Holzbau

Hölzerne Argumente

Holzbau
26.03.2024

Der Plan der Regierung, aus ökologischen Gründen den Holzbau zu forcieren, stößt auf Widerstand. Kritik kommt aus der Bauwirtschaft und von Experten. Das wesentliche Argument: Der Baustoff Holz ist gar nicht so grün wie oftmals behauptet wird.

Wenn es um die Nachhaltigkeit geht, hält Werner Sobek nichts davon, bestimmte Baustoffe zu verteufeln. „Es gibt keine guten und keine bösen Baustoffe“, meint der gebürtige Deutsche und Wahlwiener, der zu den weltweit renommiertesten Architekten und Ingenieuren zählt und seit Jahren mit Nachdruck auf eine Ökologisierung des Bauwesens drängt. „Es gibt nur Baustoffe, die für den konkreten Einsatzzweck besser oder eben weniger gut geeignet sind als andere. Anders gesagt: Es geht darum, für den Einzelfall jeweils den besten Baustoff zu wählen“, so Sobek vor kurzem im exklusiven Interview mit der Bauzeitung.

Fachleute wie Sobek dürften sicher daher gewundert haben, als vor einigen Monaten die österreichische Bundesregierung – vertreten durch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖV) und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) – ihren 3-Punkte-Plan zur „Förderung und Stärkung des Holzbaus in Österreich“ bekannt gab. „Mit Holz bauen wir nicht nur Häuser, sondern auch eine starke und nachhaltige Zukunft. Der Bau und der Betrieb von Gebäuden ist derzeit für 36 Prozent der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um diese Emissionen zu reduzieren, werden wir künftig CO2-intensive Baustoffe verstärkt durch Holz aus Österreich ersetzen“, meinte Totschnig.

Baustoff-Ratgeber kommt

Gewessler pflichtete ihm bei: „Holz ist ein nachhaltiger und nachwachsender Baustoff, der unser Klima schützt und in den Gebäuden für ein gesundes Raumklima sorgt.“, meinte die Klimaministerin. „Wir fördern daher den Einsatz von Holz als nachhaltigen Rohstoff im großvolumigen Wohnbau sowie in öffentlichen Bauten und in der Infrastruktur. Das ist ausbaufähig. Und ich freue mich, dass wir hier gemeinsam den Holzbauanteil weiter stärken wollen."

Bei den Vertretern der heimischen Bauwirtschaft stößt die Verlautbarung der beiden Minister*innen auf Unverständnis. „Wir Bauschaffenden sind sehr verwundert über den Holzbauplan der Bundesregierung – und gehen davon aus, dass es in Kürze eine Korrektur dieser Forderung gibt“, meint Robert Jägersberger, Obmann des Österreichischen Baumeisterverbands (ÖBV). „Den einen richtigen Baustoff für alle Bauprojekte gibt es nicht. Die Entscheidung ist immer abhängig von der Art sowie den Funktionsanforderungen des Bauprojekts, welche natürlich auch die ökologischen Rahmenbedingungen unter Betrachtung des gesamten Lebenszyklus miteinschließen müssen.“

Der Baumeisterverband hat angekündigt, demnächst einen „Baustoff-Ratgeber“ zu veröffentlichen, der die wichtigsten Fakten zu den verschiedenen Baustoffen „als Entscheidungsgrundlage unter Betrachtung aller technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte“ zusammenfasst. „Eine einseitige politische Forcierung eines bestimmten Baustoffs ist im Hinblick auf die notwendige Berücksichtigung aller Kriterien unsinnig und kontraproduktiv“, so der Baumeisterverband. Obmann Jägersberger appelliert appelliere an die politisch verantwortlichen, „Partialinteressen der Forstwirtschaft und ideologische Scheuklappen beiseite zu lassen, sondern bei der Wahl der richtigen Baustoffe eine unvoreingenommene Entscheidung nach sachlichen Kriterien zu ermöglichen.“

