die Tischlerin über ihre Arbeiten.
Weg in die Selbständigkeit
Mit dem Ausbruch der Pandemie beschloss Johanna Starkl, sich selbstständig zu machen. Ein gewagter Schritt in unsicheren Zeiten: "Der Weg in die Selbstständigkeit ist keine leichte Aufgabe, insbesondere wenn man davor in einem Angestelltenverhältnis war. Diese Komfortzone gibt es dann nicht mehr", gibt Starkl zu bedenken. Zusätzlich sei sie auch immer wieder mit geschlechterspezifischen Rollenbildern konfrontiert: "Wenn man als junge Frau in dieser Branche arbeitet, stößt man immer wieder auf Widerstand. Dennoch muss ich offen gestehen, dass ich manches Mal auch überreagiere, wenn jemand mir gegenüber einen ungeschickten Kommentar fallen lässt. Da darf ich noch gelassener werden." Auch sonst sei sie immer wieder aufs Neue gefragt, sich selbst zu reflektieren und sich etwa von gesellschaftlichen Konventionen und fremden Meinungsbildern zu befreien – denn der Weg in die Selbstständigkeit lasse immer auch mehrere Optionen offen. Starkl denkt daher darüber nach, das eigene Portfolio um weitere Tätigkeitsfelder und Produkte zu erweitern: "Mein Herz gehört dem Handwerk, das ist ganz klar. Dennoch muss das eine das andere nicht ausschließen. Eine Tischlerei kann auch ein Heuriger sein oder ein Café mit einer offenen Werkstatt. Ich denke, dass solche und andere Mischnutzungen in Zukunft stark im Kommen sein werden."