FRAUEN IM HANDWERK
Zurück zu den Wurzeln
Mehr als 140 Jahre ist es nun her, dass Josef Wittmann den Betrieb als kleine Wagnerei in Mühldorf, dem heutigen Scharnstein, gründete. Es war die Zeit der Hochindustrialisierung, in welcher das Bestreben wuchs, möglichst jede Produktion der Betriebe in eine gewinnbringende Massenfabrikation umzuwandeln. Folglich stürzte das traditionelle Handwerk in eine tiefe Krise. Als nach zwei Weltkriegen und mehreren Rezessionen in den 1950er-Jahren klar wurde, dass die Produkte einer Wagnerei immer seltener gebraucht wurden, war bei den Wittmanns Kreativität gefragt. Daraufhin entwickelten die Tischler eine Expertise für Objektmöbel, was dazu führte, dass Produkte wie etwa die Wittman'sche Hobelbank zu einem wahren Verkaufsschlager wurden. Im vergangenen Jahr hat nun Sophie Wittmann gemeinsam mit ihren Brüdern Max und Rudolf das Steuer des Unternehmens übernommen, welches sich auf die Fertigung von Massivholzmöbeln in zeitlosem Design spezialisiert hat.
Auf Umwegen zum Ziel
Dass die Oberösterreicherin einmal in die Fußstapfen ihres Vaters, Groß- und Urgroßvaters treten würde, war jedoch lange Zeit nicht abzusehen: "Während meiner Jugend war ich blind für das Handwerk. Nach der Matura wollte ich nur noch weg. Ich habe dann begonnen, Betriebswirtschaft zu studieren – bin zunächst nach Wien, später nach Südkorea und China gegangen." In China wandte sich Wittmann erstmals wieder dem Handwerk zu und absolvierte ein Praktikum als Branchen-Analysandin bei einem chinesischen Möbelproduzenten, in welchem Billigmöbel unter prekären Arbeitsverhältnissen hergestellt wurden – eine einschneidende Erfahrung, welche vieles veränderte. Da habe sie den wahren Wert des Handwerks begriffen. Wittmann zögerte nicht lange und beschloss, nach Österreich in die familieneigene Tischlerei zurückzukehren – bald stiegen auch die Brüder Max und Rudolf in die Möbelproduktion ein. "Es hat ein wenig gedauert, bis ich wusste, dass das meine Zukunft ist", so die junge Frau. "Ich denke, die Zeit im Ausland war sehr wichtig für mich. Manchmal braucht es eben ein paar Umwege, bis man zum Ziel kommt."
Blumen für die Chefin
Mit der Übernahme der Tischlerei sei für Wittmann ein wahrer Traum in Erfüllung gegangen. Dabei schätze sie besonders die Freiheit, eigene Entscheidungen fällen zu können. "Das hohe Maß an Eigenverantwortlichkeit ist Segen und Fluch zugleich", sagt Sophie Wittmann über ihre Erfahrungen als Jungunternehmerin. "Es kann sehr herausfordernd und kräftezehrend sein. Auch muss man schnell in die neuen Aufgaben hineinwachsen und sich den über Generationen hinweg gewachsenen Strukturen anpassen – gleichzeitig ist man gefordert, diese immer wieder neu zu hinterfragen und entsprechend anzupassen. Beispielsweise sind wir gerade dabei, das Unternehmen von Grund auf zu modernisieren, wodurch sich unsere Arbeitsprozesse bereits jetzt schon erheblich verbessert haben." Für das Private bleibe da wenig Zeit, so Wittmann. Inzwischen habe sie jedoch einen Weg gefunden, mit dem herausfordernden Pensum umzugehen. So kaufe sie sich jeden Freitag einen Strauß Blumen, um sich für die Arbeit der Woche zu belohnen: "Dieser wöchentliche Strauß ist mein persönlicher Luxus. Ansonsten schaue ich immer wieder, dass ich rauskomme und auch Zeit mit meinen Freunden verbringe. Das ist mir sehr wichtig."
Wert von Frauennetzwerken
Laut Wittmann sind Frauen im Handwerk längst kein Novum mehr. Nichtsdestotrotz habe sie hin und wieder Begegnungen gehabt, bei welchen ihre Kompetenzen angezweifelt wurden. "Während meiner Ausbildung und auch im Betrieb gab es diesbezüglich nie Probleme. Manchmal kam es jedoch vor, dass mich männliche Kollegen von Zulieferern in die Mangel nahmen. Ich habe mich dann teilweise wie bei einem Verhör gefühlt. Das war sehr unangenehm, das wünsche ich wirklich keinem." In solchen Situationen habe es ihr geholfen, sich mit anderen Frauen auszutauschen, die bereits einen ähnlichen Weg gegangen sind. Für sie sei es daher immer wichtiger geworden, weibliche Mentorinnen zu finden und Frauennetzwerke zu bilden – mit ihren männlichen Kollegen käme ein solcher Austausch hingegen seltener zustande: "Bei Männern entsteht schnell eine Art Konkurrenzkampf, den ich in der Kommunikation mit Frauen weniger wahrnehme. Zudem denke ich, dass es uns Frauen einfach leichter fällt, unsere Gefühle wahrzunehmen und diese einander mitzuteilen. Ich genieße diese Gespräche sehr, das gibt mir unglaublich viel."
Fokus Massivholzbau
Bereits heute zählen die Wittmanns, welche fortan unter dem Namen "Trewit" auftreten werden, als Spezialisten im Massivmöbelholzbau. "Wir sind in der Branche eine Art Sonderling – zum einen kommt bei uns ausschließlich massives Holz zur Anwendung, zum anderen sind alle unsere Möbelstücke von einem äußerst schlichten Design. In Österreich stoßen wir damit noch immer auf Widerstand. Manchmal hat man fast das Gefühl, dass man hier noch immer der Opulenz der k. u. k. Monarchie nachhängt. Unser Ziel wird also sein zu zeigen, dass ein Möbel nicht nur funktional, sondern gleichzeitig auch schön sein kann." Weiters werde das Unternehmen die bereits begonnenen Digitalisierungs- sowie Optimierungsprozesse weiter fortsetzen und die Möbel zunehmend auch auf dem internationalen Markt positionieren. Pläne für eine Expansion gäbe es hingegen nicht. "Wir fühlen uns im Almtal sehr wohl und sind als Betrieb gut aufgestellt. Jetzt geht es darum, uns auf unsere Stärken zu fokussieren und unsere Kernkompetenzen im Sesselbau noch weiter auszubauen."