LCM-Kolumne
Alternative Vertragsmodelle und Lean Management
In Österreich werden im öffentlichen Bereich seit ein paar Jahren die ersten Pilotprojekte mit alternativen Vertragsmodellen abgewickelt (z. B. FH Campus Wien House of Science & Engineering). Die Beweggründe für diesen neuen Weg sind vielfältig. Einer davon ist, dass viele Projektbeteiligten die etablierte Streitkultur mit Claim- und Anticlaimmanagement durchbrechen wollen, denn damit wird definitiv kein Mehrwert für das Bauwerk bzw. das Projekt geschaffen. Nachweislich schadet ein hohes Konfliktpotenzial dem Projekterfolg. Stattdessen wollen die Befürworter von Allianzverträgen, Partnering oder Early-Contractor-Involvement den Fokus auf den Kundenwert richten und die Energie für die wertschöpfende Tätigkeit aufwenden, nach dem Motto "Best for Project". Dies geschieht nicht im Alleingang der einzelnen Disziplinen und Organisationen, sondern in einer gemeinsamen Projektstruktur. Als positiver Nebeneffekt dieser besseren Kultur im Umgang mit Projektbeteiligten resultiert eine höhere berufliche Attraktivität für Berufseinsteiger.
Merkmale von alternativen Vertragsmodellen
Die Merkmale von alternativen Vertragsmodellen sind unter anderem Teamgeist, Respekt, Vertrauen Transparenz und Partnerschaft bei der Abwicklung von Bauprojekten. Im Planungs- und Bauprozess werden gemeinsam Risiken bewertet, Hindernisse und Probleme im Prozessablauf frühzeitig identifiziert und in Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten anschließend gelöst und beseitigt. All diese Attribute finden sich auch in der Lean-Kultur wieder. Mit Fokus auf den eigentlichen Kundenwert ist eine Verbindung der alternativen Vertragsmodelle mit dem Lean Management nur logisch und nachvollziehbar. Im Hochbau wurde beispielsweise ein System entwickelt, bei dem der Vertrag auf drei Säulen ruht.
Diese sind: Partnerschaft l Lean l BIM.
Kooperation als gemeinsamer Nenner
Alle drei Säulen haben einen gemeinsamen Nenner, die Kooperation. Lean ergänzt dies mit seinen verschiedenen Methodiken und Werkzeugen, die individuell für Problemlösungen eingesetzt werden können. In der Praxis wurde festgestellt, dass im Zuge der Kick-off-Workshops zur Etablierung des Lean-Prozesses und der Vermittlung der Methodik, beispielsweise mit Simulationsübungen, bereits ein wesentlicher Beitrag zum Teambuilding entsteht. Bei den nachfolgenden kurzyklischen Lean-Evaluierungs- und -Planungsbesprechungen werden die Teilnehmer durch eine entsprechende Moderation des Lean-Experten fortwährend angehalten, diese teamorientierten Eigenschaften beizubehalten. Somit gelingt eine nachhaltige Implementierung des kollaborativen Elementes im Projekt. Mittlerweile bestätigen viele internationale Studien, dass ein kooperatives und vertrauensvolles Verhalten zwischen den Projektbeteiligten eine erfolgreiche Umsetzung von Bauprojekten bewirkt und weniger Kosten verursacht. Der große Mehrwert der alternativen Vertragsmodelle ist, dass vom Bauherrn ausgehend eine Zusammenarbeit initiiert wird und daher alle Projektbeteiligten in den Lean-Prozess miteingebunden sind. Die Conclusio ist, dass vertragliche Partnerschaftsmodelle und Lean-Construction-Management sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam einen hohen Beitrag zu einer besseren Kultur im Bauwesen leisten.
Praxistipp
Wie kann ein rasches Kennenlernen und vertrauensvoller Umgang zwischen den Projektbeteiligten hergestellt werden? Der Beginn ist sehr einfach. Das Du-Wort, unabhängig der Hierarchie, reicht in den meisten Fällen schon aus. Unsichtbare Barrieren werden leichter überwunden und eine entspannte und vertrauensvolle Kommunikation kann starten. Und eines sollte nicht außer Acht gelassen werden: Eine bessere Qualität der Zusammenarbeit beeinflusst ebenso die persönliche Lebensqualität.
(sm)