Materialkrise
Es wird eng am Glasmarkt
Die Auftragsbücher der Baubranche sind voll, sowohl in der Industrie als auch bei den Verarbeitern. Trotzdem ist die Stimmung angespannt. Denn alle wollen und wenige können. Die Baustoff-Lager sind leer. Waren im April vor allem Stahl, Dämmstoffe und Holz von Lieferengpässen betroffen, weitet sich die Materialkrise immer mehr aus.
Die Gründe sind genauso vielschichtig wie die Auswirkungen. Ausfälle beim Rohstoffeinkauf, Mangel an Frachtcontainern, verzögerte Grenzkontrollen oder fehlendes Verpackungsmaterial sorgen für Produktionsengpässe mit teilweise massiven Lieferverzögerungen – und laufende Verteuerungen.
Marktnachfrage übersteigt Lieferkapazitäten
Der Glasmarkt war schon im Corona-Jahr 2020 durch Stilllegungen von Floatglaswannen oder „Hot hold“-Betrieb etwas beeinträchtigt. Inzwischen übersteigt die Marktnachfrage deutlich die Lieferkapazitäten. Die allgemeine Materialknappheit hat auch den Glasmarkt erfasst. „Die Glasbranche ist hier leider keine Ausnahme. Nicht nur bei Sonderprodukten, sondern auch bei Standardprodukten wird es jeden Tag enger. Eine reguläre Lieferkette ist leider nicht gegeben, auch langfristige Zusagen sind nicht erhältlich – kurz gesagt, eine echte Katastrophe für einen Produktionsbetrieb und natürlich auch weiterführend für alle Weiter- und Wiederverarbeiter“, muss Harald Bissenberger, Prokurist bei der Ertl Glas AG im niederösterreichischen Amstetten eingestehen.
Inzwischen sind nicht nur einzelne Glasarten von der Knappheit betroffen, sondern so gut wie alle.
Werner Krügl, Prokurist und Spartenleiter Glas bei der C. Bergmann KG in Traun, Oberösterreich, kann das nur bestätigen: „Inzwischen sind nicht nur einzelne Glasarten von der Knappheit betroffen, sondern so gut wie alle. Es ist für uns extrem mühsam, die benötigten Gläser zu bekommen“. Bei Pilkington Österreich sind laut Vertriebsleiter Wolfgang Pichler vor allem Spezialgläser betroffen: „Farbgläser und Gläser mit speziellen Beschichtungen haben lange Lieferzeiten, aber auch bei Standard-Floatgläsern kommt es immer wieder zu Verzögerungen“. Und nicht nur hier: „Auch bei PVB-Folien zur Erzeugung von VSG herrscht ein Lieferengpass und es kommt teilweise zu Lieferverschiebungen“, muss Pichler ergänzen.
Und auch in der Glas-Zubehör-Industrie sind bereits Engpässe zu bemerken: „Zurzeit ist die Verfügbarkeit von Beschlägen, Werkzeugen und weiteren Produkten noch gewährleistet. Jedoch gibt esvereinzelt schon Engpässe und zahlreiche Informationen von Rohstoff-Lieferanten, dass es zu Engpässen kommen wird. Die Erfahrung der letzten Wochen zeigt, dass sich die Situation rasch ändern kann“, beschreibt Franz Schreibmaier, Geschäftsführer von Bohle Österreich die derzeitige Lage.
Massive Preiserhöhungen
Die Knappheit der Rohstoffe treibt die Preise in die Höhe. „Täglich bekommen wir von unseren Zulieferanten für Metalle, Chemie und zahlreichen weiteren Rohstoffen Ankündigungen für teilweise massive Preiserhöhungen. Meist in einem höheren zweistelligen Prozentbereich“, sagt Schreibmaier.
Nachdem die Industrie die Preissteigerungen nicht endlos schlucken kann, werden die Produkte teurer. „Die Basis-Glaspreise werden ständig erhöht, auch für uns war es unumgänglich, zwei Preiserhöhungen umzusetzen. Und es ist durchaus möglich, dass eine weitere Erhöhung Anfang Herbst erfolgen muss“, erklärt Wolfgang Pichler von Pilkington Austria. Auch Werner Krügl von C. Bergmann hat keinen Spielraum: „Wir sind nicht mit merklichen, sondern mit drastischen Preiserhöhungen konfrontiert. Das Ausmaß ist so, dass es wirtschaftlich unmöglich ist, diese nicht an unsere Kunden weiterzugeben“.
Keine Entspannung in Sicht
Die Frage, ob im zweiten Halbjahr 2021 mit einer Entspannung der Situation zu rechnen ist, beantworten die Lieferanten unisono mit „Nein“. Harald Bissenberger von Ertl Glas rechnet eher noch mit einer Zuspitzung und sieht die Lage auch im kommenden Jahr kritisch. Wolfgang Pichler von Pilkington schlägt in dieselbe Kerbe: „Ich sehe keine Entspannung, die Glas-Lager sind leer, und man kann keinen Rückgang des Bedarfs für das nächste Halbjahr erkennen. Im Gegenteil, die Auftragsbücher unserer Kunden sind gut gefüllt“.
Franz Schreibmaier fasst die unschönen, aber realistischen Aussichten zusammen: „Wenn man die weltweite Entwicklung von Corona-Mutationen beobachtet und die schon angespannte Preis- und Liefersituation, so kann man sich eine Entspannung wünschen – realistisch erscheint sie leider zurzeit nicht“. Wir bleiben dran und halten Sie über die aktuelle Lage am Glasmarkt am Laufenden.