BIM2Field
BIM auf der Baustelle: Vorteile und Hürden
Building Information Modeling ist auf der Baustelle häufig noch ein Fremdwort. Dabei unterstützt BIM auch die Bauausführung in vielen Bereichen: Massen, Mengen und Kosten lassen sich beispielsweise für Kalkulationen und Angebote oder für die Bestellung aus dem BIM-Modell ermitteln. BIM-Bauteile können maschinell produziert, Bauabläufe simuliert und optimiert sowie Baufortschritte einfacher dokumentiert werden. Auf der Baustelle können mit BIM-Daten Markierungspunkte projiziert oder Maschinen gesteuert werden und vieles anderes mehr.
Projekte schneller erfassen
Anhand dreidimensionaler BIM-Modelle lassen sich Projekte schneller erfassen. Mit kostenlosen, intuitiv bedienbaren IFC-Viewern können Bauunternehmer und Handwerker BIM-Projekte dreidimensional aus verschiedenen Blickwinkeln auf dem PC oder mobil am Tablet betrachten und virtuell "begehen". So lassen sich auch umfangreiche Projekte und komplexe geometrische Zusammenhänge schneller vermitteln und Missverständnisse vermeiden. Es können beliebige horizontale oder vertikale (Schnitt-)Ansichten können ebenso erzeugt werden, wie Raum- oder Bauteildaten, Mengen, Längen, Flächen oder Volumen abgefragt und gegebenenfalls als Excel-Datei für Kostenberechnungen, Kalkulationen und Angebote exportiert werden können.
Darüber hinaus lassen sich Bauteileigenschaften wie Bauteilnummer, Material, Abmessungen, Oberfläche etc. anzeigen oder Bauteildaten nach verschiedenen Kriterien filtern, was eine selektive Anzeige des Bauwerks, beispielsweise aller Betonbauteile, Aussparungen oder brandschutzrelevanter Türen, ermöglicht. Das erleichtert Kostenprognosen, Angebote oder Materialbestellungen.
BIM2Field: "Noch einige Hürden zu nehmen"
"BIM auf der Baustelle hat großes Potenzial. Das liegt für uns einerseits im hohen Detaillierungsgrad der zwingend erforderlichen fertigen Planung und andererseits in der Visualisierung des Gesamtprojekts. Allerdings gibt es noch einige Hürden zu nehmen": Christian Maier, Leitung Bauwirtschaft in der Habau Group, im Interview.
Hier geht's zum InterviewBauabläufe vorab simulieren
Wird das dreidimensionale BIM-Modell um die vierte Dimension Zeit erweitert (4D BIM), kann der Bauablauf visualisiert werden. So werden zeitliche oder räumliche Kollisionen schon am Bildschirm erkannt. Um Vorgänge und Abläufe über einen bestimmten Projektzeitraum visuell darstellen zu können, müssen BIM-Modellelemente mit Bauzeitenplänen verknüpft und Reihenfolgebedingungen für die Bauausführung definiert werden. Durch sukzessives Einblenden von Bauteilen oder Bauteilgruppen werden Bau- und Montageabläufe als kurze Videosequenzen dargestellt, womit auch gewerkübergreifende Konflikte erkannt und Prozesse optimiert werden können.
Die 5D-Simulation berücksichtigt zusätzlich zum Faktor Zeit auch Ressourcen und Kosten und verknüpft Geometriedaten auch mit den erforderlichen Ressourcen wie Baumaterialien, Maschinen, Fahrzeugen oder Personal. Logistische Prozesse können so besser geplant und gesteuert werden. Insbesondere bei komplexen innerstädtischen Bauvorhaben lassen sich per 5D-Simulation Transport-, Bau- und Montageprozesse im Vorfeld optimieren.
Erfassen und kontrollieren
Wird die bauliche Situation auf der Baustelle erfasst und mit dem BIM-Modell abgeglichen (Field to BIM), können Bau- und Montagequalitäten bestens kontrolliert und optimiert werden. Dazu werden aktuelle Informationen von der Baustelle über mobile Endgeräte, teilweise auch über Messgeräte, Baustellenkameras oder Drohnen und entsprechende Programme kontinuierlich gesammelt, aufbereitet und im BIM-Modell verortet.
Neben Baustellenfotos lassen sich auch gescannte Pläne, LVs oder andere Dokumente einbinden ebenso wie Sprachnotizen oder Videos. Wertet die Dokumentations-App auch GPS-Daten der Mobilhardware aus, weiß man auch, welches Foto an welcher Baustelle fotografiert wurde. Aus den erfassten Daten lassen sich Bautages- und Mängelberichte generieren. Diese werden den betroffenen Projektpartnern zugeordnet und über einen Verteiler als PDF-Bericht versandt oder auf einem Cloud-Server gespeichert. Damit können Projektbeteiligte die erfassten Baustellendaten online einsehen, entsprechend ihrer persönlichen Zugriffsrechte bearbeiten und deren aktuellen Status kennzeichnen. Das macht Baustellenaktivitäten transparenter und verkürzt Reaktionszeiten.
