Carbon Removal

Neustark ist neureich

CO2-Fußabdruck
10.07.2024

Neustark, eine junge Schweizer Climate-Tech-Firma mit österreichischen Wurzeln, hat viel Geld für kräftiges Wachstum erhalten. Das lukrative Geschäftsfeld: Carbon Removal.
Neustark-Anlage im Einsatz bei Holcim

„Tue Gutes und rede darüber“. Dieser Leitspruch wird seit Jahrzehnten auf PR-Seminaren gepredigt. Offenbar kennt ihn auch Johannes Tiefenthaler. „Diese Wachstumsfinanzierung führt uns in die nächste spannende Phase und wird uns dabei helfen, unseren Impact in ganz Europa zu steigern, neue Märkte in Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum zu erschließen und weitere Lösungen zu entwickeln“, meinte der Co-CEO und Mitbegründer des Schweizer Unternehmens Neustark vor kurzem durchaus euphorisch. 

Frisches Geld für junges Unternehmen

Neustark ist ein junges Climate-Tech-Unternehmen, das eine patentgeschützte Technologie entwickelt hat, mit der CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden kann. Experten sprechen bei derartigen Verfahren auch von Carbon Removal. Die „Wachstumsfinanzierung“, mit deren Hilfe der gebürtige Oberösterreicher Tiefenthaler weltweit expandieren will, macht 69 Millionen US-Dollar aus – für ein junges Unternehmen wie Neustark, das erste 2019 als Spin-off der ETZ Zürich gegründet worden ist, eine beachtliche Summe.

Das frische Geld stammt von den finanzstarken Investmentfirmen Blackrock, Temasek und Blume Equity. Auch die Investoren, die schon länger bei Neustark an Bord sind, stammen aus dem internationalen Finanz- und Industrieadel – Siemens Financial Services, Verve Ventures und ACE Ventures. Das verdeutlicht: Carbon Removal und Karbonatisierung werden als höchst attraktives Investment gesehen. Mit dabei ist auch der internationalen Zementhersteller Holcim, mit dem Neustark zudem eine strategische Partnerschaft eingegangen ist. „Der Carbon-Removal-Markt erfährt gerade ein starkes Wachstum, angetrieben durch hochwertige und dauerhafte Lösungen zur Kohlenstoffentfernung und eine steigende Nachfrage nach verifizierten CDR-Zertifikaten“, meint Tiefenthaler. „Trotzdem müssen wir die CO2-Entfernung exponentiell beschleunigen, wenn wir das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen wollen.“

Die Neustark-Lösung arbeitet wie folgt: An den Biogasanlagen von Partnern wird CO2 abgefangen, verflüssigt und zu nahe gelegenen Anlagen von Baustoffrecyclern transportiert. Dort wird das Kohlendioxid in Abbruchgranulat aus abgerissenen Gebäuden oder anderen mineralischen Abfällen wie Schlacken oder Betonrestwasser gebunden. Die Technologie von Neustark löst einen beschleunigten Mineralisierungsprozess aus, der das CO2 an die Poren und die Oberfläche des Granulats bindet. Das CO2 wird dort dauerhaft gespeichert – und bleibt auch dort. Das derart carbonatisierte, recycelte Granulat kann dann für den Straßenbau oder zur Herstellung neuer Recycling-Baustoffe verwendet werden.

Das Besondere an dem Geschäftsmodell von Neustark ist laut Fachleuten aber weniger die Technologie. Andere Unternehmen, wie beispielsweise der Zementhersteller Holcim, haben ähnliche Verfahren entwickelt. Neustark verkauft allerdings zusätzlich CO2-Zertifikate an Kunden, die damit ihre CO2-Bilanz verbessern können. Das Schweizer Unternehmen hat bereits knapp 120.000 Tonnen CO2-Entfernungszertifikate an Firmen wie Microsoft, UBS oder NextGen verkauft. „Das ist ein innovatives Geschäftsmodell und zeigt, wie Kreislaufwirtschaft erfolgreich gelingen kann“, meint Christian Lampl, Geocycle Manager beim Zementhersteller Holcim für Central Europe. „Kreislaufwirtschaft funktioniert nur, wenn ein Geschäftsmodell dahintersteckt.“

Neustark betreibt zusammen mit Baustoffrecycling-Partnern derzeit 19 Anlagen zur CO2-Abscheidung- und -Speicherung – und zwar in der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Deutschland. Vierzig Anlagen sind derzeit europaweit im Bau. Eine „Vielzahl weiterer Projekte“ befinden sich laut Unternehmen in der Pipeline. Großes vor hat auch der Holcim. Der Zementhersteller baut seine Recycling-Aktivitäten massiv aus und will 2030 30 Millionen Tonnen Baurestmassen verwerten. Derzeit betreibt er 83 Baustoff-Recycling-Anlagen – er nennt sie „Ecocycle-Anlagen“ – in Europa. Bis 2030 sollen es 150 werden. Der Clou daran: An jedem dieser Standorte soll die Neustark-Technologie installiert werden.

Branchen
Bau