Vergaberecht

Grenzen der Gleichbehandlung beim Ausscheiden von Angeboten

Vergaberecht
30.05.2023

Das Ausscheiden von Angeboten spielt im Vergaberecht aufgrund der Vielzahl von Ausscheidensgründen eine große Rolle.

Es geht aber nicht nur um die Frage, ob ein Ausscheidensgrund vorliegt, sondern auch darum, wie der Auftraggeber hinsichtlich der Gesamtheit der Angebote vorzugehen hat.

Da die §§ 135 Abs. 2 bzw. 299 Abs. 3 BVergG 2018 festlegen, dass nur jene Angebote geprüft werden müssen, "die für eine Zuschlagserteilung in Betracht kommen", ist zunächst klar, dass der Auftraggeber nur jenes Angebot prüfen muss, das aufgrund der Bewertung anhand der Zuschlagskriterien an erster Stelle liegen würde.

Die Prüfung der Angebote

Eine Prüfung auch der anderen Angebote kann dann notwendig sein, wenn aufgrund der Zuschlagskriterien die Bewertung von der Anzahl aller Angebote oder von deren Reihung oder vom Bewertungsergebnis anderer Angebote abhängig ist. Das ergibt sich daraus, dass in die (endgültige) Bewertung anhand der Zuschlagskriterien nur jene Angebote einzubeziehen sind, die nach dem Ausscheiden übrigbleiben (§§ 142 Abs. 1 bzw. 304 Abs. 1 BVergG 2018). Wenn aber die Frage, ob bestimmte Angebote auszuscheiden sind oder nicht, für die Bestbieter­ermittlung keine Relevanz hat, kann die Prüfung anderer (oder aller) Angebote außer dem erstgereihten unterbleiben.

Zeitpunkt und Reihenfolge

Wenn der Auftraggeber sich nicht darauf beschränken will, nur das erstgereihte Angebote zu prüfen (oder wenn sich gerade beim erstgereihten Angebot Ausscheidensgründe ergeben), stellt sich dann die weitere Frage, ob er alle Angebote gleichzeitig prüfen muss oder – beliebig – die Prüfung einzelner Angebote vorziehen darf.

Diese Frage war in einem Fall relevant, den der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit der Entscheidung vom 10. 1. 2023, Ra 2019/04/0008, zu klären hatte.

Der Sachverhalt

Der Auftraggeber prüfte das Angebot eines ­Bieters und stellte Ausscheidensgründe fest. Der Bieter bekämpfte die Ausscheidensentscheidung beim Bundes­verwaltungsgericht (BVwG).

Da der Bieter inhaltlich nichts gegen die Ausscheidensgründe vorbringen konnte, führte er folgendes Argument an: Die Prüfung der anderen Angebote wäre noch nicht abgeschlossen. Es seien aber alle Bieter gleich zu behandeln, das zeitliche Vorziehen der Prüfung und des Ausscheidens seines Angebots sei willkürlich gewesen.

Das BVwG wies den Antrag ab, insbesondere deshalb, da Gegenstand der Anfechtung einer Ausscheidensentscheidung nur die Frage sei, ob das Ausscheiden zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei. Der Bieter bekämpfte diese BVwG-Entscheidung mittels Revision beim VwGH.

Die Entscheidung des VwGH

Der VwGH stellte klar, dass der Auftraggeber nicht vor dem Ausscheiden eines Angebots alle Angebote "durchprüfen" und dann alle auszuscheidenden Angebote (gleichzeitig) ausscheiden müsse. Der zeitliche Ablauf der Angebotsprüfung für sich alleine ist irrelevant für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Ausscheidensentscheidung.

Daher liegt es grundsätzlich im Belieben des Auftraggebers, in welcher Reihenfolge er Angebote prüft und gegebenenfalls ausscheidet oder ob er überhaupt alle oder nur manche Angebote prüft (und gegebenenfalls ausscheidet); solange dadurch nicht das Ergebnis (also die Bestbieterermittlung) beeinflusst wird und solange vor der Zuschlagsentscheidung zumindest das erstgereihte Angebote geprüft wird.

Der Bieter hatte übrigens noch ein weiteres Argument vorgebracht, nämlich jenes, dass Produkte ausgeschrieben worden wären, die am Markt nicht erhältlich seien (also von keinem Bieter geliefert werden könnten). Dazu verwies der VwGH aber auf die bestandsfeste Ausschreibung, also den Umstand, dass der Bieter das im Zuge einer Anfechtung der Ausschreibung hätte geltend machen müssen (was nur vor Ablauf der Angebotsfrist möglich war, er aber nicht getan hat).

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