Judikatur-Update zur Prüf- und Warnpflicht
In einer aktuellen Entscheidung vom 13. 10. 2016 zu 7 Ob 152/16b hat sich der OGH mit der Prüf- und Warnpflicht auseinandergesetzt; insbesondere mit der Frage, ob der Werkunternehmer davor warnen hätte müssen, dass die von einem anderen Unternehmer erbrachte Werkleistung – die sich negativ auf das eigene Werk auswirken könnte, aber keine Vorleistung im eigentlichen Sinn darstellte – mangelhaft ist. Ein kurzer Überblick:
Zur Warnpflicht
Gemäß § 1168a ABGB ist der Unternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffs (hierzu zählen auch Vorarbeiten eines anderen Unternehmers, auf denen der Werkunternehmer aufbauen muss) misslingt und er den Besteller nicht gewarnt hat. „Offenbar“ im Sinn der zitierten Gesetzesstelle ist alles, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss, wobei der Unternehmer für die Anwendung der in seinem Beruf üblichen Sorgfalt regelmäßig als Sachverständiger (§ 1299 ABGB) in seinem Bereich anzusehen ist, sodass er die üblichen Branchenkenntnisse zu gewährleisten hat. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich jeder Vertragspartner so zu verhalten, wie es der andere in der gegebenen Situation mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwarten darf, damit die Erreichung des Vertragszwecks nicht vereitelt, sondern erleichtert und Schaden verhütet wird.
Zur Entscheidung OGH 13. 10. 2016, 7 Ob 152/16b
Im gegenständlichen Fall wurde die beklagte Baumeisterin im Zuge einer Haussanierung mit der Errichtung der Wärmeschutzfassade beauftragt; mit der Sanierung der Terrasse oberhalb des Wohnzimmers wurde ein Fliesenleger beauftragt. Nach Anbringung der Terrassenabdichtung durch den Fliesenleger und noch vor dem Aufkleben der Fliesen durch ihn begann die Beklagte mit der Anbringung der Wärmedämmplatten im Anschluss an den unteren Aufbau der Terrasse. Die Mitarbeiter der Beklagten überzeugten sich nicht, ob die Abdichtung der Terrasse auf der Oberseite ordnungsgemäß durchgeführt wurde; dabei hätten sie bei optischer Kontrolle der noch freiliegenden (Alternativ-)Abdichtung aufgrund des Erscheinungsbilds erkennen können, dass keine den Regeln der Technik entsprechende Abdichtung hergestellt wurde. Die Feuchtigkeitsisolierung erfüllte über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren ihren Zweck, dann wurde sie jedoch undicht. Die Vorinstanzen verpflichteten die beklagte Partei zur Zahlung von Schadenersatz, da die Beklagte eine Verletzung der Warnpflicht zu verantworten habe.
Zu den Entscheidungsgründen
Der OGH stellte fest, dass es sich bei den Werkleistungen des Fliesenlegers und der Beklagten um zwei getrennte Gewerke handelt. Die Wärmedämmarbeiten stehen in keinem technischen Zusammenhang mit der vom Fliesenleger geschuldeten Terrassenabdichtung. Die Arbeiten der Beklagten spielten für die Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Wasserableitung von der Terrasse keine Rolle; ihre Tätigkeit hat auch nicht zu deren Misslingen beigetragen. Allein daraus, dass sich das Gewerk eines anderen Unternehmers nachteilig auf das eigene Gewerk auswirken kann, wenn es nicht ordnungsgemäß ausgeführt wird, folgt noch keine Prüfpflicht des Werkunternehmers. Die von der ständigen Rechtsprechung anerkannte Kooperationsverpflichtung (gegenseitige Aufklärungs- und Kontrollpflichten) bestand ebenso wenig wie eine allgemeine Prüfpflicht betreffend die Arbeiten des Vormanns, da die Beauftragungen der Beklagten und des Fliesenlegers nicht die Herstellung eines gemeinsamen Werks zum Ziel hatten. Die Beklagte hat den Schaden nicht zu verantworten.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Prüfpflicht nicht auf sämtliche Werke des Vormanns erstreckt. Ihre Grenzen liegen dort, wo das Folgewerk nicht von der Vorleistung abhängig ist und ein „technischer Schulterschluss“ nicht gegeben ist.