Soll/Ist vergleichen
Eine modellbasierte Baufortschrittskontrolle macht die Überwachung von Terminen und Kosten komfortabler, weil diese mit dem BIM-Modell verknüpft und Abweichungen unmittelbar visualisiert und ausgewertet werden können. Werden Abweichungen und Fehler digital erfasst, kann man sie im Modell qualifizieren, quantifizieren, Folgen abschätzen und Gegenmaßnahmen einleiten. Wird der Baufortschritt regelmäßig erfasst (Ist-Zustand), mit dem BIM-Ausführungsmodell (Soll-Zustand) abgeglichen und auf einem Cloud-Server abgelegt, können Projektmanager Baustellen besser kontrollieren und steuern oder Ausführende die nächsten Schritte besser vorbereiten.
Werden auch Planungsänderungen konsequent im BIM-Modell dokumentiert, entsteht aus einem BIM-Ausführungsmodell ein As-built-Modell, das den tatsächlich ausgeführten Zustand ("as built", englisch für "wie gebaut") abbildet und für die spätere Nutzung, für die Wartung und Instandhaltung oder für Umbaumaßnahmen verwendet werden kann. Die Ist-Daten-Erfassung und -Dokumentation ist allerdings aufwendig und setzt technische Hilfsmittel wie mobile Erfassungs-Apps, 3D-Laserscanner, Baustellenkameras oder Drohnen – und zur Bauteilverfolgung gegebenenfalls auch Auto-ID-Systeme wie Barcodes, QR-Codes, RFID-, NFC und BLE-Transponder – voraus.
Glossar
BIM to Field: (BIM 2 Field) … bezeichnet die BIM-Modelldatenübertragung auf die Baustelle. Beispiele sind die modellbasierte Absteckung oder die Baumaschinensteuerung.
Field to BIM: (Field 2 BIM) … bezeichnet das Einpflegen von Baustellendaten in das BIM-Modell. Beispiele sind die 3D-Erfassung für Baufortschrittdokumentationen oder Soll-/Ist-Vergleiche.
BIM-Ausführungsmodell: … steht für das während der Werk- und Detailplanung entstandene digitale Bauwerksmodell, das für die Bauausführung genutzt wird.
As-Built-Modell: … basiert in der Regel auf dem BIM-Ausführungsmodell und bildet den tatsächlich ausgeführten Zustand des Bauprojekts ab ("as-built", englisch für "wie-gebaut").
BAP: (BIM-Abwicklungsplan) … definiert die Ziele in einem BIM-Projekt und deren technische Umsetzung, beispielsweise Leistungen, Verantwortlichkeiten, Detaillierungsgrade des BIM-Modells, Softwareanforderungen, Übergabe-Formate etc.
Modellbasiert abstecken
Bei der modellbasierten Absteckung werden im BIM-Modell enthaltene Markierungspunkte auf das reale Objekt (Gebäudebestand, Rohbau, Gelände etc.) übertragen. Auf die Baustelle übertragen lassen sich BIM-Markierungsdaten über motorisch gesteuerte elektronische Tachymeter (Totalstationen) oder über tachymetrische Aufmaßsysteme wie Flexijet, Leica 3D Disto, TheoCAD etc. Mithilfe der CAD-Datenprojektion kann man die im BIM-Modell markierten Punkte an das Messgerät übertragen. Die abzusteckenden Punkte werden danach mit einem Laserpunkt auf Boden, Wand oder Decke projiziert. Gefälle, Unebenheiten oder ein Versatz in der Ebene werden erkannt und bei der Projektion berücksichtigt. So können etwa Befestigungspunkte zeitsparend und präzis markiert oder direkt gebohrt werden. Auch nachträglich auszuführende Aussparungen, Durchbrüche oder Schlitze werden so exakt auf den Rohbau projiziert.
Digital fertigen
3D-Geometriedaten werden inzwischen in vielen Gewerken für die Produktion von Bauteilen auf computergesteuerten Maschinen (CNC) verwendet, etwa im Holz-, Stahl-/Metall-, Fassaden-, Heizung/Lüftung/Klima- oder Betonfertigteilbau. Schnittstellen zu CNC-Fertigungsprogrammen ermöglichen dabei eine direkte, medienbruchfreie Übergabe der CAD/BIM-Daten an die Fertigung von Bauteilen.
Mithilfe additiver Druckverfahren wie dem Rapid Prototyping respektive 3D-Druck können außerdem Einzelteile oder Objekte in geringen Stückzahlen gefertigt werden, die mit herkömmlichen Fertigungsverfahren überhaupt nicht oder nicht wirtschaftlich realisierbar wären. 3D-Druckobjekte lassen sich inzwischen mithilfe eigener 3D-Drucker, über 3D-Druckdienstleister oder spezieller, vor Ort montierbarer Portaldrucker direkt auf der Baustelle realisieren. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Einzelstück-, Prototypen- oder Ersatzteildruck bis zum 3D-Druck kompletter Bauwerke.
