Carbon Capture Storage

Die CO2-Lagerung kommt

CO2-Fußabdruck
10.07.2024

In Ausgabe 9/2024 hatte die Bauzeitung über eine vertrauliche Studie des Klimaschutzministeriums berichtet. Deren Vorschläge wurde nun angenommen: Der Ministerrat hat beschlossen, das Verbot zur CO2-Speicherung aufzuheben. Die Industrie reagiert erleichtert.
VÖZ-Präsident Berthold Kren und Geschäftsführer Sebastian Spaun.

Die Nachricht hatten sie erwartet – die Erleichterung war dennoch in jeder Zeile des Schreibens zu spüren: Die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) begrüße das „Bekenntnis“ der Bundesregierung „zur Carbon-Management-Strategie“, hieß es Ende Juni in einem Statement der Interessenvertretung. Tags zuvor hatte VÖZ-Präsident Berthold Kren, zugleich Österreich-Chef des Zementkonzerns Holcim, noch auf einer Pressekonferenz gemeint, bislang könne man nur von „Rekarbonisierung by Power Point“ sprechen.

Exklusivbericht der Bauzeitung

Worum geht es im Detail? Die Bauzeitung hatte in ihrer Ausgabe 9/2024 exklusiv über eine vertrauliche Studie berichtet, die im Auftrag des Klimaschutzministeriums erstellt worden ist. Diese Studie befasst sich mit dem Thema Carbon Capture, auf Deutsch: CO2-Abscheidung. Dabei wird das CO2, das bei der Produktion in einer Industrieanlage entsteht, aus der Luft gefiltert und verflüssigt. Diese Technologie ist vor allem für Industrien relevant, die auch bei größten Anstrengungen nicht völlig um CO2-Emissionen herumkommen. Dazu zählen die Hersteller von Kalk und Feuerfestprodukten – oder eben Zement. In Ihrer Roadmap zur CO2-Neutralität bis zum Jahr 2050 hat die österreichische Zementindustrie dargelegt, mit welchen Maßnahmen sie dieses Ziel erreichen will: 44 Prozent der CO2-Reduktion soll durch Carbon Capture erzielt werden.

Es gibt allerdings ein veritables Problem, das in der besagten Studie des Ministeriums beleuchtet wird: Wohin mit dem abgeschiedenen CO2? Die EU setzt für die kommenden zehn Jahre auf die Lagerung weit unter der Erdoberfläche oder unter dem Meeresspiegel. Experten sprechen von Carbon Capture and Storage (CCS). In der Nordsee und im Mittelmeerraum wird bereits intensiv an der Errichtung derartiger Lagerstätten gearbeitet. Die erste soll 2025 vor der norwegischen Küste in Betrieb gehen.

Auch die österreichische Zementindustrie würde liebend gerne, einen Teil ihres abgeschiedenen Kohlendioxids dort unterbringen. Das wirft aber eine zweite Frage auf: Wie kommt es dorthin? Darauf gibt es laut Fachleuten nur eine wirklich praktikable Antwort: mit einer Pipeline. Daraus ergeben sich Frage drei und vier. Was kostet sie? Und wie lange dauert es, bis sie fertig ist? Die brisante Machbarkeitsstudie des Ministeriums gibt darauf klare Antworten. Sie taxiert die Errichtungskosten auf rund 5 Milliarden Euro. Und selbst, wenn man in Österreich unverzüglich mit dem Aufbau der Pipeline beginnen würde, wäre eine Anbindung an das transeuropäische Netz erst zwischen 2033 und 2037 möglich.

Diese Erkenntnis führt zu Frage Nummer fünf: Was macht man bis dahin? Auch dafür hat die Studie eine Lösung: die Lagerung in Österreich. Dieser Vorschlag birgt durchaus Sprengstoff. Denn bislang ist CCS in Österreich verboten. Mit seinem Beschluss vom 27. Juni hat der Ministerrat nun die Weichen für die Aufhebung dieses Verbots gestellt.  