Ähnlich äußert sich der Verband der Österreichischen Beton- und Fertigteilwerke (VÖB). „Die grundlegende Voraussetzung für ein nachhaltiges Bauen der Zukunft müssen die Gleichbehandlung aller Baustoffe und die volle Nutzung ihrer Potenziale sein“, so der VÖB in einem Statement. Dessen Geschäftsführer Anton Glasmeier ergänzt: „Das Bauen in Österreich befindet sich momentan in einem umfassenden Transformationsprozess. Da gilt es, gewaltige Nachhaltigkeitspotenziale aller Baustoffe völlig auszuschöpfen.“

Die Vertreter der Bauwirtschaft widersprechen dem wesentlichen Argument, dass die Befürworter des Holzbaus verwenden: „Die Errichtung von Gebäuden aus Holz verursacht deutlich weniger CO2 als die Errichtung von Gebäuden aus mineralischen Baustoffen“, argumentiert beispielsweise das Landwirtschaftsministerium. Es verweist dabei auf das Beispiel eines sechsgeschossigen Wohnbaus mit 53 Wohnungen in Wien, bei dem die CO2-Reduktion gewaltige 93 Prozent betragen habe.

Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) verweist auf einen „grundlegenden“ Denkfehler in dieser Argumentation. In der Ökobilanzierung wird in Österreich folgende Rechnung vorgenommen: „Von dem CO2-Ausstoss, den die Produktion von einem Kubikmeter Holz verursacht – das Holz muss ja gefällt, transportiert und bearbeitet werden – zieht man rund 900 Kilogramm CO2 ab. Und zwar mit der Begründung, dass der Wald der Atmosphäre zuvor in diesem Ausaß CO2 entzogen habe.“ Dabei, so Spaun weiter, werde allerdings ein wichtiges Faktum unterschlagen: „Wenn das Holz am Ende seiner Lebensdauer verbrannt wird oder einfach nur verrottet, gibt es die gleiche Menge CO2 wieder an die Atmosphäre ab. Das wird in der Berechnung nicht berücksichtigt.“

Ohne derartige „Zahlenspielereien, unterscheidet sich laut Spaun die CO2-Bilanz von Holz nicht wesentlich von jener anderer Baustoffe. Diese Aussage wird durch eine gemeinsame Studie untermauert, die vor einigen Jahren von fünf ungleichen Partnern durchgeführt worden ist – dem Bautechnischen Institut Linz, der Bautechnischen Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg, der Holzforschung Austria, dem Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik und dem Forschungsinstitut der VÖZ. Ziel der Kooperation war es, die Ökobilanz der wichtigsten Bauweisen zu ermitteln, die in Österreich im Einsatz sind. Untersucht wurden Ziegel-, Beton-, Holzspanbeton- und Holzbauweise. Das für die Befürworter des Holzbaus durchaus ernüchternde Ergebnis: Die Unterschiede waren deutlich geringer als erwartet. „Insgesamt zeigt sich, dass die verwendeten Baustoffe kaum einen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben“, so das Fazit der Studie.

Ein weiteres Argument, das die Kritiker des Holzbau-Offensive der Regierung ins Feld führen, betrifft die wichtige Funktion der heimischen Wälder für den Klimaschutz. In den Jahren 2018 und 2019 wiesen sie erstmals eine negative CO2-Bilanz aus. Das bedeutet: Durch die Bewirtschaftung der Wälder wurde mehr CO2 ausgestoßen als diese binden konnten. Bei einer Forcierung des Holzbaus könnte dies dauerhaft der Fall werden, so die Befürchtung. 

Peter Thalbauer, ein Wiener Architekt, der sich intensiv mit der Nachhaltigkeit der verschiedenen Baustoffe befasst, kommt zu einer pragmatischen Lösung: Der nachhaltigste Baustoff ist der, der gar nicht erst verbaut wird“, so Thalbauer. „Aus ökologischer Sicht sollte der Fokus daher auf Sanierung, Adaption und Nachnutzung gelegt werden.“

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