Im Brennpunkt
Wohnpaket: Frust statt Freude
An großen Worten mangelte es bei der Ankündigung nicht. „Wir müssen den Konjunkturmotor in der Baubranche wieder ankurbeln“, meinte Bundeskanzler Karl Nehammer und setzte mit eine Prise Pathos nach: „Leistung muss sich wieder lohnen.“ Vizekanzler Werner Kogler ergänzte: „Das Paket ist umfangreich und durchdacht und damit gut für die Geldbörse, für den Klimaschutz, für Jobs und Wirtschaftsaufschwung – es ist ein Win-Win-Win-Paket.“ Bei so viel Eigenlob ließ sich auch Finanzminister Magnus Brunner nicht lumpen: „Das Paket ist ausgewogen und treffsicher. Wir verteilen das Geld nicht wahllos, sondern setzen es dort ein, wo es den größten Effekt erzielen kann.“
Hoffnung auf rasche Umsetzung
Diese Worte stammen aus einer Aussendung der österreichischen Bundesregierung zu ihrem „Wohn- und Baupaket“. Die Regierung will in den nächsten Jahren mehr als zwei Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die schwächelnde Bauwirtschaft zu unterstützen. Deren Vertreterinnen und Vertreter zeigte sich bei der Präsentation des Pakets erleichtert. Man begrüße die Maßnahmen und hoffe nun auf eine rasche Umsetzung – so der Tenor damals.
„Damals“ – das bedeutet im Februar 2024. Seitdem ist reichlich Zeit vergangen: sechs Monate. Und de Freude ist Frust gewichen. Denn das „treffsichere“ Paket, das angeblich nur Gewinner kennt, lässt in großen Teilen immer noch auf sich warten. „Das Geld wird tatsächlich nicht wahllos verteilt. Es wird gar nicht verteilt“, meint ein heimischer Baumanager sarkastisch. Ein halbes Jahr nach der Verkündung kommt das zugesagte Geld von einigen Ausnahmen abgesehen immer noch nicht auf den Baustellen an. Transparenz und offizielle Zahlen gibt es nicht, aber die Recherche der Bauzeitung in der Bauwirtschaft deckt sich mit der Einschätzung von Bundesinnungsmeister Bau Robert Jägersberger (siehe auch das Interview auf Seite 14): „Ich stehe natürlich in engem Kontakt mit unseren Landesinnungsmeistern und unseren Mitgliedsbetrieben. Und das Bild, das ich hier habe, ist ernüchternd: Die Umsetzung läuft langsam. Bislang spüren die Betriebe noch sehr wenig.“
Für Jägersberger ist das nur bedingt eine Überraschung: „Die Umsetzung von steuerlichen und legistischen Maßnahmen braucht ihre Zeit. Das geht nicht auf Knopfdruck.“ Er hätte sich daher gewünscht, dass die Regierung früher handelt. „Wenn man das Paket bereits vor einem Jahr beschlossen hätte, wäre es möglicherweise Anfang dieses Jahres in Umsetzung gewesen und würde mittlerweile wirken“, so der Bundesinnungsmeister. Andreas Köttl, Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE), sieht das ähnlich: „Ich sehe Bemühungen der Umsetzung. Derartige Maßnahmen dauern aber zwangsläufig lange und daher hätte man schon früher ‚ins Tun‘ kommen müssen.“
Umgesetzt wurden vor allem steuerliche Maßnahmen wie die erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten für Abnutzung (AfA), die Verlängerung der Liebhabereibeurteilung bei Vermietungen sowie die Einführung eines Ökozuschlags für klimafreundliche Sanierungen. Ansonsten ist bislang wenig Zählbares herausgekommen. Das gilt auch für zwei Bestandteile, die bei der Präsentation im Februar, für besonders viel Aufmerksamkeit gesorgt haben: Die befristete Abschaffung der Nebengebühren bei der Anschaffung eines Eigenheims sowie die Effekte des Handwerkerbonus Plus lassen nach wie vor auf sich warten.
Besonders schmerzhaft ist aber das Ausbleiben einer anderen Maßnahme. Rund eine Milliarde des Regierungspakets entfällt auf die sogenannte „Wohnbauoffensive“. Mit ihr soll die Schaffung von 10.000 Wohneinheiten im Neubau und 10.000 neuen Mietwohnungen gefördert werden sowie die Sanierung von rund 5.000 Wohneinheiten. Die Abwicklung soll bei den Bundesländern liegen. So gut das bei der Präsentation vor einem halben Jahr klang – die Offensive ist bislang nur ein Rohrkrepierer. Und das liegt an der Konstruktion, die die Regierung gewählt hat, um das Geld unter die Bauherren zu bringen: Sie will, dass die neue Milliarde zusätzlich zur bestehenden Wohnbauförderung wirkt. Die Länder müssen daher nachweisen, dass sie im Jahr 2024 ähnlich hohe Förderzusagen vergeben, wie in der Vergangenheit. Können Sie das, dann schießt der Bund Gelder aus der Wohnbaumilliarde für die zusätzlichen zu. Dieser Ansatz mag durchaus nachvollziehbar sein. Er hat nur einen großen Haken: Für den Nachweis brauchen die Länder Zeit. „Ab dem Moment, als die Regierung das so beschlossen hatte, war jedem Fachmann klar, dass die Gelder heuer nicht auf der Baustelle ankommen werden“, meint Klaus Baringer, Verbandsobmann der gemeinnützigen Bauwirtschaft (GBV).
Baringer geht davon aus, „dass die Wohnbauträger ab Anfang 2025 die ersten zusätzlichen Aufträge aus der Wohnbaumilliarde vergeben werden. Sobald sie die Zusicherung erhalten haben, können die Bauträger in die Ausschreibung gehen. Dann folgt die Vergabe“, so der GBV-Obmann. „Die ersten Gelder werden daher frühestens im Frühjahr 2025 bei den ausführenden Unternehmen eintreffen“. Das wäre mehr als ein Jahr nach der Präsentation des Pakets. Dazu Baringer: „Schneller kann es nicht gehen, wenn man diese Vorgangsweise wählt.“
Die Flaute im Wohnbau und die matte Wirkung der Regierungsmaßnahmen haben dazu geführt, „dass sich Allianzen bilden, die vor einiger Zeit kaum vorstellbar gewesen wären“, wie VÖPE-Präsident Köttl meint. Köttl trat als Vertreter der gewerblichen Projektentwickler Ende Juni gemeinsam mit GWP-Obmann Baringer als Vertreter der gemeinnützigen Bauwirtschaft bei einer Pressekonferenz auf. Mit dabei waren auch der Chef der Gewerkschaft Bau-Holz Josef Muchitsch und Peter Krammer, der Obmann des Fachverbands der Bauindustrie. „Die dramatische Lage in der Baubranche verlangt nach einem historischen Schulterschluss“, so die Allianzpartner. Sie begrüßen das Wohnbaupaket der Bundesregierung, doch ginge die Umsetzung nur schleppend voran. Was es daher jetzt brauche, um ins Handeln im Interesse der Bevölkerung zu kommen, „wäre ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft“.
VÖPE-Präsident Köttl wiederholt den Vorschlag der Allianz, ein eigenes Ministerium einzurichten, das mit einer Richtlinienkompetenz ausgestattet ist. Denn: „Zu ganz bestimmten Themen wie Wohnbau oder Dekarbonisierung sollte es eine zentrale Stelle geben, die die Aktivitäten auf den verschiedenen Ebenen von Bund, Ländern und Gemeinden koordiniert.“