Ausschreibungen
Öffentliche Auftraggeber gefordert
Die Dämmung des Gebäudebestands wird als eine zentrale Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel angesehen. Dementsprechend spielen die eingesetzten Dämmstoffe eine Schlüsselrolle. Hier will die Regierung mit Aufträgen der öffentlichen Hand mit gutem Beispiel vorangehen. Dem widerspricht laut der Fachvereinigung Mineralwolleindustrie (FMI) jedoch der Einsatz von Dämmstoffen aus "nichtfreigezeichneter Mineralwolle", deren Eigenschaften nicht regelmäßig kontrolliert und umfassend getestet werden. Nun hat die FMI eine rechtliche Stellungnahme über die Heranziehung "freigezeichneter" Mineralwolle in öffentlichen Ausschreibungen beauftragt, die zu dem Schluss kommt, dass der geplante Einsatz nicht ausreichend geprüfter Mineralwolleprodukte eine Vergabeaufhebung nach sich ziehen kann.
Auslegung eindeutig?
"Diesem Rechtsgutachten zufolge unterliegen öffentliche Auftraggeber bei Vergaben arbeitsschutzrechtlichen, umweltrechtlichen und auch verfassungsrechtlichen Verpflichtungen für eine Heranziehung zertifizierter und freigezeichneter Mineralwolleprodukte", erläutert FMI-Geschäftsführer Clemens Hecht das Ergebnis des Gutachtens. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes sei es geboten, keine Produkte mit potenziell gefährlichen Eigenschaften zu beschaffen. Auch aus Sicht des Umweltschutzes dürften keine Produkte beschafft werden, die mangels anderslautender Nachweise als "gefährlicher Abfall" eingestuft seien. Produkte bei Ausschreibungen zu berücksichtigen, die diese Kriterien nicht erfüllen, führe zu einem direkten Spannungsverhältnis zu unionsrechtlichen Grundlagen wie der "Interpretationsmaxime".
Für die öffentliche Hand bedeutet das laut der Interpretation der FMI, dass sie im Ermessensfall, also wenn sie als Auftraggeber eine Wahlmöglichkeit hat, immer jener Maßnahme den Vorzug zu geben hat, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit und/oder jenem der Umwelt förderlich ist – im gegenständlichen Fall durch die Beschaffung von freigezeichneter Mineralwolle. Damit bestätige das Gutachten die Einschätzung des jüngst verabschiedeten "ÖWAV Arbeitsbehelf 70 Ökologische Beschaffung", der für Vergaben in Zusammenhang mit Mineralwolleprodukten ebenfalls explizit das RAL-Gütezeichen und das EUCEB-Markenzeichen nennt.
Vergabe anfechtbar
Laut dem Rechtsgutachten sprechen gute Gründe für die Nutzung des Mineralwolle-Gütezeichen zum Nachweis der Einhaltung der Verpflichtungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, der Grenzwerteverordnung und dem Bundesvergabegesetz. Den öffentlichen Auftraggebern bieten sie neben der Produktsicherheit auch die Gewissheit, die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einzuhalten. Aus Gründen der im Unionsrecht verankerten Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsätze sind gleichwertige Nachweise möglich. Der Nachweis der Gleichwertigkeit mit bestehenden Gütezeichen muss jedoch vom Bieter und vom Auftraggeber gleichermaßen geführt werden.
Jedes öffentliche Vergabeverfahren wäre damit mit einem höheren Anfechtungsrisiko eines "gleichwertigen Nachweises" belastet. Öffentliche Auftraggeber, die gegen diese Verpflichtungen verstoßen, könnten jederzeit mit einer kostspieligen Aufhebung der Vergabe rechnen. "Um eine spätere Aufhebung einer Ausschreibung von Aufträgen, die die Beschaffung von Mineralwolledämmstoffen beinhalten, zu vermeiden, sollten sich öffentliche Auftraggeber bei ausnahmslos jeder Vergabe an den Gütezeichen von RAL bzw. EUCEB orientieren", unterstreicht FMI-Vorstandsvorsitzender Udo Klamminger.