Baumaschinen und Roboter steuern
BIM-Planungsdaten können auch für die Maschinensteuerung auf der Baustelle eingesetzt werden, zum Beispiel von mit 3D-Maschinensteuerungssystemen ausgestatteten Baggern. Dabei wird das Geländemodell über einen Monitor im Führerstand der Baumaschine angezeigt. Darauf sieht der Fahrer kontinuierlich die Position der Maschine im Gelände sowie weitere Gelände- und Positionsdaten. So ist er in der Lage, zentimetergenau zu arbeiten. Ungenaue Schätzungen oder zeitaufwendige, manuelle Vermessungsarbeiten und Absteckungen zur Positionierung und der Ermittlung von Soll- und Ist-Maßen werden damit vermieden, Arbeitsabläufe lassen sich optimieren.
Allerdings können für die Steuerung notwendige Globale Navigationssatellitensysteme (GNSS) nicht in Innenräumen genutzt werden. Hier kommen andere, beispielsweise auf einer Totalstation oder einem 3D-Laserscanner basierende Verfahren zur Positionsbestimmung zum Einsatz. Damit können Bohrroboter Arbeiten auf der Grundlage von BIM-Daten ausführen. Beispiele sind der BauBot von Fischer/Baubot oder der Jaibot von Hilti, die sich in Innenräumen orientieren, Löcher bohren und diese anschließend für Montage- und Installationsarbeiten markieren können. Damit werden Handwerker von körperlich schweren, sich wiederholenden Tätigkeiten entlastet und die Arbeitssicherheit wird verbessert.
Virtuell präsentieren, Realitäten erweitern
Mithilfe virtueller Realitäten (engl. Virtual Reality, VR) lassen sich BIM-Modelldaten per VR-Brille realitätsnah betrachten. Bauherren oder Handwerker können beispielsweise das Bauvorhaben virtuell betreten, Platzverhältnisse und Ausstattungsdetails begutachten und so eine bessere Vorstellung vom Projekt zu bekommen, sodass Missverständnisse, Planungs- oder Ausführungsfehler vermieden werden. Erweiterte Realitäten (engl. Augmented Reality, AR) bringen BIM direkt auf die Baustelle. Dabei lassen sich über transparente AR-Brillen oder Tablets in das Realbild zusätzliche digitale Informationen, beispielsweise die gebäudetechnische Leitungsführung am Rohbau in der jeweils richtigen Perspektive und im richtigen Maßstab, einblenden.
Komplexe Details können so direkt an Ort und Stelle besprochen und gegebenenfalls Konfliktpunkte gelöst werden. Ebenso kann vorab überprüft werden, ob für die Montage ausreichend Platz vorhanden ist, ob Installationsschächte zugänglich oder Funktionsbauteile im eingebauten Zustand auch bedienbar sind etc. Mixed Reality (MR) erkennt zusätzlich die jeweilige Umgebung und ermöglicht eine Interaktion mit den eingeblendeten digitalen Inhalten respektive zwischen mehreren Teilnehmern einer MR-Präsentation. Das smarte Assistenzsystem Chekker von Robotic Eyes und Schöck Bauteile unterstützt beispielsweise per AR-Projektion die Produktion und Montage von Bauteilen in der Werkstatt oder auf der Baustelle und überwacht Ausführungsqualitäten.
Fazit: BIM to Field ist schon Realität
BIM to Field ist besonders bei großen Baufirmen wie Implenia, Max Bögl, Obermeyer, Strabag, Wolff & Müller, Züblin etc. und großen Baustellen schon Realität. Praxiserfahrungen zufolge werden damit Fehler minimiert, Produktivitäten und Ausführungsqualitäten gesteigert, Arbeitszeiten und Personalkosten eingespart. Aber es fehlt häufig noch an direkt nutzbaren BIM-Daten. Diese werden von Planern entweder überhaupt nicht oder nicht in der notwendigen Detaillierung und Qualität zur Verfügung gestellt. Deshalb sollten die Anforderungen an BIM-Ausführungsmodelle im BIM-Abwicklungsplan (BAP) genau beschrieben werden. Die digitale Baustelle hängt nämlich entscheidend von der Qualität der zur Verfügung gestellten BIM-Ausführungsmodelle ab.
Diese setzen jedoch Know-how voraus, da bereits bei der Konstruktion des BIM-Modells die bauliche Umsetzung und Montage berücksichtigt werden müssen. Deshalb sollten BIM-Ausführungsmodelle von einem mit der Bauausführung und dem Baubetrieb vertrauten Mitarbeiter erstellt oder begleitet werden. Last, but not least müssen auf der Baustelle eingesetzte Systeme intuitiv bedienbar, robust und baustellentauglich sein, damit sie in der Praxis auch funktionieren und angenommen werden.