„Wir müssen alles tun, um Emissionen zu vermeiden und das Klima schützen. Als letzte Alternative für die nicht-vermeidbaren Emissionen brauchen wir Möglichkeiten, CO2 unter strengen Sicherheits- und Umweltauflagen zu speichern“, meint die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. „Mit der Carbon Management Strategie haben wir nun genau dafür einen Leitfaden, welche Maßnahmen es dafür brauchen wird.“ Finanzmister Magnus Brunner ergänzt: „Im Vordergrund steht das Vermeiden und Einsparen von CO2. Aber wir müssen alle Technologien im Auge behalten – das habe ich immer betont: Daher muss auch das Speichern, Transportieren und Wiederverwerten von CO2 möglich sein“, so der ÖVP-Politiker. „Es ist eine gute Nachricht, dass wir die Carbon Management Strategie finalisieren konnten und der Evaluierungsbericht zum CO2-Speicherverbot vorschlägt, das CO2-Speicherverbot aufzuheben.“

Dieser Meinung sind auch VÖZ-Präsident Kren und der Geschäftsführer der Vereinigung, Sebastian Spaun. Wir „bekennen uns zu den ambitionierten Klimaschutzzielen. Unsere Anstrengungen spiegeln sich in der CO2-Roadmap wider. In Österreich ist die Zementindustrie für drei Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich, wir setzen für die weitere Reduktion alle Hebel in Bewegung“, sagt Kren zum Beschluss der Minister. Er verweist auf „zahlreiche Projekte und Maßnahmen“, mit der die Roadmap der Zementindustrie umgesetzt werde – unter anderem „die massiv CO2-reduzierten Zemente oder die weitere Reduktion der Produktionsemissionen sowie die Vorbereitung von Carbon Capture Anlagen“. Spaun fordert, dass den Beschlüssen nun zügig konkrete Taten folgen müssen – es bestehe dringender Handlungsbedarf für die Errichtung der Infrastruktur für ein zukunftsgerichtetes Carbon Management: „Dazu zählen der Transport und die Speicherung von CO2 wie auch natürlich eine leistungsfähige Infrastruktur für den Ausbau von erneuerbarem Strom. Damit muss unverzüglich begonnen werden, da die Planung und Realisierung für eine grüne Transformation der energieintensiven Industrie eine Vorlaufzeit benötigt“, meint Spaun.

Die heimische Zementindustrie leidet derzeit wie die gesamte Bauwirtschaft unter der Flaute im Wohnbau. 2023 erwirtschaftete sie einen Umsatz von 612 Millionen Euro – das lag zwar um 2,2 Prozent über dem Vorjahr. Die acht Zementwerke der Branche produzierten aber mit 4,4 Tonnen um 15,2 Prozent weniger als 2022.  „Die aktuellen Produktionszahlen spiegeln ganz klar den Einbruch der Baukonjunktur wider. Es gab einen extremen Nachfragerückgang im Bereich des großvolumigen Wohnbaus und des privaten Neubaus; ganz zu schweigen vom leistbaren Wohnbau“, so Kren.

Mit Blick auf die Verwendung fossiler Brennstoffe sieht sich die Branche als Musterschüler: Der Einsatz konventioneller Brennstoffe wie Kohle und Heizöl wurde um 27,6 Prozent reduziert. Die Ersatzbrennstoffrate stieg auf 85 Prozent. „Die Zahlen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Es handelt sich dabei um den bisher höchsten Wert seit Beginn unseres Engagements in der Ressourcenschonung vor mehr als 30 Jahren“, meint Spaun. Die CO2-Emissionen sanken um 15,4 Prozent auf absolut 2,26 Mio. Tonnen. Die aktuelle Emission pro Tonne Zement konnte von 521 auf 503 kg CO2 reduziert werden. Damit, so die VÖZ-Vertreter, sei Österreich weltweit Spitzenreiter.

VÖZ-Präsident Kren hofft wie sein Kollege Spaun, dass der Ministerratsbeschluss nun zügig umgesetzt wird: „Als Binnenstandort sind wir auf eine kluge Carbon-Management-Strategie und deren rasche Umsetzung angewiesen. Die VÖZ ist davon überzeugt, dass sich die Politik der enormen Bedeutung für die Stärkung und den Ausbau des Industriestandorts Österreich bewusst ist.“

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