FRAUEN IM HANDWERK
Mut zur Veränderung
Kaun kann Krise – das hat die im Jahr 1911 gegründete Bau- und Möbeltischlerei nach zwei Weltkriegen, mehreren Wirtschaftskrisen und nicht zuletzt während Corona mehrfach unter Beweis gestellt. Mehr als 110 Jahre ist es nun her, dass die Brüder Franz und Josef Kaun den familieneigenen Betrieb im oberösterreichischen St. Florian nahe Linz gründeten. Seitdem haben sich mehrere Generationen dem Tischlerhandwerk im Wohnbau und in der Wohnraumgestaltung verschrieben – mit Erfolg. Heute beschäftigt Ulrike Reischl-Kaun, welche den Betrieb seit über zwanzig Jahren führt, rund hundert Mitarbeiter*innen. Seit jeher setzt sich die Tischlermeisterin und Kunsthistorikerin für eine Sichtbarmachung der Frauen im Tischlerhandwerk ein. So suchte sie nach der Übernahme der Geschäftsführung im Jahr 1999 neue Wege, führte den Namenszusatz "die Tischlerin“ im Firmennamen ein und setzte auf flache Hierarchien im Unternehmen. Letzteres bewog auch Caroline Fraundorfer, eine Lehre bei Kaun aufzunehmen. Sie schätzt das hohe Maß an Eigenverantwortlichkeit und die Kreativität im Betrieb: "Wir begegnen einander auf Augenhöhe, und wenn es Probleme gibt, können wir immer miteinander reden“, so die junge Tischlerin.
Frühe Liebe zum Handwerk
Schon früh entdeckte Fraundorfer ihre Affinität für handwerkliche Tätigkeiten: Als junges Mädchen half sie regelmäßig in der elterlichen Landwirtschaft aus und bemerkte dabei, wie gerne sie mit den Händen arbeitet. Während eines Schülerpraktikums in der Werkstätte bei Kaun habe sie dann ihre Liebe zum Tischlerhandwerk entdeckt. Nach Beendigung der Mittelschule im Jahr 2013 entschloss sie sich im Alter von fünfzehn Jahren, dort eine Lehre zur Möbeltischlerin zu absolvieren. Kein leichtes Unterfangen, wie Fraundorfer berichtet: "Die ersten Wochen waren ganz schön hart. Die Anforderungen, die an mich gestellt wurden, waren sehr hoch. Es hat ein paar Wochen gedauert, bis ich mich zurechtgefunden habe – immerhin war ich damals mit Abstand die Jüngste im Betrieb. Alles war fremd und neu, das war nicht immer leicht.“ Sie habe jedoch nie den Eindruck gehabt, ihr Können gegenüber ihren männlichen Kollegen unter Beweis stellen zu müssen. So sei sie von Anfang an voll akzeptiert worden – auch in der Familie und im Freundeskreis habe sie durchweg positive Rückmeldungen erhalten: "Natürlich zeigen sich manche überrascht, wenn ich erzähle, dass ich Tischlerin bin – denn die Branche ist noch immer stark männerdominiert. Davon habe ich mich jedoch nie verunsichern lassen – zumal ich immer sehr viel Zuspruch erhalte.“
Mit Expertise und Geduld
Nach Abschluss der Lehre im Jahr 2016 war Fraunhofer zunächst in der Möbelfertigung bei Kaun tätig. Nach den lehrreichen Jahren in der Werkstatt verspürte sie vor rund zwei Jahren den Wunsch nach Veränderung: "Für mich waren die Jahre im Möbelbau sehr wertvoll, da habe ich alles gelernt, was für mich als Tischlerin wichtig ist. Dennoch habe ich nach einiger Zeit gemerkt, dass ich mehr Abwechslung brauche.“ Anfang 2019 wechselte sie daher in den betriebseigenen Servicedienst von Kaun – eine abwechslungsreiche und zugleich herausfordernde Arbeit, welche ein breites Expertenwissen und viel Geduld erfordere. Oft wissen die Tischlerin und ihr Team erst am späten Abend, wohin es am nächsten Tag gehen soll – wobei es häufig darum gehe, ältere Fenster oder Türen abzudichten, instand zu setzen oder zu ersetzen. Es sei jedoch nicht immer leicht zu entscheiden, ob sich die Erneuerung eines Fensters oder einer Tür überhaupt noch lohnt: "Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Dazu zählen die Art und die Beschaffenheit des Materials sowie der Beschläge, Abnutzungserscheinungen, Imperfektionen und die Einbausituation. Ich als Tischlerin muss jedes Mal einen kühlen Kopf bewahren, mein ganzes Wissen einbringen und recht schnell entscheiden, was zu tun ist. Grundsätzlich bemühen wir uns aber, das Fenster oder die Tür zu retten – sofern das eben möglich ist.“
Herausfordernde Zeiten
Abseits der Herausforderungen im handwerklichen Alltag sah man sich auch bei Kaun mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und den damit verbundenen Hürden rund um Lieferverzögerungen und Rohstoffknappheit konfrontiert. Caroline Fraundorfer empfand die letzten Monate als besonders fordernd. Zwar sei es ihr trotz mehrerer Lockdowns weiterhin möglich gewesen, zum Kunden zu fahren – dennoch kam es zuletzt häufiger vor, dass Termine verschoben oder ganz abgesagt werden mussten: "Das war für uns alle sehr kräftezehrend – schließlich haben auch wir unter den Lieferengpässen gelitten. Wenn bestellte Geräte oder Materialien nicht rechtzeitig kamen, waren uns schlichtweg die Hände gebunden. Uns blieb dann oft nichts anderes übrig, als Termine bis auf Weiteres abzusagen“, berichtet Fraundorfer. Die Kommunikation mit den Kunden sei in den letzten Monaten nicht immer leicht gewesen – da sei sehr viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefragt. Die Entscheidung, die Werkbank gegen den Werkzeugkoffer zu tauschen, hat die junge Tischlerin jedoch zu keiner Zeit bereut. So freut sie sich auf die kommenden Jahre im Service und auf die Möglichkeit, ihr Wissen zu erweitern und sich in der Kommunikation mit den Kunden zu üben. "Ja, es ist hart und man braucht ein dickes Fell. Oft weiß ich gar nicht, was mich erwartet – das ist aber auch das Tolle an meinem Beruf. Jeder Tag ist anders, und mit jedem Problem, das ich gelöst habe, bin ich wieder ein Stück gewachsen.“
Mehr Informationen:
www.kaun.at