Sanierung

Beton-Ballett: Brückensanierung auf wienerisch

Sanierung
04.07.2023

Von: Redaktion Bauzeitung
Projekt COUNT: Wie Forscher mit Vibrationen spielen, um Brücken zu retten, ohne den Verkehr zum Erliegen zu bringen.
MoSeS

Bild oben: Gestatten, "MoSeS". Der Mobile Seismic Simulator liefert Erschütterungen auf Kommando.

Die Neilreichbrücke ist ohne Übertreibung ein bedeutender Bestandteil der Wiener Südosttangente. Tagtäglich rollen zehntausende Fahrzeuge über ihren Rücken. Doch selbst solch massive Stahlbeton-Kolosse sind nicht immun gegen die Angriffe der Zeit und der Elemente. Ein neuartiges Projekt, unterstützt von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, solchen Bauwerken neues Leben einzuhauchen, ohne dass der ohnehin dichte Stadtverkehr ins Stocken gerät.

Bereits der Name des Projekts "COUNT" (Concreting under traffic) verrät, um was es geht: die Sanierung von Brücken während sie weiterhin den Verkehr tragen. Ermöglicht wird dies durch eine Kombination aus neuen Materialien und innovativen Techniken. Damit lässt sich die Lebensdauer von Bauwerken wie Straßen- oder Eisenbahnbrücken verlängern und gleichzeitig die Umweltbelastung reduzieren.

In der Welt der Stahlbetonbauten sind Schwachstellen, die das Eindringen von Wasser, Tausalz und ähnlichen Substanzen ermöglichen, die gefürchteten Feinde. Diese entstehen durch ständige Beanspruchungen und können die Stabilität und Langlebigkeit des Stahlbetons beeinträchtigen. Bislang machte eine solche Verschlechterung oft eine umfangreiche Sanierung oder gar einen Neubau notwendig - mit den damit verbundenen Verkehrssperrungen und dem hohen CO2-Ausstoß.

AIT
Trockentraining für eine Brückenverjüngungskur unter fließendem Verkehr: AIT und Smart Minerals GmbH setzen mit dem FFG-Projekt COUNT neue Standards für Nachhaltigkeit und Langlebigkeit von Bauwerken, während CO2-Emissionen in den Hintergrund rücken.

Das Team hinter COUNT, bestehend aus dem AIT (Austrian Institute of Technology) und Smart Minerals GmbH, hat jedoch eine Lösung im Visier. Die Idee: Betonarbeiten unter laufendem Verkehr. Dafür muss der Beton seine Festigkeit während des Erhärtens unter ständigen Vibrationen beweisen. Hier kommt der Mobile Seismic Simulator (MoSeS, Bild oben) des AIT ins Spiel, der Prüfkörper systematisch zum Schwingen bringt. Anschließend untersucht Smart Minerals die Betonproben intensiv auf Festigkeit und Dauerhaftigkeit.

"Unser Hauptziel besteht darin, einen Grenzwert für harmlose Erschütterungen beim Aushärten von Beton zu definieren", erklärt das Projektteam. Hierzu werden reale Schwingungssignale und verschiedene Betonrezepturen untersucht. Durch den Einsatz von Glasfasern, die in den Beton eingebettet sind und Erschütterungen und Rissbildungen erfassen, erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher authentische Ergebnisse.

Die innovative Methode des Projekts könnte einen Paradigmenwechsel in der Instandhaltung und Sanierung von Brücken einläuten. Es wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Umgang mit der bestehenden Infrastruktur und könnte dazu beitragen, den CO2-Ausstoß des Bausektors erheblich zu reduzieren. Aber was noch besser ist: Damit könnten Staus aufgrund von Baustellen bald der Vergangenheit angehören - zumindest in der Welt der Brücken.

(grü)

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